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Inklusion: "Sonnenscheinkind" Felicia hat eine Schulbegleiterin


Inklusion
"Sonnenscheinkind" Felicia hat eine Schulbegleiterin

t-online, Simone Blaß

30.12.2013Lesedauer: 5 Min.
Inklusion: Felicia mit ihrer Schulbegleiterin Esther Busch.Vergrößern des Bildes
Felicia mit ihrer Schulbegleiterin Esther Busch. (Quelle: privat)
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Felicia träumt davon, einmal eine eigene Familie zu haben, mag Pferde und hat Spaß am Radfahren, so wie viele andere zehnjährige Mädchen auch. Mit nur einem Unterschied: Felicia fährt ein dreirädriges Laufrad. Sie ist behindert. Sauerstoffmangel während ihrer Geburt hat zu einer sogenannten Cerebralparese geführt. Das ist eine stark ausgeprägte Behinderung, von der verschiedene Körperbereiche betroffen sind und die auch die Sprache beeinträchtigt. Den Schulalltag bewältigt Felicia mit Hilfe einer Schulbegleiterin.

Je nach Tagesverfassung fällt es Felicia leichter oder schwerer, einzelne Laute oder Buchstabenkombinationen deutlich auszusprechen. Im Leibnitz-Gymnasium in Altdorf, das sie seit dem Herbst besucht, ist man auf solche Situationen eingestellt. Seit mehr als fünfzig Jahren ist Inklusion dort Tradition. Doch trotzdem: Ohne Esther Busch, die Felicia durch den Schulalltag hilft und auch mal für sie übersetzt, wenn sie nervös wird und ihre Sprache immer undeutlicher wird, ginge es nicht.

Schulbegleiter werden immer wichtiger

Die 51-Jährige ist Schulbegleiterin. Eine Tätigkeit, für die man möglichst einen pädagogischen Hintergrund und Erfahrung im sozialen Bereich aufweisen sollte. "Und das Vermögen und die Bereitschaft, sich auf ein solches Kind voll und ganz einzulassen." Anforderungen, die Esther Busch perfekt erfüllt: Sie ist nicht nur Erzieherin von Beruf, sondern auch Grundschullehrerin. "Seitdem die Rechtslage sich geändert hat, ist der Bedarf an Schulbegleitern stark gestiegen", erklärt Anna Souksengphet-Dachlauer vom "Verein für Menschen mit Körperbehinderung", bei dem Esther Busch angestellt ist. "Schließlich soll jedes Kind die Möglichkeit haben, an eine Regelschule zu gehen." Erst recht, wenn der Fall so liegt wie bei Felicia, deren Intellekt völlig normal entwickelt ist.

Computerprogramm hilft bei Verständigung

Kennengelernt haben sich Esther Busch und ihr Schützling vor vielen Jahren. Felicia besuchte damals den Kindergarten. "Das war im Sommer, sie saß draußen und hat im Wasser gepanscht. Sofort ist mir ihr ausdrucksstarkes Gesicht aufgefallen, ihre wachen Augen - ich fand sie gleich sympathisch und sie mich anscheinend auch." Trotzdem war der Anfang schwierig. "Vor allem wegen der Sprache. Es hat auch bei mir eine ganze Weile gedauert, bis ich sie richtig gut verstehen konnte. Aber da Felicia viel auch mit Gestik und Mimik arbeitet, ist es ihr doch bis jetzt immer gelungen, sich verständlich zu machen."

Bei Angst und Aufregung verschlägt es Felicia schnell mal die Sprache. "Wir arbeiten dann mit einer Buchstabentabelle, beziehungsweise mit einem Computerprogramm, so kann ich sehr schnell helfen."

Felicia möchte alleine laufen können

Seit Felicia im Gymnasium ist, hat sich die Tätigkeit von Esther Busch stark verändert. "Durch die Geschwindigkeit, die hier von den Kindern gefordert wird, kann Felicia nicht mehr so viel selbstständig erledigen wie vorher in der Grundschule. Das frustriert sie."

Aber auch vorher gab es Momente, die Felicia an den Rand der Verzweiflung brachten. Zum Beispiel, wenn andere Kinder beim Spiel im Pausenhof zu schnell für sie waren oder wenn sie neue Beinstützen hatte, die sie erst einmal wieder zurückwarfen. Doch auch, wenn sie sich in diesen Momenten sehr mutlos und traurig fühlt, ist es Felicias größtes Ziel, alleine laufen zu können. "Sie träumt davon, seitdem ich sie kenne. Und sie kann das schaffen. Manchmal geht sie schon ein paar Schritte fast ohne Hilfe durchs Klassenzimmer - ein enormer Fortschritt, den sie ihrem starken Willen und ihrem Optimismus zu verdanken hat."

