Warnstreik Wo diese Woche wegen Lehrerstreik Schulausfall droht
Nach dem vorläufigen Scheitern der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder ist am Dienstag die erste Streikwelle angerollt. In mehreren Bundesländern traten angestellte Lehrer in den Ausstand. In Berlin sind die Lehrer an Grund- und Berufsschulen zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen, weitere Schwerpunkte gibt es unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Wir informieren in welchen Bundesländern mit Unterrichtsausfall zu rechnen ist und welche Rechte berufstätige Eltern haben, wenn Sie für diese Zeit keine Betreuung für ihre Kinder organisieren können.
In Deutschland gibt es rund 800.000 Lehrer. 200.000 von ihnen sind keine Beamte, sondern Angestellte. Die Gewerkschaften fordern für die Angestellten 5,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 175 Euro mehr und keine Befristungen mehr ohne Sachgrund.
Streitpunkte: Tarifliche Eingruppierung und Altersvorsorge
Weil am Freitag in Potsdam die zweite Tarifrunde für den öffentlichen Dienst gescheitert ist, rollt nun die Streikwelle an. Die Hauptgründe für das vorläufige Scheitern sind starke Differenzen über die betriebliche Altersvorsorge und über die tarifliche Eingruppierung der Lehrer. Die Altersvorsorge ist im öffentlichen Dienst Standard, soll aber wegen hoher Kosten reformiert werden. Die angestellten Lehrer sollen besser tarifvertraglich abgesichert werden - uneins sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Höhe.
Welche Bundesländer vom Streik betroffen sind
Zwar sind drei Viertel der Lehrer in Deutschland Beamte und somit vom Streik ausgenommen. Dennoch wird sich die Arbeitsniederlegung der angestellten Lehrer in den Bundesländern unterschiedlich stark auswirken
In dieser Woche hat die GEW zu Streiks in Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt aufgerufen. Danach soll es weitere Aktionen in anderen Bundesländern geben. Dort ist mit Unterrichtsausfall zu rechnen.
Die Relation von Lehrern im Angestelltenverhältnis zu Lehrern mit Beamtenstatus ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich (Grafik am Ende der Seite). Es gibt dabei ein deutliches Ost-West-Gefälle: In drei der fünf neuen Bundesländer wurden Lehrer nach der Wende überwiegend als Angestellte beschäftigt: 2012 war der Anteil der angestellten Lehrer am höchsten in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Dagegen liegt in den alten Bundesländern der Anteil von Beamten an allgemeinbildenden und Berufsschulen zwischen 80 und 95 Prozent. Dort dürften Warnstreiks ausbleiben, beziehungsweise kaum zu Unterrichtsausfall führen.
Bisherige Lehrerstreik-Infos für die Bundesländer
- Baden-Württemberg: Warnstreik am Mittwoch in den Regionen Rhein-Neckar, Ulm und Freiburg.
- Bayern: bislang kein Warnstreik angekündigt.
- Berlin: Am Dienstag ganztägiger Warnstreik angestellter Lehrer an Grundschulen und berufsbildenden Schulen. Am Vormittag ist eine zentrale Streikkundgebung geplant. Betroffen sind etwa 400 Schulen. An Sekundarschulen soll der Unterricht normal laufen.
- Brandenburg: bislang kein Warnstreik angekündigt.
- Bremen: Warnstreik am Dienstag.
- Hamburg: Kein Streik, denn es sind Schulferien.
- Hessen: Kein Streik. Gestreikt wird nur in den Bundesländern, die zur Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) gehören. Hessen ist 2004 aus der TdL ausgeschieden.
- Mecklenburg-Vorpommern: Warnstreik am Mittwoch. Dazu aufgerufen sind rund 2000 Lehrer an rund 110 Schulen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte sowie an der Hochschule Neunrandenburg.
- Niedersachsen: Warnstreiks sind am Dienstag an Schulen in Hannover, Göttingen, Osnabrück, Lüneburg und im Bereich Wolfsburg geplant Außerdem sind auch Sozialpädagogen zum Warnstreik aufgerufen. Am Nachmittag soll es in Hannover eine zentrale Kundgebung geben.
- Nordrhein-Westfalen: In Düsseldorf, Duisburg, Essen und Wuppertal sind am Dienstagmorgen Streikversammlungen der GEW geplant, am Mittwoch in den Regierungsbezirken Detmold und Köln sowie am Donnerstag in den Regierungsbezirken Arnsberg und Münster. In NRW sind rund 20 Prozent der Lehrer angestellt.
- Rheinland-Pfalz: bislang kein Warnstreik angekündigt.
- Saarland: bislang kein Warnstreik angekündigt.
- Sachsen: bislang kein Warnstreik angekündigt, aber nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" ist ab Donnerstag möglicherweise damit zu rechnen. In Sachsen sind über 90 Prozent der Lehrer angestellt.
- Sachsen-Anhalt: dezentrale, stundenweise Warnstreiks sind am Dienstag in Halle und Wanzleben geplant. Laut Informationen von "Spiegel online" betreffen die Streiks die ersten drei Unterrichtsstunden. Sachsen-Anhalt ist eins der Bundesländer mit besonders hohem Anteil angestellter Lehrer (rund 80 Prozent).
