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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rekordansturm von Urlaubern Tourismusboom in Spanien - aber viele schimpfen
Immer mehr Urlauber kommen nach Spanien - auch wegen der Probleme in Nordafrika oder der Türkei. Der Arbeitsmarkt, eines der großen Sorgenkinder des Euro-Landes, profitiert von dieser Entwicklung. Es gibt aber auch Schattenseiten des Rekordansturms.
Manuel reibt sich die Hände: "Ich kann mich nicht an einen Juni erinnern, an dem es hier so viele Besucher gegeben hat. Wir kommen kaum zur Ruhe", sagt der Pferdekutscher vor der Kathedrale von Palma de Mallorca schwitzend, aber mit breitem Lächeln. Auch die Betreiber von Gaststätten, Hotels und Souvenirläden frohlocken - nicht nur auf der Insel, sondern in ganz Spanien. Erwartet werden 2016 rund 72 Millionen Touristen, nach 68 Millionen im Vorjahr. Der Einnahmerekord des Vorjahres von knapp 51 Milliarden Euro wird übertroffen werden.
Die spanische Wirtschaft, die mit 21 Prozent immer noch unter einer der höchsten Arbeitslosenquoten der EU leidet, jubelt. Und stellt auch ein: Gegenüber Mai wurde ein Rückgang der Arbeitslosen um gut 124 000 oder 3,2 Prozent verzeichnet. Es war für den spanischen Arbeitsmarkt der beste Juni seit 2006. In Spanien hat der Tourismus immerhin einen Anteil von 16 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, in Deutschland sind es lediglich 8,9 Prozent.
Tourismus als Motor
Ministerpräsident Mariano Rajoy bezeichnet den Tourismus als "Motor" der sich nach vielen Krisenjahren langsam erholenden Wirtschaft. Der Sektor, so Rajoy, trage "zum Wachstum des Wohlstands aller Spanier" bei. Maria nickt zustimmend - und erleichtert. Nach dreijähriger Arbeitslosigkeit wurde die fünffache Mutter aus Andalusien von einer neuen Luxus-Herberge auf Mallorca als Zimmermädchen eingestellt. Die 40-Jährige, eine von zwei Millionen Beschäftigten der Branche, sagt: "Ich bin im siebten Himmel."
Nicht nur in der Nähe der Kathedrale, auch am Ballermann, auf der Flaniermeile Passeig del Born und an Bushaltestellen treten sich die Touristen - vor allem Deutsche und Engländer - auf Mallorca schon jetzt auf die Füße. Bis Ende Oktober soll Palmas Flughafen 26,4 Millionen Passagiere abfertigen, 4,3 Millionen mehr als im Vorjahr. Tui-Chef Fritz Joussen warnte bereits: "Es werden nicht alle nach Mallorca kommen, die nach Mallorca wollen."
Spanien profitiert
Den Boom hat Spanien vor allem den großen Problemen der Konkurrenz zu verdanken: Terroranschläge, politische und soziale Instabilität in Nordafrika und der Türkei, oder die Folgen der Flüchtlingskrise in Griechenland schrecken viele Urlauber ab. Sie suchen sich andere Ziele. Durch einen billigeren Euro gibt es zudem so viele Besucher aus Asien, Afrika, USA und Lateinamerika wie selten zuvor.
Die Balearen-Inseln um Mallorca und Ibiza, aber auch Teneriffa und weite Teile der Mittelmeerküste, und sogar die Metropolen seien für den Sommer zum Teil bereits zu über 90 Prozent ausgebucht, teilte der Hoteldachverband Cehat mit. Dazu tragen vor allem auch die Deutschen bei. Die deutschen Flugreservierungen nach Spanien für Juni und Juli kletterten nach Angaben des Tourismusministeriums im Vergleich zu den Vorjahresmonaten um 13,2 und 15,9 Prozent. Cehat-Chef Juan Molas warnt die Unentschlossenen: "Dieses Jahr wird es keine Rabatte und auch keine Last-Minute-Angebote geben."
Nicht alle freuen sich
Aber nicht alle freuen sich. Biel Barceló, Tourismus-Minister der Balearen-Regierung, schüttelt energisch den Kopf: "Nein, wir können auf keinen Fall so weiter wachsen." Man hoffe, dass die zum 1. Juli eingeführte Touristensteuer von bis zu zwei Euro pro Kopf und Nacht eine regulierende Wirkung haben werde. Der Politiker hat dabei nicht nur die Nachhaltigkeit und die Umwelt im Kopf - sondern wohl auch den zunehmenden Verdruss der Bevölkerung.
Im Frühjahr wurde in Palma mit Grafitti gegen den Besucheransturm protestiert. Die "Tourists go Home"- und "Tourists you are the Terrorists"-Schmierereien an Fassaden im Altstadtviertel sind noch nicht richtig beseitigt, da werden bereits erneut die Exzesse des Massentourismus angeprangert. Auf Vorschlag einer Nachbarschaftsinitiative der Playa de Palma wehten vor einigen Tagen am Ballermann plötzlich schwarze Flaggen an vielen Balkonen.
Gefahren am Horizont
Nicht nur Politiker und Anwohner klagen, auch die Branche sieht Gefahren am Horizont. "Wir dürfen uns nicht totwachsen", warnt der Vizepräsident des Reiseverbandes Exceltur, José Luis Zoreda. Auf den Balearen, aber auch in Barcelona rebellierten Anwohner bereits gegen halbnackt und betrunken herumlaufende und grölende Touristen. Palmas Bürgermeister José Hila sagte jüngst der Mallorca-Zeitung unumwunden: "Wir haben inzwischen so viele Besucher, dass wir wählerisch sein können - und Touristen, die sich eine Woche lang betrinken wollen, brauchen wir nicht."