Papierlose Schule Deutschlands erste papierlose Schule
Auf Schloss Neubeuern haben Hefte und Bücher ausgedient. Deutschlands erste papierlose Schule setzt von der 9. Klasse an auf modernste digitale Kommunikation. Der neue Bildungs-Ansatz der Eliteschule steht auf dem Prüfstand. Denn die Meinungen darüber gehen auseinander.
Keine Hefte, keine Kreide, keine Bücher
Keine Tafel, keine Kreide, keine Hefte, keine Bücher - stattdessen futuristisch anmutende Schreibtische mit Dockingstation für den PC. Das Klassenzimmer der Zukunft ist an der privaten Internatsschule Schloss Neubeuern längst Realität. In Deutschlands erstem papierlosen Gymnasium - zumindest drückt sich die Schulleitung diesen Stempel auf - verzichten Lehrer und Schüler von der 9. Klasse an vollständig auf Tinte und Papier. Aus einem zweijährigen Versuch ist gelebter Schulalltag geworden.
Eliteschule geht neue Wege
Große weite Welt im kleinen oberbayerischen Ort am Alpenrand: Rund 200 Jugendliche aus Mexiko, Russland, Korea oder China besuchen die in einem pittoresk anmutenden Schloss beheimatete Internatsschule nahe Rosenheim. Schulkleidung ist Pflicht. Wer sein Kind dorthin schickt, muss eine dicke Brieftasche haben: Allein die Internatsgebühr beträgt gut 2500 Euro im Monat, Kaution und Aufnahmegebühr kommen hinzu.
Nicht wenige Spitzenmanager haben in der Kaderschmiede ihr Rüstzeug erhalten. So schreibt der Mitbegründer der weltbekannten Modemarke Escada, Wolfgang Ley, in einem Prospekt über die Schule: "Ich verdanke Neubeuern die Grundlage für mein späteres Leben und Handeln. Heute zeigt sich das unter anderem in der konstruktiven Medienerziehung der Schüler."
Noten und Hausaufgaben elektronisch
Und die ist top: Ein sogenannten Tablet-PC ersetzt Schulhefte und Bücher. Zusätzlich zur Tastatur hat der Laptop eine Schreibfläche auf einem hochauflösenden Touch-Display, auf der die Schüler mit einem Eingabestift elektronisch mit der Hand schreiben. Alle Unterrichtsmaterialien, aber auch Termine, Tests, Noten und Hausaufgaben werden von Schülern und Lehrern gleichermaßen am PC verwaltet und bearbeitet. Die Software erkennt dabei selbstverständlich die jeweilige Handschrift des Schülers.
Neue didaktische Möglichkeiten
In den kahl eingerichteten Klassenzimmern stehen eigens entworfene, ergonomische Tische mit Docking-Stationen, Beamer werfen Tafelbilder an die Wand. Bearbeitete Dateien werden vom Lehrer digital eingesammelt. "Es entsteht so eine völlig neue, interaktive Lernumgebung, die die Abkehr vom klassischen Frontalunterricht bedeutet und vollkommen neue didaktische Möglichkeiten eröffnet", ist sich Schulchef Jörg Müller sicher. Zudem können die Schüler sämtliche Anwendungen des Schul-PC auch im Internat oder zu Hause nutzen und mit ihren Smartphones synchronisieren.
Schüler sind begeistert
"Es ist gut, dass man alles abspeichern kann und dadurch nichts verloren geht", sagt etwa die 14-jährige Alexandra Klein aus Mexiko. "Aber anfangs war es schwer. Ich musste mich erst daran gewöhnen."Auch für Nikita Aleshin aus Moskau überwiegen die Vorteile. "Man kann viel mehr gestalten. Der Unterricht ist interaktiv und der Lernstoff kann wesentlich verständlicher dargestellt werden als auf herkömmliche Weise", meint der 17-Jährige aus der Klasse 9b.
Fabiana Saggio schwört ebenfalls auf ihren PC. "Ich habe immer viel Wert auf gute Heftführung gelegt, also musste ich viel ausbessern oder neu schreiben", sagt die 15-Jährige. "Das ist jetzt vorbei. Ich kann schreiben und Fehler einfach löschen. Das macht viel mehr Spaß." Auf einen anderen Aspekt des Arbeitens mit dem Laptop weist die 16-jährige Ann-Karolin Reuter hin: "Es schont das Handgelenk."
Für Therese Ansin, Klasslehrerin der 9b, gibt es kein Zurück zu Papier und Schulheften. "Ich möchte diese Form nicht mehr missen. Man hat immer alles dabei", erläutert die 28-Jährige. "Und ich kann mal schnell ein Youtube-Video zeigen. Es gibt ganz viele Möglichkeiten für einen bunten und abwechslungsreichen Unterricht."
Wettbewerbsvorteile schaffen
Zu Beginn der Umstellung ging es Stiftungsvorstand Müller übrigens weniger um das "Weg vom Papier", sondern die Frage: "Was können wir tun, um unseren Schülerinnen und Schülern einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen?"
Auch im bayerischen Kultusministerium ist der innovative Ansatz aus Neubeuern bekannt. Die Reaktion fällt zweigeteilt aus: "Der Einsatz moderner Arbeitsweisen und Technologie kann die Qualität von Schule und Unterricht erhöhen", heißt es in einer Stellungnahme. "Aber moderne Technik muss nicht grundsätzlich den Lernerfolg sowie die Unterrichtsqualität verbessern." Der Härtetest des papierlosen Gymnasiums steht indessen noch aus: 2013 will die noble private Internatsschule das erste Abitur ohne Papier schreiben.