"37 Grad" begleitet Eltern durchs erste Jahr "So viel Verantwortung und so wenig Schlaf"
Kinderkriegen ist nicht mehr die normalste Sache der Welt. Sonst hätte das Team von "37 Grad" nicht zwei ganz normale Elternpaare mit einer Langzeit-Doku durch ihr erstes Babyjahr begleitet. Dass sich mit einem Kind alles verändert, ist eine Binsenweisheit. Und trotzdem sprengen diese Veränderungen jegliche Vorstellungskraft frischgebackener Elternpaare. "Ich hätte mir nicht vorgestellt, dass sich durch Kinder so viel verändert. So viel Verantwortung. Und so wenig Schlaf." Bei dieser Jahresbilanz kann die Zwillingsmutter Isabell ihre Tränen nicht zurückhalten.
Laut Statistik steigt die Scheidungsrate nach der Geburt des ersten Kindes. Daran gemessen können es die beiden Paare als Erfolg verbuchen, dass sie den ersten Geburtstag ihrer Kinder als intakte Familie feiern konnten.
Die Konflikte, die die Reportage zeigt, sind charakteristisch für diese Generation: Mann und Frau sind erfolgreich in ihren Berufen, gemeinsam hat man sich einen gewissen Lebensstandard erarbeitet und genießt die Freiheiten eines ungebundenen Lebens. All das gilt es, mit der Familiengründung unter einen Hut zu bringen. Elternzeit und Elterngeld sind eine große Erleichterung, und trotzdem bleibt das Gefühl, nicht allen Anforderungen gerecht werden zu können.
Vom Glamour-Girl zur Über-Mutter
Der Spagat zwischen Kind und Karriere belastet das jüngere Paar stärker. Die 31-jährige Anne arbeitet als Lehrerin, der 28-jährige Philipp verfolgt ehrgeizig seine Karriere als Controller. Für Anne ist es erst ungewohnt, aus ihrem Arbeitsalltag in die Mutterrolle zu wechseln und den ganzen Tag mit dem Baby Noah allein zu sein. Schneller als sie es sich vorstellen konnte, wird sie vom Glamour-Girl zur Über-Mutter.
Ein moderner Vater sein - aber wie?
Philipp hat nach der Geburt vier Wochen Elternzeit genommen und bleibt auch einige Monate später nochmal für eine Weile zu Hause. Er will für seinen kleinen Sohn da sein. Aber seine Erwartungen an die Vater-Zeit werden enttäuscht, denn Noah ist sehr auf seine Mama fixiert. "Dann fühlt man sich nicht wie der Papa, der sich jetzt um sein Kind kümmert, sondern wie jemand, der nur ein bisschen unterstützt. So ähnlich wie bei der Geburt." Hinzu kommt die Veränderung von Paarbeziehung und Liebesleben. "Deshalb liebt man ja nicht weniger", sagt Philipp.
Konfliktpotenzial für die junge Familie gibt es immer wieder. Anne wünscht sich eine Wohnung mit Kinderzimmer und Garten, Philipp will sich nicht von seiner selbst ausgebauten Junggesellenbude trennen, wird aber später nachgeben. Als sich Annes Elternzeit dem Ende nähert, belastet sie sowohl die Suche nach einer geeigneten Kinderbetreuung als auch ein erforderlicher Jobwechsel, weil sich ihre bisherige Stelle an einer Abendschule nicht mit einem kleinen Kind vereinbaren lässt.
"Dass der mal so ein Familienmensch wird..."
Schicksalsbedingt lastet auf dem jungen Mann gleichzeitig eine doppelte Verantwortung als Vater und als Sohn, denn seine Mutter ist unheilbar an Krebs erkrankt und stirbt vor dem ersten Geburtstag ihres Enkels. Philipp erfährt, wie sehr ihm seine eigene kleine Familie in dieser Situation Halt gibt. Bei der Party zu Noahs erstem Geburtstag stellt Philipps Vater anerkennend fest: "Dass er mal so ein Familienmensch wird, hätte ich nicht gedacht."
Doppeltes Glück und doppelte Sorgen mit Frühchen-Zwillingen
Isabell (39) und Andreas (44) sind seit 15 Jahren ein Paar. Ihren lang gehegten Kinderwunsch hatten schon fast aufgegeben, als es nach mehrmaliger Hormonbehandlung doch noch klappte - dann gleich mit Zwillingen. Das doppelte Glück geht von Anfang an mit doppelten Sorgen einher. Magdalena und Josephine müssen sieben Wochen vor dem Geburtstermin per Notkaiserschnitt geholt werden. Dann müssen die Frühchen noch wochenlang in der Klinik bleiben.
Später kommen organisatorische und finanzielle Probleme auf die späten Eltern zu: Das noch nicht abbezahlte Auto taugt nicht als Familienkutsche, Zwillinge bereiten doppelte Kosten, weil vieles zweimal angeschafft werden muss, Füttern und Wickeln sind eine logistische Herausforderung. Schlafen wird zum Fremdwort, denn eins der Babys ist immer wach. Kein Wunder, dass bei Isabell leicht die Tränen fließen und sich Sorgenfalten die Stirn zerfurchen. Auch einige Monate später sei ihr bewusst, dass sie die Strapazen der Zwillingsschwangerschaft und die heikle Geburtssituation noch nicht verarbeitet hat, erzählt sie dem TV-Team.
Vorab für Streit entschuldigt
Bis dahin kannte das eingespielte Paar keinen Streit, aber so viel Anspannung entlädt sich dann doch hin und wieder in gereizten Wortwechseln. Aber die beiden haben mit Humor eine Strategie gefunden, Konflikte zu entschärfen: "Bei der letzten Fütterung abends haben wir uns tief in die Augen geblickt und uns für alles entschuldigt, was wir die nächsten acht Stunden zueinander sagen werden", erzählt Andreas.
Das gemeinsame Hobby Skater-Hockey hat Andreas auf Eis gelegt. Isabell fährt einmal pro Woche zum Training, kann sich aber auch dann nie vom mütterlichen Pflichtgefühl lösen - in jeder Pause wirft sie einen besorgten Blick aufs Handy, obwohl sie weiß, dass ihr Mann zuhause alles im Griff hat. Auch ihr Perfektionismus wird zur Belastungsprobe für die Partnerschaft.
Leistungsdruck für Mütter: Entwickeln sich die Babys richtig?
Weil Magdalena und Josephine Frühchen sind, stehen ihre Entwicklungsschritte unter besonders strenger Beobachtung. Es ist für Isabell ein Schock, als eine Physiotherapeutin anmerkt, dass die mittlerweile sechs Monate alten Mädchen "in der Entwicklung zurück" seien und "nicht genug gefördert" würden. Von da an müssen Krankengymnastik und Förderkurse im übervollen Alltag mit Zwillingen untergebracht werden.
Als die Mädchen ein Jahr alt sind, können sie immer noch nicht krabbeln oder laufen. Das "37"-Grad-Team begleitet die Eltern zur Untersuchung beim Kinderarzt. Isabell beißt sich vor Nervosität auf die Lippen. Der Arzt kennt den Leistungsdruck, der auf den Müttern lastet, wenn sie untereinander die Entwicklungsschritte der Kinder vergleichen. Er beruhigt das Elternpaar: "Es ist ein Märchen, dass Kinder bis zum ersten Jahr laufen können müssen."
Zum ersten Kindergeburtstag blicken Isabell und Andreas auf ein "extrem anstrengendes Jahr" zurück, hart an der Belastungsgrenze aber auch erfüllt vom Stolz auf ihre beiden kleinen Mädels.