Ihre Lehrer nennen Felicia "Sonnenscheinkind"

Felicia lacht viel und gern. Ihre fröhliche Ausstrahlung ist ihr wichtigstes Kapital. "Nach nur wenigen Tagen an der Schule hat man sie schon das 'Sonnenscheinkind' genannt." Natürlich gibt es auch Momente, in denen das Mädchen mit seinem Schicksal hadert. "Wenn sie einen Wunsch frei hätte, dann wäre es, nicht behindert zu sein, das hat sie mir mal gesagt." Früher hat Esther Busch noch mehr von Felicias Träumen und Wünschen, Problemen und Sorgen mitbekommen, als sie das Mädchen bis in den Nachmittag hinein begleitete und bei den Hausaufgaben half. "Im Gymnasium bin ich nur noch während der Schule mit ihr zusammen, da Felicia nachmittags eine therapeutische Tagesstätte besucht."

Konfliktpotenzial: Pubertät mit Behinderung

Als eine große Herausforderung betrachtet Esther Busch die bevorstehende Pubertät. "Ich könnte mir vorstellen, dass das Thema Behinderung dann mehr in den Vordergrund rückt und dass sie es möglicherweise ein bisschen schwerer hat im Kontakt mit den anderen." Wobei es dafür bisher aber keine Anzeichen gibt. Felicia war in der Grundschule beliebt bei ihren Mitschülern, hat es dort sogar zur Klassensprecherin geschafft und ist auch auf dem Gymnasium auf dem besten Weg, voll integriert zu sein. "Ich habe nie erlebt, dass sie ausgelacht oder verspottet wurde, was sicher auch mit ihrem einnehmenden Wesen zu tun hat. Man kann gar nicht anders, man muss sie mögen."

Zu viel Unterstützung schadet dem Selbstvertrauen

Doch Sympathie allein ist nicht alles. Felicia braucht ein Gegenüber, das sie ernst nimmt, ihr das zutraut, wie sie eigentlich kann. "Man muss ihr auch zumuten, Verantwortung für sich zu übernehmen. Ihrem Alter entsprechend mit ihr umgehen und versuchen, trotz der sprachlichen Beeinträchtigung, 'normale' Gespräche mit ihr zu führen, sie nach ihrer Meinung zu fragen und sie an Entscheidungen zu beteiligen."

Natürlich ist ein Mensch mit Behinderungen wie Felicias an vielen Stellen auf Unterstützung angewiesen. "Trotzdem darf man nicht zu viel machen." Wichtig sei, nicht zu bestimmen, sondern Felicia dabei zu unterstützen, das zu tun, wofür sie für sich entschieden hat. Das beginnt bei Kleinigkeiten. "Wenn ich ihr die Mütze in die linke Jackentasche stecke, dann kann sie sie dort alleine rausholen, aus der rechten nicht."

Es geht um Selbständigkeit und Selbstbestimmung. "Felicia will gar nicht, dass ich immer an ihrer Seite bin. Da schickt sie mich schon mal die Treppe hoch und fährt mit den anderen Kindern aus ihrer Klasse mit dem Aufzug," sagt die Schulbegleiterin.

Abi machen und die englische Königsfamilie treffen

Die anderen Kinder haben ihr den Übertritt aufs Gymnasium leicht gemacht. "Ich hatte schon nach einer Woche zwei neue Freundinnen, obwohl ich niemanden gekannt habe", freut sich Felicia. "Aber vorher war ich ganz schön nervös und froh, dass Frau Busch bei mir war." Trotzdem hat die Schulbegleiterin Bedenken, wenn sie an die weitere Schulzeit denkt. "Gerade beim G8 sind die mündlichen Äußerungen ein wichtiges Thema, und da ist Felicia einfach sehr eingeschränkt." Doch dass das Mädchen sich durchbeißen kann, das hat sie schon oft erlebt.

Felicias Ziel ist nicht nur das Abitur, sie weiß jetzt schon, was sie später erreichen möchte: "Studieren, einen lieben Mann finden und laufen". Das ist sicher nicht zu viel verlangt. Esther Busch findet das auch. Schwieriger wird es, einen weiteren Traum zu verwirklichen: Einmal bei der englischen Königsfamilie zum Dinner geladen zu sein.

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