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Winter auf dem Darß: Draußen frieren die Wellen


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Winter auf dem Darß
Warum es an der Ostsee nicht nur im Sommer schön ist

Marlis Heinz/SRT

Aktualisiert am 19.11.2022Lesedauer: 4 Min.
Willkommen auf dem Darß: Im Sommer baden, im Winter Gemütlichkeit genießen.Vergrößern des Bildes
Willkommen auf dem Darß: Im Sommer baden, im Winter Gemütlichkeit genießen. (Quelle: Marlis Heinz/SRT)
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Wer denkt, nur im Sommer lohnt sich ein Urlaub an Nord- und Ostsee, der irrt. Nicht nur auf dem Darß kann es auch im Winter richtig schön werden.

Es ist grimmig kalt. Behäbig schieben sich die Wellen auf den Strand und häufen dort ihren gefrorenen Schaum auf. Die Buhnen tragen Kappen aus milchigem Eis. Das Meer, noch wärmer als die Luft, scheint unter einer dunstigen Decke einzuschlafen.

Der Winter auf dem Darß kann eisig sein. Und doch spazieren bunte Punkte am Strand entlang. In den kalten Monaten ist die Halbinsel längst nicht mehr so menschenleer wie noch vor 20 oder 30 Jahren. Reisten in den Achtzigern gerade zehn Prozent der Gäste zwischen Oktober und April an, ist es jetzt schon ein Drittel, Tendenz steigend. Und auch die Preise sinken nicht mehr automatisch mit den Temperaturen. Der Darß hat aufgetakelt, bietet Gourmet-Küchen, Wellness-Tempel, Galerien und vieles mehr.

Was also – außer in dicke Jacken und in sich selbst zurückgezogen am Strand umherzutappen und dann in eine Sauna zu fliehen – unternimmt man auf dem Darß im Winter? Ach so, noch schnell eine förmliche Entschuldigung bei Fischland und Zingst: Die Ostsee-Halbinsel trägt nämlich, nach ihren drei aneinandergereihten Landflächen, offiziell den sperrigen Namen Fischland-Darß-Zingst. Sagt aber keiner.

Winter auf Darß: Ab auf die Schlittschuhe

Wenn das auf den Boddenwiesen stehende Wasser gefroren ist, dann packen die Einheimischen ihre Schlittschuhe aus – ebenso die Gäste, die mit dieser Möglichkeit gerechnet haben. Darüber hinausgehende Wintersport-Utensilien mitzunehmen, lohnt sich nicht. Eine geschlossene Schneedecke lässt der Wind selten liegen. "Und ein Loipengerät schaffe ich deshalb nicht an", so Dierhagens Kurdirektor Stephan Fellmann. Wer Glück hat oder sich umhört, kann vielleicht mit auf einen der Eissegler steigen, die mit fast 100 Sachen über den zugefrorenen Bodden rasen. "Weil das allerdings recht selten möglich ist", so Fellmann, "bietet es keiner gewerblich an."

Was bei jedem Wetter reizvoll ist, sind Wanderungen durch die Boddenlandschaft und an die Nordspitze der Halbinsel, möglichst mit einem Nationalparkführer wie Lutz Storm. Durch ihn entdeckt der Laie Dinge, die er sonst vermutlich nicht bemerken würde: den herbeischwebenden Seeadler, die rastenden Eis-Enten, die trompetenden Singschwäne. "Hier kann Goethe nie gestanden haben", erläutert der Experte die fortschreitende Verlandung. Wo sich zu welcher Zeit der Strand entlang zog, liest er an den Bäumen ab. "Überall wo Buchen stehen, war schon vor 5.000 Jahren Land. Auf die jüngsten Flächen haben es bislang nur die Kiefern geschafft."

