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Die Frau als Bergsteigerin: Alpingeschichte über skandalöse Hosen


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Aktiv- & Skiurlaub
Frauen im Alpinsport: sperrige Röcke, skandalöse Hosen

SP

11.09.2013Lesedauer: 5 Min.
US-Amerikanerin Annie Peck Smith.Vergrößern des Bildes
1911 sah moderne Sportbekleidung so aus. Frauen als Bergsteiger waren zu diesem Zeitpunkt allerdings eine Seltenheit. (Quelle: Verlag Edition Raetia)
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Gerlinde Kaltenbrunner, Ines Papert, Nina Caprez - Frauen sind unter den Bergsteiger-Größen keine Ausnahme mehr. Doch der Weg für die Frau am Berg war doppelt schwer: Neben sportlichen Höchstleistungen war da gleichzeitig der Kräfte zehrende Kampf gegen gesellschaftliche Vorbehalte. Die Südtirolerin Ingrid Runggaldier erzählt in ihrem spannenden Buch "Frauen im Aufstieg" von Frauen, die Spurarbeit geleistet haben, vom Ausbrechen aus Rollenzwängen und von besonderen Persönlichkeiten. Sehen Sie in der Foto-Show: Alpingeschichte - die Frau als Bergsteigerin Impressionen aus dem Werk.

SP: Ingrid, Ihr Buch ist ein sehr beeindruckendes, umfangreiches Werk. Wie kamen Sie dazu, über so ein Thema zu schreiben?

Ingrid Runggaldier: Zu diesem Thema kam ich, weil ich einerseits selbst aus einer Bergsteigerfamilie stamme. Ich wuchs in Gröden/Südtirol auf, mein Vater war Bergführer und Chef der Grödner Bergrettung und meine Mutter leitete die lokale Bergrettungszentrale. Mein Vater führte mich schon als Kind auf verschiedene Dolomitengipfel. Später, während meines Studiums, begann ich mich für Frauengeschichte zu interessieren und da lag es nahe, dass ich auch die Geschichte der Bergsteigerinnen, von der mir wenig bekannt war, näher erforschen wollte.

Was beeindruckte Sie am meisten? Welche Geschichte, Biografie hat Sie besonders berührt?

Mich haben viele Geschichten beeindruckt. Mehr als die alpinistischen Erlebnisse dieser Frauen haben mir jedoch manche Biografien imponiert. Beispielsweise hat mich das Schicksal der Ethnologin Eugenie Goldstern sehr berührt. Sie machte dem Wiener Volkskundemuseum verschiedene Schenkungen von Holzspielzeug, das sie in den Alpen gesammelt hatte. Die Sammlung blieb jahrzehntelang in einem Keller des Museums versteckt und sie selbst wurde 1942 nach Sobibor deportiert, weil sie Jüdin war. Es ist unbekannt, wie sie verstarb. Durch ihre ethnologischen Studien in verschiedenen Gebieten der Alpen hat auch sie einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung des Alpinismus in seiner Bedeutung als "Leben und Kultur im Alpenraum" geleistet.

Kann man ein, zwei Damen oder Situationen herauspicken, von denen man sagen kann: Das hat die Frauen im Alpinsport immens vorangebracht beziehungsweise ihre Akzeptanz?

Ich glaube nicht, dass eine einzelne Frau "den Alpinsport immens vorangebracht hat", sondern eher dass es die vielen kleinen Leistungen aller sind, die die Frauen im Alpinsport weitergebracht haben. Jede Frau an sich war wichtig: Die eine, weil sie als eine unter wenigen über ihre Leistungen geschrieben und sie somit festgehalten hat – ich denke hier etwa an Eliza Cole oder Jane Crawford Freshfield. Anderen gelang es wiederum, für ihre Zeit unerhört schwierige Touren zu machen wie etwa Beatrice Tomasson, die 1901 mit zwei Bergführern als erste Frau und in erster Seilschaft durch die Südwand der Marmolada stieg. Sie plante die Tour, wie man heute eine Expedition plant. Es war damals ein sehr aufwändiges und gewagtes Unterfangen, so dass die damals fast ausschließlich männliche Bergsteigerwelt ihre Leistung bezweifelte: Man(n) konnte einfach nicht glauben, dass eine Frau eine so schwierige Tour als Erste begehen konnte.

Wo lagen die größten Probleme für die Frauen?

