Rekord bei der Kleinkinderbetreuung Es gibt mehr Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder – aber noch immer nicht genug
Schon wieder ein Rekord bei der Kinderbetreuung. Aber die Steigerung hält nicht Schritt mit dem Bedarf junger Eltern, die rasch in den Beruf zurück wollen – vielen Kindern in Deutschland unter drei Jahren fehlt ein Kitaplatz. Und über die Qualität der Kindertagespflege ist damit auch noch nichts gesagt.
Junge Eltern, die mit ihren Babys im Arm für einen Kita-Platz Schlange stehen: Szenen wie Mitte Mai in Leipzig werfen ein Schlaglicht auf die weiterhin angespannte Lage der Kleinkinderbetreuung in Deutschland. Jetzt meldet das Statistische Bundesamt mal wieder einen Höchstwert. Also alles gut? Sieht nicht so aus, denn selbst die zuständige Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) spricht nur von einem "neuen Streckenrekord" – und verlangt an die eigene Adresse "mehr Engagement des Bundes in der Kindertagesbetreuung".
Welche Zahlen nennen die Wiesbadener Statistiker?
Genau 762.657 Kinder unter drei Jahren wurden zum 1. März 2017 in einer Tagesstätte (Kita), einer Krippe oder von einer Tagesmutter betreut. Das waren gut 41.000 (5,7 Prozent) mehr als im Vorjahr. Besonders rege beim Kita-Ausbau waren Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein – dort nahm die Anzahl der betreuten Kleinkinder mit knapp über zehn Prozent am stärksten zu. In den Ost-Ländern und Berlin fiel die Steigerung mit zwei Prozent niedrig aus, allerdings ist die Lage dort schon seit der Wende vergleichsweise komfortabel.
Wie hoch ist der Anteil der "Kita-Kinder"?
Hier wird es spannend, denn erst diese Betreuungsquote sagt etwas über die Mangelsituation in Deutschland aus. 32,7 Prozent der Kinder unter drei Jahren werden nach den bislang aktuellsten Daten des Statistischen Bundesamtes (01.03.2016) betreut. Dieser Anteil dürfte 2017 etwas höher sein, aber Pi mal Daumen hat immer noch nur rund ein Drittel der Eltern in Deutschland einen Kita-Platz.
Dies ist für alle Väter, vor allem aber für Mütter ein Problem, die (wieder) arbeiten wollen und keine Kleinkinderbetreuung finden. Zum Vergleich: In der Altersgruppe drei bis fünf Jahre lag die Betreuungsquote voriges Jahr bei zufriedenstellenden 93,6 Prozent.
Gibt es denn überhaupt einen höheren Bedarf bei jungen Eltern?
Davon kann man ausgehen. Trotz eines milliardenschweren Kraftakts mit 400.000 neuen Krippenplätzen in den vergangenen zehn Jahren hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine breite Betreuungslücke ermittelt.
Während von rund 2,2 Millionen Kindern unter drei Jahren jedes dritte in einer solchen Einrichtung betreut werde, liege der Elternbedarf bei gut einer Million (46 Prozent). In Westdeutschland gab es laut IW etwa 262.000 Krippenplätze zu wenig, in Ostdeutschland 31.000. Weil Eltern seit 2013 einen Rechtsanspruch auf Betreuung haben, sobald ihr Kind ein Jahr alt ist, wächst der Druck auf Länder und Kommunen.
Geht es bei den Betreuungsplätzen nur um Masse, um Quantität?
Nein. Auch die Qualität rückt in den Fokus – die Kita-Angestellten, ihre Ausbildung, ihre Bezahlung. "Wir brauchen mehr Personal in den Einrichtungen, gestärkte Kita-Leitungen, passgenaue Öffnungszeiten", sagt Barley. "Das hilft Kindern und Eltern gleichermaßen und ist Voraussetzung dafür, dass 700.000 Beschäftigte gute Bedingungen für ihre wichtige Arbeit vorfinden." Bessere Qualität erfordere mehr Investitionen.
"Hier ist der Bund stärker gefordert und muss sich dauerhaft an besseren Bedingungen in Kitas und der Kindertagespflege beteiligen", gab die SPD-Frau der nächsten Regierung mit auf den Weg. Zuletzt entlastete der Bund die Kommunen und die Länder immerhin mit gut 1,1 Milliarden Euro für 100.000 zusätzliche Kita-Plätze.
Wird die Kinderbetreuung in Deutschland zum Wahlkampfthema?
Das ist sie schon, seit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in seinem "Regierungsprogramm 2017" quasi eine Gratis-Bildung in Aussicht stellte: "Und zwar von der Kita über die Ausbildung und das Erststudium bis zum Master und zur Meisterprüfung." Die SPD will bei Eltern punkten, die für die Kinderbetreuung fast überall zur Kasse gebeten werden. Pro Monat sind je nach Land, Kommune, Kita-Träger und Kindesalter bis zu 700 Euro fällig.
Null Kita-Gebühren klingt erstmal gut. Aber ist das auch sinnvoll?
Experten der Bertelsmann-Stiftung sehen die SPD-Forderung eher skeptisch. Um gute Kita-Qualität für alle Kinder zu gewährleisten, "brauchen wir weiterhin finanzielle Unterstützung der Eltern", heißt es in Gütersloh. Anstatt die Gebühren komplett zu erlassen wie schon jetzt in Berlin und damit eine schlechtere Personalausstattung in Krippen und Kitas zu riskieren, sollten Beiträge nach bundesweit einheitlichen Kriterien und mit einheitlicher sozialer Staffelung erhoben werden.