Zum Aufwärmen in die Gaststube

Früher oder später zieht es dann dennoch jeden in die wohlige Wärme. Am besten gleich in eine der Gaststuben. Dicht bei dicht sitzen die Strandwanderer in der "Teeschale" von Prerow. Kuchenduft und Stimmengewirr füllen den kleinen Raum. Wer hier seine Strandwanderung beendet, den erfüllt die Zufriedenheit eines Gipfelstürmers.

Während in Prerow auch die vergleichsweise reichen Schiffseigner wohnten, was man an den dekorativen Haustüren sehen kann, hat die Geschichte nach Ahrenshoop weniger Wohlstand geweht. Deshalb war man in dem armen Fischerdorf zufrieden, als in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg zuerst die Maler, dann auch andere Künstler um Kost und Logis baten und sich später ansiedelten. Sie faszinierte das Licht, welches, reflektiert von den Wasserflächen des Boddens und der Ostsee, den schmalen Landstreifen überflutete. Und die Atmosphäre.

Die erste Straße führte 1956 ins Dorf. Manches blieb dem 700-Einwohner-Ort von dieser Stimmung. Hier und da lädt ein Kunsthaus zum Eintreten. Das Dornenhaus zum Beispiel, um 1660 erbaut, war schon Bauern-, Seefahrer- und Zollhaus. Heute birgt es eine Galerie und Werkstätten. Die große Diele umfängt den Eintretenden mit Historie und Gemütlichkeit. Einer der Künstler kommt aus seinem Atelier, wirft einen Blick auf die Galeriebesucher, einen auf den Kanonenofen, legt Holzscheite nach, verschwindet wieder. Die Galeristin Renate Löber lässt während der Öffnungszeiten ihre Arbeit auch mal liegen, erzählt über den Künstler, der gerade ausstellt, erklärt, was es mit der Ritz-Mal-Technik der Fischer-Keramik auf sich hat, verkauft ein paar Stücke.

Kunstmuseum von Ahrenshoop

Hochmodern gibt sich hingegen das 2013 eröffnete Kunstmuseum von Ahrenshoop, das Sammlungen der frühen Jahre der Künstlerkolonie zusammenführte und neue Werke einbindet. Schon die Architektur des Neubaus, die zwar in ihren Proportionen an einen Bauernhof erinnert, ihn aber nicht kopiert, ist sehenswert. In den Räumen gewährt ab und zu ein Fenster Ausblicke ins Freie – so, als hingen dort noch andere Bilder mit Landschafts-Impressionen.

Wer da Lust bekommt, selbst zu Kreide oder Pinsel zu greifen, hat im Winter jedoch eine reduzierte Auswahl, denn die Motive der Malkurse sind oft draußen zu finden. Ein Blick auf das Programm lohnt dennoch, immerhin passiert das Töpfern drinnen, auch Zeichenkurse laufen unter Dach und Fach. Zu den Anbietern solcher Seminare gehört Hans Götze, Maler und lange Jahre Bürgermeister von Ahrenshoop. Seine Meinung: "Wer hier nicht malt, ist selber schuld." Sein Versprechen: "Nach fünf Tagen bringt selbst der Laie Akzeptables zu Papier." Seine Warnung: "Am Abend rechtzeitig einpacken, sonst kommen die Wildschweine."

Foto-Workshops von Zingst

Tierische Begegnungen erhoffen sich die Teilnehmer mancher Foto-Workshops von Zingst sogar; im Winter aber zumindest bizarre Eis-Landschaften. Rund ums Jahr werden dort Kurse für Profis, Amateure oder Neueinsteiger organisiert. In der Absicht, keine kräftezehrende Rangelei mit Ahrenshoop um die Liebhaber der bildenden Kunst anzuzetteln, hat sich der Ort ganz und gar auf fotografierende Klientel konzentriert. Und die findet Alles, was des Lichtbildners Herz begehrt – von der Druckerei bis zur Bildband-Sammlung, von Ausstellungen bis zum Technik-Verleih. Und reichlich Motive natürlich.

Verwendete Quellen
  • Reiseredaktion SRT
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