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Alfred Ritter: "Den besten Kakao kriege ich nicht mit Sklaven"


Nachhaltigkeit bei Ritter Sport
Alfred Ritter: "Den besten Kakao kriege ich nicht mit Sklaven"

dpa, Alexia Angelopoulo

27.03.2018Lesedauer: 4 Min.
Ritter Sport: Der Schokoladenhersteller ist in den nachhaltigen Anbau von Kakao eingestiegen.Vergrößern des Bildes
Ritter Sport: Der Schokoladenhersteller ist in den nachhaltigen Anbau von Kakao eingestiegen. (Quelle: Ekaterina79/getty-images-bilder)

Für Nachhaltigkeit und fairen Handel, gerne auch gegen den Trend: Mit einer eigenen Kakaoplantage in Nicaragua geht die dritte Generation von Ritter Sport eigene Wege auf dem Schokomarkt.

Gerade erst ist Alfred Ritter von einer weiteren Reise nach Nicaragua zurückgekommen. Es sind anstrengende Trips, quer durch das Land und über Schotterpisten im Regenwald, bis man zur unternehmenseigenen Farm "Finca El Cacao" gelangt. Dort wachsen rund eine Million Kakaobäumchen, die künftig ein Drittel des Ritter-Bedarfs am wertvollen Rohstoff abdecken sollen.

Zurück in seinem Büro in der Firmenzentrale in Waldenbuch bei Stuttgart liefert der Unternehmer ein Paradebeispiel schwäbischen Understatements. "Tja, ich bin noch ein bissle euphorisch", verrät er in aller Seelenruhe und fügt leise hinzu: "Es ist gut geworden."

Das größte Kakaoanbaugebiet der Welt

"Es" ist das nach Unternehmensangaben größte zusammenhängende Kakaoanbaugebiet der Welt, eine Fläche von 2.500 Hektar, die aus ökologischen Gründen nur etwa zur Hälfte bepflanzt wird – und wenn, dann mit Rücksicht auf das Tierreich und die Biodiversität. "Mehr als 40 Prozent lassen wir als Urwald stehen, eben die Flächen, die schon bewaldet waren", sagt Ritter. "Der Rest war Viehweide, dort ist Platz für die notwendige Infrastruktur und den Anbau."

350 Menschen arbeiten für die Ritter-Plantage, sie und ihre Familien sind versichert, es gibt ärztliche Versorgung und Weiterbildung, die Bezahlung liegt über dem nicaraguanischen Mindestlohn. Darüber hinaus bezieht Ritter schon seit vielen Jahren Kakao von mittlerweile rund 20 nicaraguanischen Kooperativen aus rund 3.500 Kakaobauern. Auch sie werden fair bezahlt und dabei unterstützt, die schwäbischen Qualitätsanforderungen zu erfüllen. Ähnlich geht das Unternehmen in Westafrika vor. "Besten Kakao kriege ich nur mit gut ausgebildeten Bauern, nicht mit Sklaven", sagt Ritter.

"Menschenrechte einzuhalten geht nicht, wenn man immer da kauft, wo es billig ist"

Denn unsozial geht es auf dem Weltmarkt für Kakao durchaus zu, bestätigt Friedel Hütz-Adams vom Bonner Südwind-Institut, das über gerechte Wirtschaftsbeziehungen forscht. Die Kakaobauern hängen direkt vom Weltmarktpreis des Rohstoffs ab. "2016 wurde eine gute Ernte erwartet, zehn Prozent mehr als die Nachfrage. Deshalb stürzte der Preis um 30 Prozent ab, das war für die Bauern ein Desaster", sagt Hütz-Adams. So komme es beim Kakaoanbau vor allem in Westafrika auch immer wieder zu Kinderarbeit, weil die Familien sich keine erwachsenen Erntehelfer mehr leisten könnten.

"Die großen Schokoladenhersteller machen schon viel, verschiedene Projekte – aber mit der eigenen Plantage ist Ritter Sport vorne", sagt Hütz-Adams. Für viele Unternehmen rechne es sich viel besser, den Weltmarktpreis als gegeben hinzunehmen. "Aber Menschenrechte in der Wertschöpfungskette einzuhalten geht nicht, wenn man immer da kauft, wo es billig ist."

Ritter Sport: 2013 das ZNU-Nachhaltigkeitszertifikat erhalten

In dieser Hinsicht ist Ritter Sport freier als andere: Die "Finca El Cacao" zu betreiben sei ein Projekt, das nur ein Privatunternehmer realisieren könne, sagt Ritter. "Als Chef einer AG würde ich mich damit am Rande der Legalität bewegen, weil man dort immer auf einen schnell Return on Invest achten muss."

Hört sich alles zu sozial und nachhaltig an, um wahr zu sein? Stimmt aber, sagt Christian Geßner, Leiter des Zentrums für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Uni Witten/Herdecke. "Das Beeindruckende bei Ritter Sport ist, dass sich die verantwortungsvolle Denke durch das ganze Unternehmen zieht", sagt Geßner. Als erster Schokoladenhersteller hatte Ritter Sport 2013 das ZNU-Nachhaltigkeitszertifikat erhalten.

Neuartige Maschine für Kakaofrüchte entwickelt

Alfred Ritter erklärt es so: "Man wirtschaftet, um gut zu leben. Davon ist ein Faktor, Geld zu haben – aber eben auch nur einer. Der andere ist, Sachen zu tun, mit denen man sich wohlfühlt." Auch deshalb hat er bei der Jugend-Initiative "Plant for the Planet" für die Pflanzung von einer Million Bäume gezeichnet, die Treibhausgase reduzieren sollen.

Aus diesem Antrieb hat der Enkel der Unternehmensgründer auch eine neuartige Maschine entwickeln lassen, mit der die Kakaofrüchte aufgeschnitten werden. "Bisher geschieht das mit Macheten und Holzknüppeln. Man rechnet pro Tafel Schokolade eine Kakaofrucht – das muss man sich mal vorstellen: Es werden pro Jahr Hunderte Millionen Tafeln Schokolade gegessen, was das für ein Geklopfe ist!"

Qualität und Nachhaltigkeit bei Ritter Sport

In Qualität und Nachhaltigkeit sieht man bei Ritter Sport die Zukunft – jedenfalls in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien, wo der Schokoladenmarkt mit ein bis drei Prozent pro Jahr rückläufig ist, weil die Menschen auf ihre Figur achten und mehr Sushi und Obst essen. Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU glaubt, dass diese Strategie zumindest in einem mittleren Umfang aufgehen kann.

"In gesättigten Märkten spielt der gesellschaftliche Nutzen eine große Rolle – wobei die Masse der Kunden dennoch nicht bereit ist, dafür mehr zu bezahlen", sagt er. Andererseits drohe Ritter im Bereich Nachhaltigkeit auch nicht unbedingt Konkurrenz: "Für Großunternehmen ist es schwierig, die benötigten Großmengen an Rohstoffen aus nachhaltigen Quellen zu beziehen. Das kann Ritter Sport als Differenzierungsmerkmal nutzen."

Für einen, der einst gar nicht ins Familienunternehmen eintreten wollte und stattdessen Psychologie studierte und als Therapeut arbeitete, scheint Alfred Ritter sich heute äußerst wohl zu fühlen. Am 1. April wird er 65 Jahre alt. Wie es weitergeht? "Ach, ursprünglich hatte ich mal vor, zum 65. ein richtiges Geburtstagsfest zu machen. Aber dann dachte ich, nein, das klingt viel zu sehr nach Abschied, das lassen wir mal lieber."

Verwendete Quellen
  • dpa
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