Sternenkinder Kündigungsschutz soll auch nach Fehlgeburten gelten
Der Bauch wurde immer runder, ein Name war gefunden - dann waren plötzlich keine Herztöne mehr zu hören. Die 39-jährige Carola musste ins Krankenhaus und gebar ein totes Kind. Ein kleines Mädchen. Unter 500 Gramm.
Lilly ruht jetzt auf einem Berliner Friedhof. Carola, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, geht häufig zum Grab. Sie fühlt sich ihrer toten Tochter dort nahe. "Auch wenn ich sie nie lebend im Arm hatte, hatten wir eine enge Verbindung. Sie war mein Baby."
Eine Gesetzesänderung machte Lilly zur Person
Dass die Mutter ihrem Kind offiziell überhaupt einen Namen geben konnte, war noch vor einem Jahr nicht möglich. Eine kleine Veränderung aus dem Mai 2013, genauer Paragraf 31 der Personenstandsverordnung, brachte den Unterschied. Der Passus entscheidet darüber, ob man eine Person gewesen ist in Deutschland - oder nicht. Ob man juristisch existiert hat - oder nicht.
Bislang galten Totgeborene mit einem Gewicht von unter 500 Gramm als Fehlgeburten und wurden beim Standesamt nicht erfasst. Damit waren sie juristisch nicht existent, waren hart gesagt Klinikmüll. Ein Recht auf Bestattung der "Sternenkinder" gab es ebenso wenig wie eine Geburts- oder eine Sterbeurkunde.
Das Mutterschutzgesetz soll auf den Prüfstand
Auch der Mutterschutz trennt zwischen Kindern über beziehungsweise unter 500 Gramm: Unter der Gewichtsgrenze handelt es sich um eine "Fehlgeburt", wiegt das Baby über 500 Gramm, ist es eine "Totgeburt". Nur bei Totgeburten greift derzeit der Schutz vor Kündigung.
In Bremen wurde einer Frau gekündigt, die gerade eine Fehlgeburt erlitten hatte. Das tote Kind wog unter 500 Gramm. Die Frau klagte gegen ihre Kündigung, bekam in der ersten Instanz recht. Doch im Dezember kassierte die zweite Instanz das Urteil mit Verweis auf die Gewichtsgrenze und erklärte die Kündigung für wirksam. Im Familienministerium existieren nun Pläne, das Mutterschutzgesetz zu reformieren. Künftig sollen auch Mütter, die Fehlgeburten erlitten haben, vor Kündigungen bewahrt werden.
Familie Martin kämpfte für die Eltern der Sternenkinder
Die Neuregelung der Personenstandsverordnung, nach der nun auch Totgeborene unter 500 Gramm als Person gelten, geht auf eine Initiative der hessischen Eheleute Barbara und Mario Martin zurück. Das Paar hatte drei Kinder verloren, von denen es zwei nach der früheren Gesetzeslage juristisch nie gegeben hat. Die Martins sammelten rund 40.000 Unterschriften, schrieben an die damalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und schickten ihr Bilder der toten Kinder.
"Als ich diesen Brief bekam, hat mich das so berührt, dass ich das Bild auch heute noch vor Augen habe", sagt die ehemalige CDU-Ministerin, selbst Mutter einer Tochter. "Wir debattieren zu Recht immer wieder über die Frage, wann das menschliche Leben beginnt. Da ist es nur folgerichtig, diesem frühen Leben im Mutterleib auch beim Tod vor der Geburt einen Namen geben zu dürfen. Wie eine Gesellschaft mit ihren Toten umgeht, sagt oft sehr viel aus, wie viel Wert sie dem Leben beimisst."
Das tote Kind kann auch rückwirkend eingetragen werden
Nun können die Eltern einen Namen ihres toten Kindes beim Standesamt auch rückwirkend eintragen lassen und es offiziell bestatten lassen. In der Vergangenheit gab es - je nach dem im jeweiligen Bundesland gültigen Friedhofsrecht - häufig nur einen anonymen Stern auf einem Holzkreuz oder Grabstein. Der Änderung mussten sowohl Bundestag als auch Bundesrat zustimmen.