Krebs in der Schwangerschaft Wenn das Ungeborene wichtiger als der Kampf gegen Krebs ist
Die schwangere Amerikanerin Kim Vaillancourt leidet immer öfter unter Kopfschmerzen und Übelkeit. Aus Sorge um ihr ungeborenes Kind geht sie zum Arzt und bekommt eine schreckliche Diagnose: Ein besonders aggressiver Gehirntumor. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.
Vaillancourt braucht dringend Bestrahlung und Chemotherapie zur Bekämpfung der besonders aggressiven Krebsart. Aber sie hat die Behandlung bewusst aufgeschoben. Der kleine Junge, den sie erwartet, geht vor, ohne Wenn und Aber. "Er hat mich gerettet", sagt die werdende Mutter. "Jetzt bin ich an der Reihe, ihn zu retten."
"Ich hätte schlicht gedacht, ich habe Grippe"
Es begann über Weihnachten. Da fühlte sich Vaillancourt zunehmend schlechter. Sie ließ sich in einem Krankenhaus durchchecken, und am 27. Dezember kam die schreckliche Diagnose: Glioblastom, die häufigste bösartige Art von Gehirntumor. Bei einer Operation wurden ihr zwei Geschwüre entfernt, die - so die Ärzte - hätten tödlich sein können.
Wäre sie nicht schwanger gewesen, sagen Kim und ihr Mann Phil, wäre sie wohl nicht so rasch zur Untersuchung gegangen. "Ich hätte schlicht gedacht, ich habe Kopfschmerzen und Grippe, und ich hätte mich ins Bett gelegt", schildert Kim. Aber sie sei besorgt gewesen, dass das ungeborene Kind wegen ihrer Übelkeit nicht genügend Nährstoffe erhalten könnte.
Chemo und Bestrahlung erst nach der Geburt
So glauben die Eheleute, dass die Schwangerschaft ein Geschenk des Himmels war. Und jetzt, um dem ungeborenen Wyatt Eli die gleiche Chance zu geben, die er ihr gegeben hat, will sich Kim erst nach der Geburt der Krebsbehandlung unterziehen. Chemo und Bestrahlung sind ihre größte Hoffnung, den Krebs zu besiegen, aber sie wären riskant für ihr Baby. "Sie wird tun, was sie tun kann, um das Leben des Babys zu schützen und ihm ein möglichst gesundes Leben zu geben", sagt Phil Vaillancourt.
Die werdenden Eltern sitzen auf einem Sofa in ihrem Haus in Tonawanda, einem Vorort von Buffalo im US-Staat New York. Sie halten sich bei den Händen, es klingt ruhige Akzeptanz aus den Worten, mit denen sie beschreiben, wie abrupt sich ihr Leben binnen weniger Tage verändert hat.
"Wir beten viel und vertrauen Gott"
Der 23. Dezember war ein Tag absoluter Freude. Da hielten sich die Vaillancourts mit ihren elf und zwölf Jahre alten Kindern zu einer Zeremonie im Familiengericht von Erie County auf: Sie adoptierten drei Schwestern im Alter von sechs, sieben und zehn Jahren, die bisher zur Pflege bei ihnen gelebt hatten.
Vier Tage später erfuhren sie dann, dass das Glioblastom von schnell wachsenden Tumoren gekennzeichnet ist, die nach einer Operation häufig innerhalb von acht bis zwölf Wochen wieder auftreten. Das Baby soll am 25. April zur Welt kommen, und Kim unterzieht sich alle zwei Wochen einer Kernspintomographie. "Wir beten viel und vertrauen Gott, dass diese Scans nichts ergeben", sagt Phil Vaillancourt.
Behandlung soll zwei Wochen nach der Geburt beginnen
Dass sie in eine solche Situation kommt, hätte die sehr gesundheitsbewusste Kim nie gedacht. Lachend beschreibt sie, wie sehr sie stets darauf bedacht ist, ihr Handy so weit wie möglich vom Körper wegzuhalten, wenn sie SMS verschickt. Und sie hält auch nichts von der Mikrowelle in der Küche: Ihre sitzt seit zehn Jahren in der Garage und wird vielleicht einmal im Jahr benutzt.
Es sei merkwürdig, sich jetzt auf Chemikalien und Bestrahlung als Heilmittel zu stützen, sagt Kim. Anfangen will sie damit etwa zwei Wochen nach der Geburt, in der Hoffnung, dass die Tumore bis dahin nicht wiederauftreten.
Kindermädchen für die sechs Kinder gesucht
In Kürze werden die Vaillancourts mit ihrer Suche nach einem Kindermädchen beginnen, dass bei der Betreuung des Neugeborenen und der fünf anderen Sprösslinge helfen soll. Dazu zählt die siebenjährige Josie, die ohne Arme und Beine zur Welt kam. Phil, der Wartungsarbeiten für die Stadt Tonawanda ausführt, hatte sich in den vergangenen Monaten freigenommen, aber diese Auszeit läuft jetzt ab.
Ein Glioblastom ist ein "brutaler Krebs"
Ein Glioblastom kommt relativ selten vor, ist aber die häufigste und aggressivste Art von Krebs im Gehirn. In den USA erkranken jedes Jahr etwa 17 000 Menschen daran, aber während Schwangerschaften ist es ungewöhnlich, wie Robert Fenstermaker erklärt, der Leiter der Neurochirurgie am Roswell-Park-Krebsinstitut in Buffalo. Er spricht von einem "brutalen Krebs".
Kraft schöpfen die Vaillancourts aus dem engen Zusammenhalt ihrer großen Familien und den Gebeten, die viele Menschen ihnen widmen, seit ihre Geschichte bekanntgeworden ist. "Sie sind in den Herzen der Menschen", sagt Jugendfreundin Jenna Koch. So sind etwa in den nächsten Wochen eine Reihe von Benefiz-Veranstaltungen und Spendenaktionen für die Familie geplant.
Ihr Glaube gibt ihnen Zuversicht
Bei Behandlung haben Patienten mit dem ernsten Grad von Glioblastom, vom dem Kim heimgesucht wurde, eine durchschnittliche Lebenserwartung von 14 Monaten, wie Ärzte sagen. Aber die Vaillancourts schöpfen Zuversicht aus ihrem christlichen Glauben. "Ich hoffe, dass ich das über Jahre und Jahre hinweg bekämpfen kann", sagt Kim. "Ich hoffe, hier in 30 Jahren zu sitzen und zu erzählen, wie ich das besiegt habe."