Wer bestimmt nach einer Trennung? Gegen den Willen der Mutter: Vater setzt Impfung der Tochter durch
Eltern können frei wählen, ob sie ihre Kinder wie empfohlen impfen lassen oder nicht. Was aber, wenn die Mutter Impfgegner und der Vater -befürworter ist? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bei der Entscheidung das Kind im Blick.
In den anderen Fragen ihre gemeinsame Tochter betreffend haben sich Mutter und Vater nach der Trennung zusammengerauft. Aber bei dem Streit um die Impfung liegen die Positionen unversöhnlich weit auseinander: Soll die Kleine, inzwischen fast fünf Jahre alt, wie empfohlen geimpft werden oder nicht? Der Vater will die Tochter impfen lassen. Die Mutter hat Angst vor den Risiken und traut den Ärzten und der Pharmaindustrie nicht über den Weg.
Jetzt hatte der BGH das letzte Wort. Die Entscheidung (Az. XII ZB 157/16) macht es Impfgegnern in Zukunft schwerer.
Warum kann die Mutter nicht allein entscheiden?
Das Mädchen lebt zwar bei ihr. Obwohl die Eltern nicht verheiratet waren, teilt sich die Frau aber mit ihrem Ex-Freund das Sorgerecht. Das kommt inzwischen immer häufiger vor. Denn seit einer Gesetzesreform 2013 braucht es dafür nicht mehr zwingend das Einverständnis der Mutter. Solange es dem Kind nicht schadet, kann der Vater nun auch gegen ihren Willen einen teil des Sorgerechts bekommen.
Was heißt das fürs Familienleben?
Mutter und Vater teilen sich die Sorge fürs Kind und sein Vermögen. In intakten Familien bedeutet das, dass die Eltern in allen Fragen eine gemeinsame Position finden müssen. Nach einer Trennung wäre das aber wohl oft sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Hier macht das Gesetz deshalb einen Unterschied: Einig werden müssen sich die Eltern nur "bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist". In "Angelegenheiten des täglichen Lebens" darf der allein entscheiden, bei dem das Kind lebt.
Welche Entscheidungen sind alltäglich, welche bedeutend?
Das ist nicht immer einfach zu unterscheiden. Richtschnur ist, dass alles zum Alltag gehört, was häufig entschieden werden muss, keine langfristigen Auswirkungen hat und im Zweifel auch wieder über den Haufen geworfen werden kann. In dem Fall dürfte die Mutter also zum Beispiel entscheiden, wann die Tochter abends zu Bett geht, ob sie Süßigkeiten bekommt oder zum Ballett oder Fußball angemeldet wird. Geht es aber eines Tages darum, ob das Mädchen ans Gymnasium wechselt oder mehrere Monate ins Ausland geht, hat der Vater Mitspracherecht.
Was gilt, wenn es um die Gesundheit geht?
Das gleiche Prinzip: Fängt sich das Mädchen einen Schnupfen ein, kann sich die Mutter ohne Rücksprache kümmern. Über eine größere Operation müssten dagegen beide gemeinsam entscheiden. Umstritten war bisher, was mit Impfungen ist – gewissermaßen ja auch eine Routinesache. Hier legt der BGH jetzt höchstrichterlich fest: Die Entscheidung dafür oder dagegen ist von erheblicher Bedeutung fürs Kind. Im Grundsatz steht sie nicht häufig an, sondern nur einmal, auch wenn es später vielleicht noch Auffrischungen braucht. Und die Auswirkungen können nach Bewertung der Richter schwerwiegend sein – wenn Nebenwirkungen auftreten, aber eben auch, wenn ein ungeimpftes Kind sich infiziert.
Was passiert, wenn sich die Eltern – wie hier – nicht einigen?
Dann bleibt nur der Gang zum Familienrichter. Er darf die Sache nicht selbst entscheiden, kann aber festlegen, wer von beiden das letzte Wort haben soll. Zentrales Kriterium ist dabei das Wohl des Kindes.
Und was ist für das Kind besser: impfen oder nicht?
Auch hier gibt der BGH für die Zukunft die Linie vor: Solange bei dem Kind keine speziellen Gesundheitsrisiken gegen die Impfung sprechen, ist der Befürworter – in diesem Fall also der Vater – die bessere Wahl. Er darf seine Tochter gegen neun Infektionskrankheiten wie Tetanus, Masern und Röteln impfen lassen, wie von der Ständigen Impfkommission empfohlen. Für den BGH sind diese Empfehlungen "medizinischer Standard". Ein Expertengutachten, das die Mutter verlangte, braucht es nicht.