Familienleitbild So stellen sich Deutsche die ideale Familie vor
Eine seit Jahrzehnten niedrige Geburtenrate wirft Fragen auf: Welchen Stellenwert hat Familie in Deutschland? Was denken junge Leute über Familiengründung? Und wie stellen sie sich das Familienleben vor? Dazu hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) 5000 Menschen im Alter von 20 bis 39 Jahren befragt und die Ergebnisse in der Broschüre "Familienleitbilder" zusammengefasst.
Für die überwiegende Mehrheit der jungen Menschen (85 Prozent) ist es wichtig oder sehr wichtig, eigene Kinder zu haben. Das gilt sowohl für West- als auch für Ostdeutsche. Das ist laut BiB überraschend, weil bei bisherigen Umfragen der Kinderwunsch in den östlichen Bundesländern stärker ausgeprägt und der Anteil Kinderloser geringer war als im Westen. Daraus schließen die Forscher, dass die Bedeutung von Kindern allgemein in Ost und West gleich bewertet wird, sich aber wegen unterschiedlicher Rahmenbedingungen wie Vereinbarkeit von Arbeit und Familie anders auswirkt.
Deutlicher weichen die Meinungen in diesem Punkt zwischen den Geschlechtern ab: 62 Prozent der Frauen finden es sehr wichtig, Kinder zu haben, aber nur 45 Prozent der Männer.
Hohe Akzeptanz für homosexuelle Paare mit Kindern
Schwule oder lesbische Paare mit Kindern werden in Deutschland von 88 Prozent der Befragten als Familie anerkannt. Damit ist die Akzeptanz dieses Familienmodells noch etwas größer als bei Patchwork-Familien (85 Prozent) und über alleinerziehenden Müttern (82 Prozent). Dagegen werden unverheiratet lebende Paare oder kinderlose Ehepaare nur von zwei Drittel, beziehungsweise einem Drittel der Befragten als Familie wahrgenommen. Zu einer echten Familie gehören Kinder, so die Mehrheitsmeinung. Aber nur für 40 Prozent sind Kinder wichtig für die ideale Partnerschaft.
Heiraten ist nicht mehr so wichtig - aber auch nicht out
Zwar hält es die Hälfte der Befragten nicht für nötig zu heiraten, wenn man dauerhaft zusammenlebt. Aber nur ein gutes Drittel der 20- bis 39-Jährigen lehnen die Ehe als überholte Einrichtung ab. Viel stärker hat sich das traditionelle Rollenverständnis gewandelt, denn sowohl Frauen als auch Männer stimmen zu 90 Prozent der Aussage zu, dass beide Elternteile für die Betreuung der Kinder zuständig sind. Dass Geldverdienen die Aufgabe des Mannes ist, meint ein knappes Viertel der männlichen Befragten. Für die Mehrheit ist das Doppelverdiener-Modell heute eine Selbstverständlichkeit.
Frauen hätten gerne früher Kinder
Als ideales Alter bei der Geburt des ersten Kindes nannten die Befragten 27 Jahre für Frauen und 29 Jahre für Männer. Junge Menschen im Osten hätten das erste Kind im Schnitt gerne ein Jahr früher als jene im Westen. In der Realität liegt das durchschnittliche Alter von Frauen bei Erstgeburt jedoch bei 29 Jahren. "Dies ist ein Hinweis darauf, dass vor allem Frauen ihre Kinder gerne früher bekommen möchten, als sie das gegenwärtig tatsächlich tun", sagt Jürgen Dorbritz vom BiB. Gründe dafür seien lange Ausbildungszeiten, der unsichere Arbeitsmarkt und die Suche nach dem richtigen Partner.
Kinderlosigkeit ist sozial akzeptiert
"Kinderlos zu sein, ist heute kein Makel mehr", stellt die BiB-Wissenschaftlerin Sabine Gründler fest. 59 Prozent der Befragten meinen, dass es normal sei, keine Kinder zu haben. In Westdeutschland ist der Anteil kinderloser Frauen nicht nur deutlich höher als in Ostdeutschland, sondern weltweit mit am höchsten. Laut BiB haben vor allem die gut qualifizierten Frauen in den alten Bundesländern Schwierigkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren. Dennoch ist im Westen die Ansicht weiter verbreitet, dass Kinderlose höhere Steuern zahlen sollten als Eltern.
Ideale Mutter ist erwerbstätig, unabhängig und nachmittags zuhause
Das Ideal der meisten jungen Menschen in Deutschland ist laut BiP-Studie eine in Teilzeit arbeitende und unabhängige Mutter, die sich nachmittags um die Kinder kümmert. 84 Prozent der befragten Frauen finden, dass Mütter einem eigenen Beruf nachgehen und die Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen sollten. Bei Männern fällt die Zustimmung zu diesen Punkten um etwa zehn Prozentpunkte niedriger aus.
Der ideale Vater ist nicht mehr Alleinernährer der Familie - auch wenn eine Minderheit der Männer sich noch in dieser Rolle sieht -, tritt im Beruf kürzer und engagiert sich zuhause verstärkt in der Erziehung der Kinder. Die Umfrage ergab, dass dieses Leitbild des neuen Vaters in den östlichen Bundesländern stärker ausgeprägt ist.