Deutschland Wird Neuschwanstein endlich Welterbe?
Neuschwanstein gilt als eines der Märchenschlösser überhaupt, zieht jedes Jahr Millionen Besucher an. Doch zum Welterbe der UNESCO gehört das Ludwigsschloss nicht. Das soll sich nach dem Willen des Bundeslandes Bayern jetzt ändern: Neuschwanstein ist zusammen mit anderen Ludwigsschlössern einer von vielen Welterbe-Vorschlägen, die die Bundesländer der Kultusministerkonferenz bis zum 1. August vorlegen mussten. Bis zum Erhalt des UNESCO-Titels könnten allerdings noch einige Jahre vergehen. Wir zeigen Ihnen die Kandidaten der Bundesländer, auch in unserer Foto-Show. Rechts neben dem Artikel können Sie uns Ihren Favoriten aus den neuen Kandidaten verraten.
Jetzige Liste wird erst 2016 abgearbeitet
36 Stätten in Deutschland gibt es bereits, die zum Welterbe der UNESCO gehören, doch es sollen mehr werden. Dabei ist es nicht einfach, insbesondere für deutsche Orte und Städte, auf die Welterbe-Liste aufgenommen zu werden. Zunächst muss das jeweilige Bundesland einer Bewerbung zustimmen, danach die Kultusministerkonferenz, die nur zwei deutsche Projekte der UNESCO bis 2015 vorschlagen darf. Die Frist für die Vorschläge der Bundesländer an die Kultusministerkonferenz lief am 1. August 2012 ab. Freilich: Bis auch nur eine dieser Stätten das Welterbe-Siegel erringt, kann es viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern. Für die neue deutsche Vorschlagsliste lässt die Kultusministerkonferenz zunächst durch ein Expertengremium prüfen, ob die eingereichten Nominierungen den hohen Standards der Unesco entsprechen. Erst danach entscheiden die Kultusminister, welche Kandidaten in welcher Reihenfolge auf die Liste kommen. Zuletzt hatte die UNESCO Anfang Juli das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth einstimmig zum Weltkulturerbe ernannt. Der barocke Prachtbau sei eines der wichtigsten architektonischen Zeugnisse der absolutistischen Gesellschaft im 18. Jahrhundert, begründete das zuständige Komitee seine Entscheidung. Voraussetzung für die Aufnahme ist laut Satzung, dass das Denkmal weltweit einzigartig ist und einen universellen Wert hat. Derzeit liegt der deutsche Antrag bei der UNESCO, den Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel als Welterbe anzuerkennen. Damit ist die erste, 1989 von Deutschland erstellte "Tentativliste" weitgehend abgearbeitet. Spätestens 2016 werden die dort verzeichneten Vorschläge alle mindestens einmal nominiert sein. Erst danach kommt die neue Liste an die Reihe, um die jetzt gerungen wird.
Bayern nominiert Märchenschlösser
Bayern geht gleich mit vier neuen Vorschlägen ins Rennen: Am bekanntesten sind die Schlösser von "Märchenkönig" Ludwig II. - Linderhof, Neuschwanstein und Herrenchiemsee, laut Expertenkommission "gebaute Träume des Historismus". Der Saal der Nürnberger NS-Kriegsverbrecherprozesse gilt als Geburtsstätte des Völkerstrafrechts: Erstmals urteilte hier ein internationales Gericht über die ehemalige Staatsspitze eines einzelnen Landes. Die alpinen und voralpinen Wiesen- und Moorlandschaften sowie die Bauten der Augsburger Wasserwirtschaft sind bisher eher Fachleuten bekannt.
Baden-Württemberg: Unistadt und Albhöhlen
Baden-Württemberg schlägt drei Kandidaten vor: Die Kurstadt Baden-Baden, einst "Sommerhauptstadt Europas", gilt mit ihren eleganten Bauten, Thermalbädern und Villen bis heute als Beispiel für das extravagante Bäder-Leben des 19. Jahrhunderts. Aus den eiszeitlichen Alb-Höhlen rund um Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) und Ulm stammen die mit rund 40.000 Jahren ältesten bekannten Kunstwerke der Welt, etwa die Venus vom Hohlen Felsen oder mehrere Flöten. Bereits eingereicht ist die Bewerbung Tübingens, das gemeinsam mit dem hessischen Marburg als kulturelle Universitätsstadt antritt.
Jüdischer Friedhof und Prachtallee in Berlin
Berlin nominiert neben dem Jüdischen Friedhof Weißensee kurzfristig auch das Hansaviertel mit der Karl-Marx-Allee als Ensemble. Das grüne Hansaviertel im Westen war einst die Antwort auf die damals Lenin-Allee genannte Straße im Osten, die als Paradebeispiel für sozialistische Baukultur galt. Der Jüdische Friedhof Weißensee, 1880 vom Architekten Hugo Licht angelegt, gilt mit seinen mehr als 115.000 Grabstellen als einer der größten und schönsten jüdischen Friedhöfe Europas. Ein Stein erinnert an die sechs Millionen Juden, die Opfer des NS-Völkermords wurden.
