Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kolumne "Lust, Laster und Liebe" Um diese Uhrzeit haben die meisten Paare Sex
Das Liebesspiel findet immer dann statt, wenn einer von beiden oder sogar beide total Lust haben? Eher nicht. Denn für viele Pärchen kommt nur ein Tag für die Zeit zu zweit infrage.
"Am Samstagabend kann ich nicht. Da habe ich Sex", antwortet mir Sonja, als ich sie nach einem Termin für unser nächstes Videocall-Event frage. Sex nach Termin? Für mich klingt das wenig romantisch! "Schatz, wir haben in fünf Minuten unser Zeitfenster fürs gemeinsame Liebesspiel. Also pack alles beiseite. Ich warte dann schon mal im Schlafzimmer auf dich", scherze ich. Tatsächlich raten ja Paartherapeuten dazu, sich in einer Beziehung feste Termine für das Liebesspiel zu setzen. Wie schwachsinnig! Schließlich haben die meisten Paare eh immer zur gleichen Zeit Sex. Wer braucht dann noch einen Terminplaner?
Wann haben die meisten Paare Sex?
Der Tag und die Uhrzeit, an denen die meisten Sex haben, ist Sonntag um 9 Uhr. Fühlen Sie sich ertappt oder denken Sie jetzt, dass Sie nicht in das Raster passen, da Sie sich eher Samstagabend einem ausgiebigen Liebesspiel widmen? Überraschung: Samstag um 22.30 Uhr liegt auf Platz Zwei der Beliebtheit, gefolgt von Samstag 23.30 Uhr und Freitag 22.30 Uhr.
Ich stelle mir witzig vor, wie diese Studie wohl zustande gekommen ist. Entweder durch genervte Nachbarn: "Das benachbarte Pärchen hat mir durch sein Gestöhne wieder den ganzen Schlaf am Wochenende geraubt." Oder durch ähnliche Terminfindungsprobleme wie zwischen mir und meiner Freundin.
Genitalien das Ablesen der Uhrzeit beibringen?
Aber mal ehrlich: Wo bleibt die Spontanität für Sex, die wir am Anfang einer Beziehung haben? Die Lust, einfach mal der eigenen Libido zu folgen und diese nicht zu unterdrücken, nur weil Chips, Sofa und Netflix gerade weniger anstrengend sind oder der Einkauf noch erledigt werden muss? Trainieren wir im Laufe einer Beziehung unseren Genitalien jede mögliche Erregung ab, nur weil es gerade nicht in unser Leben passt? Nach dem Motto: "Melden darfst du dich nur am Sonntagmorgen, wenn die Kinder noch schlafen, oder Samstagabend, nachdem ich einen Film gesehen und zwei Gläser Wein getrunken habe. Ansonsten hast du zu schweigen." Das ist furchtbar!
Sicherlich kann es helfen, in einer verkorksten oder unbefriedigten Beziehung Sex-Dates zu planen. Kein Zweifel. Aber unsere Genitalien und unsere Libido dahingehend regelrecht zu konditionieren, klingt zum einen sehr traurig und erschreckend und zum anderen megaspießig und altbacken.
Es erinnert mich an einen Kumpel: Er frühstückt um 8 Uhr, isst Mittag um 12 Uhr und Abendbrot um 18 Uhr. Auch wenn er keinen Hunger hat. Das Essen hat um diese Uhrzeiten auf dem Tisch zu stehen. Der Kumpel ist vor ein paar Tagen 40 geworden. Sicherlich hat jeder seinen ein oder anderen Tick. Aber wie wäre es denn mal, am Samstag oder Sonntag bis 11 Uhr im Bett zu liegen, sich einen Kaffee zu machen und sich damit wieder ins Bett zu kuscheln – durch Corona gibt es derzeit ja eh nichts, was man groß draußen verpassen könnte. Das klingt doch super.
Lassen Sie Ihre Libido wieder sprechen
Oder wie wäre es, die durch den Tatort hervorgerufene innerliche Spannung gleich für ein aufbrausendes Liebesspiel zu nutzen? Oder Montagmorgen: Anstatt dreimal die Schlummertaste des Weckers zu betätigen, die erogenen Punkte des Partners zu aktivieren? Wenn man so in die neue Woche startet, kann diese doch einfach nur gut werden.
Mein Tipp: Terminkalender wegwerfen oder jeden Tag von morgens bis nachts Termine für spontanen Sex reservieren und mehr darauf achten und hören, wann sich die eigene Lust meldet. Schließlich passieren die meisten schönen Dinge dann, wenn man nicht damit rechnet.
Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.
- Eigene Recherche