Frauen waren früher keine freien Individuen. Der Alltag der Frauen der Unterschicht war mit Arbeit ausgefüllt. Für sie kam es gar nicht in Frage, an Freizeit oder persönliche Freiheit zu denken. Doch auch die bürgerlichen Frauen mussten zuerst ihren Eltern gehorchen, dann ihrem Ehemann. Sie waren (wie Virginia Woolf es ausdrückte) eingesperrt und ausgesperrt. Eingesperrt, weil der für sie bestimmte Platz die Familie und das Haus waren. Ausgesperrt, weil sie von den meisten Berufen, von Bildung, Universitäten, aber auch von sportlichen Aktivitäten und anderen Freizeitbetätigungen ausgeschlossen waren.

Ein Thema ist auch die Bekleidung und welche wortwörtliche Behinderung sie darstellte. In Krinoline (Reifrock) aufs Matterhorn, wagenradgroße Hüte... Das war ja auch durchaus gefährlich. Sie schreiben, dass das Hosentragen am Berg sich früher durchsetzte als im Tal?

Ja, die Bekleidung der Frauen reflektierte auch ihre tatsächliche Unbeweglichkeit. Mit einer Wespentaille und Krinoline, mit einer zu einem Turm hochgesteckten Frisur und unpraktischen Stöckelschuhen ist es unmöglich, sich zu bewegen. Lange war es Frauen verboten, Hosen zu tragen. Übertretungen wurden sogar polizeilich geahndet. Deshalb setzten sich Hosen bei Frauen auch in den Bergen nur zögerlich durch. So gingen Frauen oft bis zum Einstieg im Rock und legten diesen erst ab, wenn sie außer Sichtweite waren.

Und dennoch gab es Frauen, die wirkliche Pionierarbeit auch im alpinen Sinne geleistet haben!

Wie Lucy Walker, die als erste Frau den Gipfel des Matterhorns bestieg. Oder Elizabeth Main, der etliche Winterbesteigungen gelangen. Sie war auch eine gute Fotografin und eine Pionierin des Films: Sie war sicherlich eine der ersten Frauen, die die Berge filmte, kurze Zeit nachdem die Gebrüder Lumière den Film entdeckt hatten. Interessant ist auch, dass sie - vermutlich als erste Frau überhaupt - in einer Prüfungskommission für Bergführer saß.

Reflektiert für Sie die Situation der Frauen im Alpinsport die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung? War es besonders schwer, sich in dieser Männerdomäne durchzusetzen?

Definitiv. Allerdings schlug den Bergsteigerinnen nicht immer nur ein kalter Wind entgegen. Man muss bedenken, dass viele der frühen Alpinistinnen selbst aus Bergsteigerfamilien kamen: Oft hatten sie einen Vater, einen Bruder, einen Ehemann, der sie in den Klettersport einführte. Von diesen Familienangehörigen und ihrem Freundeskreis wurden die Frauen natürlich auch gefördert.

Wie ist die Situation heute? Werden Frauen noch immer belächelt?

Frauen, die sich in männliche Domänen wagen, haben es auch in unserer Zeit nicht immer leicht. Zwar regt sich heute sicherlich niemand mehr auf, wenn eine Frau klettert – der Bergsport ist längst nicht mehr allein den Männern vorbehalten, er hat sich in einen Massensport verwandelt. Auf einem extremeren oder professionellen Niveau ist es durchaus etwas anders: Dort sind Frauen immer noch relativ selten anzutreffen. In diesen Bereichen, etwa als Bergführerinnen oder Höhenbergsteigerinnen, bewundert man sie zwar, aber man beargwöhnt sie mitunter auch.

Wie wichtig oder bewusst ist heutigen Kletterinnen und Bergsteigerinnen die Pionierarbeit der Frauen von einst?

Ich denke, dass viele der heutigen Bergsteigerinnen von ihren Vorgängerinnen kaum etwas wissen. Weder kennen sie ihre Namen noch ihre Leistungen. Doch sie wissen, dass es vor ihnen andere Frauen gegeben hat, die das, was sie jetzt tun, schon versucht oder erreicht haben. Das ist wichtig.

Muss nach Ihrer Erfahrung noch einiges geschehen in Sachen Gleichberechtigung am Berg – und wenn ja, was?

Nein. Ich denke, dass Frauen am Berg heute das tun können, was sie tun wollen und wozu sie Lust haben. Ich glaube nicht, dass sich die jungen Bergsteigerinnen von heute irgendwie benachteiligt fühlen. Und das ist so, weil viele andere Frauen - Bergsteigerinnen und Nicht-Bergsteigerinnen- dafür gekämpft, gelitten und oft hart dafür bezahlt haben.

Literatur-Tipp: Ingrid Runggaldier, "Frauen im Aufstieg". Edition Raetia.

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