Ein Park für Brandenburg
Brandenburg will den Fürst-Pückler-Park in Cottbus-Branitz auf die Liste bringen. Der zwischen 1846 und 1871 geschaffene Landschaftsgarten des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871) ist nach Ansicht der Landes ein einmaliges Gesamtkunstwerk. Das insgesamt 622 Hektar große Gelände mit Gutsökonomie und Schloss wurde seit 1990 für rund 25 Millionen Euro saniert. Zudem soll die ehemalige Gewerkschafts-Bundesschule in Bernau (Barnim) für eine Erweiterung der Bauhaus-Welterbestätte vorgeschlagen werden.
Hamburg empfiehlt Jüdischen Friedhof Altona und Sternwarte
Der Friedhof, von 1611 bis 1616 entstanden und rund zwei Hektar groß, ist der älteste portugiesisch-jüdische Friedhof in Nordeuropa. Seine Einzigartigkeit liegt darin, dass hier sefardische (portugiesische) und aschkenasische (deutsche und osteuropäische) Juden nebeneinander beerdigt sind. Die Sternwarte mit ihren auffallenden Kuppelbauten entstand zwischen 1906 und 1912 auf einem parkähnlichen Gelände im Stadtteil Bergedorf. Sie zeigt die Entwicklung der Teleskoptechnik von etwa 1850 bis zur Gegenwart.
Hessen setzt auf Marburg, Wiesbaden und Darmstadt
In der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe hatten Architekten, Maler, Bildhauer und Kunsthandwerker um 1900 herum im Geiste des Jugendstils ein Modell für den gesellschaftlichen Aufbruch gegründet. Marburg bewirbt sich gemeinsam mit Tübingen als "Prototyp der europäischen Universitätsstadt". Wiesbaden will mit seiner Geschichte als Weltkurstadt im 19. Jahrhundert punkten.
Mecklenburg-Vorpommern schlägt Schweriner Schloss und Doberaner Münster vor
Das 1182 gegründete Münster war das erste christliche Kloster des Landes. Die Gebäude und das mittelalterliche Inventar haben selbst die Wirren des Dreißigjährigen Krieges fast unbeschadet überstanden. Schloss Schwerin, von 1845 bis 1857 im Auftrag von Friedrich Franz II. erbaut, zählt zu den bedeutendsten Schöpfungen des romantischen Historismus. Im Stil der Neo-Renaissance verbindet es lokale Vorbilder mit Anklängen an französische Loireschlösser.
Niedersachsen: Kulturlandschaft und Dorfanlage
Niedersachsen schickt das Alte Land und die Rundlingsdörfer im Wendland in den Wettbewerb. Das Alte Land an der Grenze zu Hamburg gilt mit seinen Obstplantagen und Jahrhunderte alten Höfen als einzigartige Kulturlandschaft. Die Rundlingsdörfer im Kreis Lüchow-Dannenberg sind eine der ältesten, gut erhaltenen geschlossenen Dorfanlagen in Europa.
Nur Ausbau für NRW
Nordrhein-Westfalen beantragt als größtes Bundesland nur eine Erweiterung des schon bestehenden Weltkulturerbe-Projekts Zeche Zollverein in Essen.
Rheinland-Pfalz: "Jerusalem des Westens"
Rheinland-Pfalz bringt drei Vorschläge ein, darunter seine "SCHUM"-Städte Speyer, Worms und Mainz, einst "Jerusalem des Westens" genannt. Sie hatten sich im 11. und 12. Jahrhundert zu einem Bund zusammengeschlossen, der für die europäischen Juden zentrale Bedeutung bekam. Der Name SCHUM leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der drei hebräischen Stadtnamen her. Zudem sollen die romanischen Dome in Mainz und Worms das Welterbe Dom zu Speyer erweitern. Und schließlich soll auch das Industriedenkmal Sayner Hütte in Bendorf (Kreis Mayen-Koblenz) auf die nationale Vorschlagsliste.
Sachsen: Gartenstadt und Notenspur
Sachsen nominiert die Gartenstadt Hellerau und die Leipziger Notenspur. Die Gartenstadt, mit ihren Siedlungshäusern, Werkstätten und dem Festspielhaus zwischen 1909 und 1914 erbaut, sollte Leben und Arbeit in einer modernen Weise verbinden. Es war vor dem Ersten Weltkrieg Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde aus ganz Europa. Die Leipziger Notenspur ist ein etwa fünf Kilometer langer Rundweg, der anhand von Wohn- und Wirkungsstätten großer Komponisten an 23 Stationen 300 Jahre Musikgeschichte erzählt.
Thüringen ehrt jüdisches Erbe
Thüringen ehrt mit der Alten Synagoge in Erfurt sein jüdisches Erbe. Der Bau wurde erst Ende der 90er Jahre in der Altstadt wiederentdeckt und gilt, 1094 begonnen, als die älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge in Mitteleuropa. Sie wurde für mehrere Millionen Euro saniert und beherbergt heute ein Museum mit weltweit einzigartigen Schätzen. Zum Ensemble gehören auch ein jüdisches Ritualbad (Mikwe) und das "Steinerne Haus", das seit Ende des 13. Jahrhunderts in jüdischem Besitz war. Die anderen Bundesländern haben sich nicht entschieden oder verzichten auf weitere Bewerbungen.