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Vierlinge von Annegret R. sind "Hochrisikopatienten" in der Charité


Ärzte äußern sich
Frühchen und 65-jährige Vierlingsmutter soweit wohlauf

Von afp, dpa
Aktualisiert am 28.05.2015Lesedauer: 4 Min.
Die damals 55-jährige Annegret R. mit ihrer Tochter Lelia - das 13. Kind der Lehrerin. Nun ist die 66-Jährige 17-fache Mutter.Vergrößern des Bildes
Die damals 55-jährige Annegret R. mit ihrer Tochter Lelia - das 13. Kind der Lehrerin. Nun ist die 66-Jährige 17-fache Mutter. (Quelle: dpa)
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Der 65-jährigen Berliner Vierlingsmutter und ihrem Frühchenquartett geht es laut den Ärzten den Umständen entsprechend gut - die Kinder bekommen schon Muttermilch. "Zwei der Babys atmen spontan, die beiden anderen brauchen noch die Unterstützung einer Maschine", sagte Christoph Bührer, Direktor der Charité-Klinik für Neonatologie. Dort hatten die Vierlinge am 19. Mai per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblickt.

Es geht ihnen gut, aber über den Berg sind sie noch lange nicht: Neeta, Dries, Bence und Fjonn, geboren mit zarten 655 bis 960 Gramm und nur 30 bis 35 Zentimeter lang, kämpfen sich ins Leben. Die Vierlinge sind weltweit einzigartig, weil ihre Mutter, die Berliner Lehrerin Annegret R., sie mit 65 Jahren zur Welt brachte - rund 15 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin.

Gefahr für Schäden hoch

"Die Kinder benötigen viel Aufmerksamkeit und eine intensive Behandlung", sagte Bührer. Ein Kind wurde am Dünndarm operiert. Es gehe ihm aber nach der Operation "ganz prima". Die Ärzte machten aber zugleich deutlich, dass es sich grundsätzlich um "Hochrisikopatienten" handele. Eine Prognose ist schwierig, die Gefahr für bleibende Schäden oder Entwicklungsverzögerungen hoch.

Muttermilch per Magensonde

Versorgt werden die Frühchen mit Muttermilch, tröpfchenweise und per Magensonde, zum Teil von der eigenen Mutter und zum Teil von Spenderinnen. "Erstaunlicherweise funktionierte das bei der Mutter ganz ohne Hormongabe. Jetzt pumpt sie ab", berichtet Wolfgang Henrich, Direktor der Charité-Klinik für Geburtsmedizin.

Schwangerschaft gut bewältigt

Generell habe die 65-Jährige, die bereits 13 große Kinder hat, die Schwangerschaft erstaunlich gut bewältigt. "Sie stellte sich uns nach dem ersten Schwangerschaftsdrittel vor. Alles war völlig zeitgerecht und unauffällig." Auch der große Ultraschall in der 22. Schwangerschaftswoche war noch völlig unauffällig.

Bluthochdruck und vorzeitige Wehen

"Wir wissen aber, dass das gesundheitliche Risiko bei Mehrlingsschwangerschaften deutlich höher ist, die Gefahr für Bluthochdruck, Schwangerschaftsdiabetes oder Thrombosen gesteigert", berichtet Henrich. Am Tag vor der Geburt habe sich Annegret R. in der Klinik vorgestellt, weil es ihr nicht gut ging: Bluthochdruck. In der Nacht setzten dann vorzeitige Wehen ein. "Für uns blieb trotzdem noch genug Zeit, die Entbindung gründlich vorzubereiten", sagt Henrich.

"Im Minutentakt auf die Welt geholt"

Das heißt: Die Babys bekamen noch im Mutterleib ein Mittel zur Lungenreifung gespritzt, vier mehrköpfige OP-Teams mussten bereitgestellt werden. "Dann haben wir die vier am Dienstag um 11 Uhr im Minutentakt auf die Welt geholt", berichtet Henrich. Der Operationssaal und die Räume für die Babys wurden auf 37 Grad hochgeheizt. Alles lief gut, zwei der Kinder atmeten von Anfang an bereits spontan.

