"Wettrüsten" im Kinderzimmer Wie Lego seine Unschuld verlor
Sogar die einst als harmlos gerühmten Lego-Bausteine werden immer brutaler, meinen neuseeländische Forscher. Die Hersteller von traditionellem Spielzeug befänden sich in einem regelrechten "Wettrüsten" gegen Spielekonsolen.
"Die Lego-Produkte sind nicht so unschuldig, wie sie es früher einmal waren", fasst Forscher Christoph Bartneck das Ergebnis der im Online-Journal "Plos One" veröffentlichten Studie zusammen. Lego stellt seine bunten Plastik-Bausteine seit 1949 her. 29 Jahre später tauchten in dieser heilen Welt erstmals Waffen auf - ein Set über eine Ritterburg enthielt Schwerter, Lanzen und Beile, wie Bartneck und sein Team von der University of Canterbury im neuseeländischen Christchurch in ihrer Studie schreiben.
Gewalt fasziniert Kinder
Für ihre Untersuchung durchforsteten die Wissenschaftler Lego-Kataloge von 1973 bis 2015. Sie fanden heraus, dass die Sets stetig gewaltsamer wurden. Inzwischen enthalten nach ihren Angaben 30 Prozent der Baukästen auch Waffen. Bartneck zufolge ist der Prozentsatz vermutlich noch höher, da die Daten der Forscher nur kleine Waffen aus einem einzigen Baustein berücksichtigen - und nicht ganze Bauteile wie etwa den planetenzerstörenden Todesstern aus "Krieg der Sterne".
Doch nicht nur die Zahl der Waffen nehme bei Lego zu, sagen die Forscher. Auch die in den Katalogen dargestellten Szenarien würden immer brutaler. "Derzeit enthalten rund 40 Prozent aller Katalogseiten irgendeine Form von Gewalt - insbesondere die Szenarien, in denen es um Schießereien geht oder um bedrohliches Verhalten, haben über die Jahre deutlich zugenommen". Die kleinen Kunden nähmen diese Darstellungen vorwiegend als "aufregend" wahr.
Lego: Konflikte gehören zum Alltag von Kindern
Lego sieht darin keine Gefahr. "Wir sind nicht der Meinung, dass unsere Produkte zu Gewalt auffordern", sagte Kathrine Bisgaard Vase, die Sprecherin des Konzerns im dänischen Billund. In einigen Lego-Welten gehe es um Konflikte, und die seien Teil des Alltags der Kinder.
Außerdem finde man diese Waffen nur in den Fantasiewelten von Lego. In der alltagsorientierten Serie Lego City trage nicht einmal der Polizist eine Pistole
Finstere Männchen helfen Lego aus der Krise
In einer anderen Studie aus dem Jahr 2013 hatte Bartneck bereits herausgefunden, dass der Gesichtsausdruck der Lego-Figuren immer finsterer wird - auf Kosten der Figuren mit glücklichen Gesichtern. Lego folgt laut den Forschern aber nur einem allgemeinen Trend im Kinderzimmer. Im Kampf um die Aufmerksamkeit ihrer Kunden seien auch die anderen Spielzeughersteller in einem "metaphorischen Rüstungswettlauf um neue aufregende Produkte gefangen".
Vor zwölf Jahren wäre Lego beinahe pleite gegangen - der dänische Spielwarenproduzent hatte sich mit Lego-Kleidung und Themenparks verzettelt und zudem der elektronischen Konkurrenz zu lange zu wenig entgegengesetzt. Die Firma erfand sich damals neu: Sie konzentrierte sich aufs Kerngeschäft und begann, Themenbaukästen zu Kinokassenschlagern wie Star Wars, Batman und Harry Potter anzubieten.
Lego: Die Waffen haben ein "größeres Ziel"
Daneben setzte Lego auf harmlose und witzige Computerspiele und -animationen. Im vergangenen Jahr feierte das Unternehmen sein elftes Wachstumsjahr in Folge. Unternehmenssprecher Troy Taylor sagte zu der neuseeländischen Untersuchung, die Produkte der Firma umfassten eine ganze Palette von Spielmöglichkeiten, dabei gehe es neben der Fantasie auch um Konflikte und Streit. Diese seien ganz normaler Teil der kindlichen Entwicklung.
Doch würden Waffen bei Lego stets für ein "größeres Ziel" eingesetzt, beispielsweise, "um die Welt zu retten", sagte Talyor. Zudem spiele der Charakter der Figuren stets eine größere Rolle als die Macht der Waffen. "Wenn möglich, setzen wir auf Humor - denn dieser hilft, den Konflikt zu entschärfen".