Bahnreisen Die Krise als Retter der Bahnhöfe
Mehr Licht, mehr Anzeigetafeln, mehr Sicherheit. Seit 2009 sind 2100 deutsche Bahnhöfe dank der Krisen-Konjunkturpakete erneuert worden. Fahrgastverbände warnen, jetzt die Hände in den Schoß zu legen.
Fürther Bahnhof ohne Toilette
Am Bahnhof in Fürth gibt es kein stilles Örtchen. Drei Jahre lang hat die Deutsche Bahn fast die Hälfte ihrer Bahnhöfe modernisiert und dann das. Ausgerechnet als Bahnchef Rüdiger Grube die Ergebnisse dieser Frischzellenkur am Dienstag dieser Woche im Nürnberger Hauptbahnhof vorstellt, findet Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ein Haar in der Suppe. Wetterhäuschen seien ja schön und gut, sagt er - den Fürthern wäre eine Toilette aber womöglich lieber. "Die Toilette in Fürth wird in Ordnung gebracht", verspricht Grube - ansonsten klopft man sich zum Abschluss der Modernisierungsoffensive auf die Schulter. Für die Verbesserungen an Deutschlands Bahnhöfen und im Schienenverkehr hatte die Bundesregierung rund 1,4 Milliarden Euro aus Mitteln des Konjunkturprogramms bereitgestellt, weitere 100 Millionen Euro investierte die Bahn selbst.
Einige Bahnhöfe sind wahre Schandflecken
"Diese Investitionen bedeuten spürbare Verbesserungen für die Bahnkunden und machen die Bahn noch attraktiver", sagt Ramsauer. Von den Umbauten profitierten nicht nur Reisende, sondern auch die Wirtschaft, betont Bahnchef Grube. Die Bundesmittel hätten viele Folgeinvestitionen ausgelöst. Allein am Bahnhofs-Erneuerungsprogramm seien 500 kleine und mittelständische Unternehmen beteiligt gewesen. Ramsauer sieht im früher geforderten Renditestreben der Bahn wegen des geplanten Börsengangs einen Grund, warum seit den 90er Jahren zu wenig Geld in die Bahnhöfe gesteckt wurde. Gerade in Kleinstädten entwickelten sich die Empfangsgebäude zu den Schandflecken Nummer 1 - heruntergekommen und besprüht mit Graffiti - für Reisende ein Graus.
Konjungturpaket hilft der Bahn
Doch manchmal liegt in der Krise eine Chance: Nach dem Kollaps der Bank Lehman Brothers im September 2008 war die Weltwirtschaft ins Straucheln geraten. Um eine lange Talfahrt zu vermeiden, wurden riesige Konjunkturpakete geschnürt, die aber die Schuldenmisere vieler Staaten weiter verschärfte. In Deutschland gab es zunächst das Konjunkturpaket I, hunderttausende Jobs wurden durch eine Ausweitung der Zahlungen für Kurzarbeit gesichert. 2009 folgte ein zweites, rund 50 Milliarden schweres Paket, von dem auch die Bahn profitierte.
2100 Bahnhöfe renoviert
Der Konzern splittete die 1,4 Milliarden Euro des Bundes in drei eigene Konjunkturprogramme: 960 Millionen Euro wurden für den Ausbau im 34.000 Kilometer langen Schienennetz veranschlagt, etwa auf den Strecken Nürnberg-Erfurt, Karlsruhe-Basel oder die Anbindung des neuen Willy-Brandt-Flughafens in Berlin. 100 Millionen Euro flossen, um 135 Kilometer an Bahnstromtrassen zu erneuern. Die sichtbarste Veränderung für Millionen Zugreisende ist aber der dritte Teile der Konjunkturmaßnahmen: 325 Millionen Euro gab es vom Bund für die Verbesserung und Renovierung von 2100 der 5400 Bahnhöfe in Deutschland. Dies war allein schon deshalb gut angelegtes Geld, weil die Beförderungsleistung der Eisenbahnen in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent gestiegen ist. Immer mehr Bürger satteln gerade im Nahverkehr vom Auto auf den Zug um.
Mehr Licht und Wetterhäuschen
Besonders in Kleinstädten moderten viele Bahnhöfe seit Jahren vor sich hin. Abends stand mancher Fahrgast am dunklen Gleis, nachdem er sich durch vollurinierte Unterführungen zum Bahnsteig quälen musste. Zuganzeige? Fehlanzeige. Daher wurden rund 70 Millionen Euro in neue Beleuchtungen an Bahnsteigen und in Unterführungen gesteckt. Zudem leuchten nun an weit mehr Bahnhöfen die blauen Anzeiger, die auch schon über wenige Minuten Verspätung sofort informieren. Und gerade im Winter dürfte es Reisende freuen, dass es in 31 Bahnhöfen dank energetischer Sanierungen nicht mehr ganz so kalt ist. Und an 213 Bahnhöfen wurde der Wetterschutz verbessert, etwa durch den Bau neuer Wartehäuschen. Der Löwenanteil der Maßnahmen wurde mit 57,3 Millionen Euro in Bayern getätigt, der Heimat von Ramsauer.
Weitere Investitionen sollen folgen
Doch reicht das alles? Schließlich steht für weitere Sonderpakete wegen der Eurokrise kaum noch Geld zur Verfügung. Der Fahrgastverband Pro Bahn betont, gerade in Ostdeutschland und in den Grenzregionen herrsche nach wie vor erheblicher Modernisierungsbedarf - Grube kündigt an, dass weitere Millionen investiert werden sollen. Und Minister Ramsauer betont, weiter Druck bei der Bahn machen zu wollen. Dem Sender n-tv sagte er, sein Ziel sei es, "dass wir auch den kleinsten Bahnhof in der kleinsten Region (...) irgendwann so erneuern, dass es uns und auch die Bürger in der Region stolz macht".