Tyrannosaurus, ick hör dir trapsen Woher haben Jungs diesen Dinosaurierwahn?
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Mein Sohn steht auf Dinosaurier. So wie alle Jungs. Feuerwehr, Polizei und Ritter hat er schon durch. Kinderevolution nennt sich das, sagte mir neulich ein Sozialpädagoge. Aber wie kommt das? Irgendeiner muss doch angefangen haben mit der Fanschaft der Urzeitviecher.
Iiiiiich war's jedenfalls nicht! Ich käme nicht im Traum darauf, meinem Sohn etwas vom Prontosaurus zu erzählen. Ich wüsste auch nicht, was. Dennoch: Dinofieber! Wann und wo war der Urknall des Dinosaurierwahns? Die Mädels aus der Kita waren es gewiss nicht. Die kannste mit 'nem Triceratops nicht hinterm Ofen vorlocken und schon gar nicht aus der Puppenecke. Bestimmt war's ein anderer Junge, dessen großer Bruder auch schon Dinosaurier liebte. Aber warum um alles in der Welt liebte DER diese Giganten und hörte dann von einem Tag auf den anderen schlagartig wieder damit auf, etwa um sich Piraten zuzuwenden? Würde man einen Fünfjährigen auf Werkseinstellung zurücksetzen, würde er bestimmt nicht auf Dinosaurier abfahren – jedenfalls nicht jeder von ihnen.
Man wird das Rätsel nicht lösen können, muss sich also in sein Schicksal fügen, dass nun alles irgendwie mit den Urzeitriesen beklebt, bemalt und besprochen werden muss.
Ein Fleischfresser mit einer schrecklichen Kralle
"Das ist ein Paläontologe", erklärte mein Sohn schon, da war mein Sohn erst vier, und wies dabei auf einen Mann, der in einem Buch über Dinosaurier neben Knochenfunden rumstand. "Ein bitte was?!", fragte ich entgeistert. "Mama, du Doofi, das ist einer, der alles über Dinosaurier weiß. Warum weißt DU das nicht?", fragte er ebenso entgeistert zurück. "Äh, gute Frage", entgegnete ich zeitschindend etwas kleinlaut, weil mir nichts Besseres dazu einfiel. "Guck mal, das ist ein Velociraptor", setzte er seine wissenschaftlichen Ausführungen fort. "Der ist ein Fleischfresser mit einer schrecklichen Kralle." "Aha?!", sagte ich beeindruckt, um ernstes Interesse vorzugaukeln.
Wer ist hier eigentlich ausgestorben?
Ich fürchte, ich muss mich mit diesen Wesen nun etwas genauer befassen, damit ich nicht ständig aus dem prähistorischen Mustopf komme. Neulich erst, da war er bei meinen Eltern und sie baten mich, ihn früher als geplant abzuholen, wegen eines plötzlichen Todesfalls im Freundeskreis. Als ich ankam, sagte er zu mir: "Mama, Oma und Opa sind ganz traurig, weil eine sehr, sehr gute Freundin von ihnen ausgestorben ist." Ich musste mich extrem zusammenreißen, mäanderte irgendwo zwischen Anteilnahme und Lachkrampf hin und her und sagte konzentriert, dem Ernst der Lage angemessen: "Ja, ich weiß, das ist schlimm. Sie ist leider an einer Krankheit gestorben". "Ausgestorben!", betonte er noch mal. Und ja, verdammt! Er hat natürlich vollkommen Recht: Sie war ganz gewiss die letzte ihrer Art.
Larissa Koch ist Redakteurin bei t-online.de und hat zwei Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren. In ihrer Kolumne "Der ganz normale Wahnsinn" beschreibt sie regelmäßig, was Eltern durchmachen müssen oder dürfen – je nachdem.