- Schleswig-Holstein: bislang kein Warnstreik angekündigt.
- Thüringen: Mit Warnstreiks ist zu rechnen, aber es gibt noch keine konkreten Informationen über Wochentag und Orte.
Streik in der Schule - diese Rechte haben Eltern am Arbeitsplatz
Bleibt die Schule wegen eines Streiks der Lehrer geschlossen, dürfen Eltern notfalls bei der Arbeit fehlen. Zunächst müssen sie aber versuchen, eine Ersatzbetreuung für ihr Kind zu finden. Darauf weist der Arbeitsrechtler Andreas von Medem aus Stuttgart hin. Gelingt ihnen das nicht, sollten sie so schnell wie möglich dem Arbeitgeber Bescheid geben und erklären, warum sie nicht arbeiten kommen können.
Mit einer Abmahnung oder gar Kündigung müssten sie nicht rechnen. "Natürlich kommt es auch auf das Alter des Kindes an", schränkt von Medem ein. Bei einem Schüler der Oberstufe sehe der Fall anders aus als bei einem Grundschulkind.
Eltern haben außerdem Anspruch auf Lohnfortzahlung für den Fehltag, wenn der Streik erst kurzfristig angekündigt wurde. Sie können sich auf den Paragrafen 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches berufen. Er regelt die "vorübergehende Verhinderung" und besagt, dass Arbeitnehmer diesen Anspruch behalten, wenn sie ohne eigenes Verschulden durch ein unvorhergesehenes Ereignis verhindert sind.
Wird an einem Freitag ein Streik für Dienstag angekündigt, ist das laut von Medem kurzfristig genug, um als unvorhergesehenes Ereignis zu gelten. So kann der Arbeitnehmer geltend machen, dass er auf die Schnelle keine Ersatzlösung finden konnte. Ziehen sich die Streiks aber über einen längeren Zeitraum hin, greife die Begründung "kurzfristig" nicht mehr. Allerdings gebe es dazu bisher keine höchstrichterliche Entscheidung.
Große Verdienstunterschiede bei Lehrern
Ein Grund für den Lehrerstreik sind die großen Unterschiede bei der Bezahlung von angestellten und beamteten Lehrern. Zudem werden sie in den Bundesländern unterschiedlich bezahlt. Die Gehälter klaffen laut Gewerkschaft unter anderem deshalb auseinander, weil die Länder uneinheitlich entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Lehrer den Beamtenstatus erhalten - mit Privilegien und insgesamt besserer Bezahlung.
Beispiel: Ein Techniklehrer am Berufskolleg würde in NRW nur als Angestellter eingestellt, aber in Rheinland-Pfalz würde er Beamter. Bei angestellten Lehrern gibt es der GEW zufolge deutschlandweit über 1000 verschiedene Kriterien, nach denen in Gehaltsgruppen oder -stufen eingeteilt wird.
Bis zu 590 Euro Differenz bei Lehrern in NRW
Weiterer Grund für die Schere bei der Bezahlung: Angestellte Lehrer zahlen Beiträge in Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung, und diese sind in den vergangenen Jahrzehnten stetig und deutlich gestiegen. Das wurde aber beim Bruttogehalt laut Gewerkschaft nicht ausreichend kompensiert. Die Pädagogen mit Beamtenstatus zahlen nur in eine private Krankenversicherung. Von Gehaltserhöhungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst hätten die Beamten zugleich aber immer profitiert, in der Regel mit einer 1:1-Übertragung.
In Nordrhein-Westfalen sind nach GEW-Zahlen 40.000 angestellte Lehrer beschäftigt. Hier verdiene ein angestellter Lehrer netto zwischen 100 und 590 Euro weniger im Monat als der Beamten-Kollege. Bei der Altersvorsorge sehe es ebenfalls ungleich aus: Ein angestellter Pädagoge erhalte im Durchschnitt 42 Prozent seines Gehalts als Rente, der Beamte bekomme als Pension rund 70 Prozent seiner vorherigen Bezüge
Bildungsministerin: "Lehrer haben mehr Respekt verdient"
Lehrer verdienen nach Auffassung von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka mehr Respekt von Gesellschaft und Eltern. Lehrern werde oft Unrecht getan, sagte die CDU-Politikerin der Chemnitzer "Freien Presse". Sie leisteten außerordentlich viel, "aber wir können nicht erwarten, dass sie sämtliche Probleme unserer Gesellschaft lösen".
Wanka mahnte, Lehrern eine höhere Wertschätzung entgegenzubringen, "statt ständig Mängel in ihren Fähigkeiten zu beklagen". Sie sehe eine große Bereitschaft in der Lehrerschaft, sich Neuem zu stellen. "Aber wir sollten sie nicht mit übertriebenen Erwartungen überfordern."
Die Autorität der Lehrer werde von manchen Eltern schnell infrage gestellt, wenn Schüler Leistungsdefizite haben. "Das ist nicht zu akzeptieren", sagte die Ministerin. Dies habe vermutlich damit zu tun, "dass es manchmal bequemer ist, Verantwortung abzuschieben."