Folgenschwer Invasive Muschel verdrängt deutsche Arten
Einst war sie am Schwarzen Meer heimisch. Jetzt erobert die Quagga-Muschel die deutschen Gewässer – und das bringt Probleme. Lässt sich die Invasion noch aufhalten?
Jeden Tag läuft etwas mehr Wasser aus dem Rothsee. Der sinkende Wasserspiegel bringt ganze Muschelteppiche ans Tageslicht. Freiwillige sammeln seit Wochen Tausende heimische Muscheln ein, um sie weiter tiefer im See ins rettende Wasser zu bringen. Bei den winterlichen Temperaturen würden sie sonst absterben. Zurück bleiben die viel kleineren Dreikantmuscheln – und das ist Absicht.
Die Muscheln machen in dem Stausee, etwa 30 Kilometer südlich von Nürnberg, massenhafte Probleme. Sie breiten sich am Seeboden bereits so stark aus, dass anderen Muscheln der Lebensraum genommen wird, wie Manuel Philipp vom Wasserwirtschaftsamt Nürnberg erklärt. Deshalb senkt die Behörde jedes Jahr den Wasserspiegel des Sees über mehrere Wochen auf sechs Meter ab. Zwei bis drei kühle Nächte mit Minusgraden reichten, um die Population einzudämmen, sagt Philipp.
Wie die Muschel aus dem Schwarzen Meer nach Deutschland kam
Der Rothsee mag ein Sonderfall sein, doch auch anderswo beobachten Fachleute große Bestände der eingewanderten Dreikantmuscheln. Vor allem die zur Familie der Dreikantmuscheln gehörende Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis bugensis) breitet sich seit einigen Jahren stark in Deutschland aus. "Die Muscheln kommen überall da vor, wo es Schifffahrt gibt", sagt Franz Schöll von der Bundesanstalt für Gewässerkunde.
Ursprünglich stammt die Quagga-Muschel aus dem Mündungsgebiet des Schwarzen Meeres und wurde vermutlich mit dem Schiffsverkehr eingeschleppt. Inzwischen ist sie nach Angaben des Umweltbundesamtes vom Bodensee bis in den Norden Deutschlands verbreitet.
Kaum Konkurrenz für die Quagga-Muschel
Zum Teil verdrängt sie sogar ihre Verwandte, die Zebramuschel (Dreissena polymorpha), die ebenfalls zu den Dreikantmuscheln gehört. Diese war ursprünglich in Mitteleuropa heimisch und wurde in der letzten Eiszeit zurückgedrängt, breitet sich seit einigen Jahrzehnten aber über den Schiffsverkehr wieder aus.
"Generell scheint die Quagga-Muschel konkurrenzstärker zu sein, da ihr Auftreten meist mit einem Rückgang der Zebramuschel verbunden ist", sagt Andreas Dobler von der Koordinationsstelle für Muschelschutz der Technischen Universität München. Ein Beispiel dafür sei der Main-Donau-Kanal, in dem sie seit 2008 als die häufigste Muschelart gelte, was bis dahin die Zebramuschel war.
Heimische Muscheln werden verdrängt
Seit 2016 breitet sich die Quagga-Muschel auch im Bodensee aus – und zwar rasant. Drei Jahre nach dem ersten Fund hatte diese bereits den gesamten Bodensee erobert, wie Dominic Hahn vom BUND Baden-Württemberg sagt. Er betrachtet die Ausbreitung der Dreikantmuscheln zum Teil mit Sorge. Diese könnten den stark gefährdeten heimischen Großmuscheln die Nahrung streitig machen. Außerdem könnten die Larven in die Systeme der Wasserversorgung eindringen, Pumpen blockieren und ernste technische Probleme verursachen.
Doch es gibt auch positive Effekt: "Am Bodensee hat die Zahl der überwinternden Wasservögel zugenommen", sagt Hahn. Besonders Reiherente, Tafelente und Blesshuhn bedienten sich gerne an den Muschelbänken.
Ausbreitung lässt sich nicht stoppen
Die Ausbreitung der Dreikantmuscheln ist nach Angaben von Dobler kaum aufzuhalten, da sich die Larven an harte Oberflächen anheften könnten. "Es reicht schon ein Sportboot oder ähnliches, das von einem Gewässer zum nächsten gebracht wird, um die Muschel einzuschleppen." Einzige Möglichkeit wäre, Boote, Surferbretter Taucherausrüstungen und Ähnliches immer zu desinfizieren und längere Zeit trocknen zu lassen. Doch vor allem im privaten Bereich wäre das ohne rechtliche Grundlage und strenge Kontrollen utopisch.
Und auch im Rothsee kann das jährliche Absenken des Wasserspiegels den Bestand nur verkleinern. Denn mit dem Wasser aus dem Main-Donau-Kanal kommen immer wieder neue Dreikantmuscheln nach.
- Nachrichtenagentur dpa