Der Mutter geht es gut

Annegret R. wurde nach der Entbindung zwei Tage auf der Intensivstation überwacht. "Sie hat sich exzellent erholt und ist heute mehrmals täglich bei ihren Kindern", berichtet Henrich. Die Kleinen werden in der Neonatologie versorgt, die auf Risikoschwangerschaften wie diese bestens vorbereitet ist.

Löcher im Darm geschlossen

"Vierlinge kommen im Mittel acht bis zehn Wochen zu früh zur Welt. Hier waren es fast 15 Wochen. Sie sind alle ganz zerbrechlich, aber ganz süß", sagt Bührer. Die Frist bis zum eigentlichen Geburtstermin werden sie voraussichtlich noch in der Klinik bleiben müssen. Wenn alles klar geht. Denn Risiken drohen weiterhin, dem kleinen Mädchen - laut Bührer "eigentlich die Fitteste von allen vieren" - mussten bei einer OP kleine Löcher im Darm geschlossen werden.

Die Vierlingsmutter wird wahrscheinlich Ende der Woche das Krankenhaus verlassen. "Es geht mir jeden Tag besser", sagte Annegret R. nach RTL-Angaben. "Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass sie noch länger da drinbleiben", sagte sie über die frühe Geburt. Sie zeigte sich erstaunt darüber, wie zerbrechlich ihre Kinder sind: "Das ist natürlich ungewohnt, so zarte Gliedmaßen auch anzufassen und so einen zarten Körper." Bis jetzt hätten die Kinder gut gekämpft und es ganz gut hingekriegt.

"Das war in jeder Hinsicht ein Sonderfall"

Kritik an den Umständen der Vierlingszeugung wollen die Charité-Ärzte nicht üben. "Für uns steht das Wohl der Kinder im Mittelpunkt", betont Bührer. Auch Henrich möchte sich nicht negativ äußern. "Wir müssen aber eine gesellschaftliche Diskussion führen mit dem unbedingten Ziel, Frauen das Kinderkriegen in einer früheren Lebensphase zu erleichtern." Hohe Nachahmungsgefahr sieht er für das aktuelle Beispiel nicht. "Das war in jeder Hinsicht ein Sonderfall."

Wer trägt die Kosten?

Ein Sonderfall wird möglicherweise auch die Bezahlung für den ärztlichen Großeinsatz. "Ich bin gespannt, wie sich die Krankenkasse gegenüber der Frau verhalten wird", sagt Henrich. Bei Einlingsschwangerschaften ultraspäter Mütter, wie sie an der Charité schon mehrfach vorkamen, habe es bislang keine Probleme mit der Kostenerstattung gegeben.

Aber sowohl die Eizellspende als auch das Einsetzen von mehr als drei befruchteten Embryonen, wie hier passiert, ist in Deutschland verboten. "Andererseits werden in Deutschland viel zu wenig Babys geboren", sagt Henrich. "Diese Frau hat viel dazu beigetragen, die Quote zu erhöhen."

17 Kinder und sieben Enkel

Annegret R. hatte sich in der Ukraine aus Eizell- und Samenspenden im Labor gezeugte Embryonen einpflanzen lassen. Sie ist jetzt 17-fache Mutter und siebenfache Großmutter. Den späten Kinderwunsch hatte sie damit begründet, dass sich ihre neunjährige Tochter Lelia ein Geschwisterchen gewünscht habe. Die übrigen zwölf Kinder sind erwachsen.

In Deutschland gab es von 2000 bis 2012 offiziellen Zahlen zufolge 18 Vierlingsgeburten nach künstlicher Befruchtung. Bei nur einer davon war die Mutter über 40 Jahre alt, wie aus dem sogenannten IVF-Register hervorgeht. Darin werden Daten unter anderem zur In-vitro-Fertilisation (IVF) gesammelt. Bei Schwangerschaften ohne eine künstliche Befruchtung liegt die Wahrscheinlichkeit für Vierlinge bei 1 zu 600 000. Mehrlings-Schwangerschaften sind immer Risiko-Schwangerschaften: Die werdenden Mütter haben eher mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, die Kinder werden häufiger zu früh geboren. In der Folge drohen Hirnblutungen, Infektionen und Lungenschäden. Vor allem die ersten Wochen nach der Geburt sind riskant.

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