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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Insolventer Versandhändler Nach Firmenpleite: Bei Klingel bestellt – und jetzt?
Das Versandhaus Klingel macht dicht. Das wirft bei Kunden einige Fragen auf. Muss ich bestellte Ware trotzdem bezahlen? Was passiert bei Ratenzahlungen?
Der traditionsreiche Versandhändler Klingel ist pleite und stellt seinen Betrieb ein. Im Mai hatte das Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt. Ein Investor für die Firmengruppe sei jedoch nicht gefunden worden, teilte das Unternehmen mit Firmensitz in Pforzheim jetzt mit.
Zu den Marken der Firmengruppe zählen Klingel, Wenz und Mona für Damenmode, die Männerbekleidungsmarke Babista, der Schmuckanbieter Diemer, die Plus-Size-Modeanbieter Happysize, Miamoda und Meyermode sowie der Schuh-Versender Vamos und die Gesundheitsmarke Wellsana.
Die Klingel-Pleite wirft bei zum Teil langjährigen Kunden des 100 Jahre alten Versandhauses und seiner Marken einige Fragen auf. Was geschieht mit bereits bestellter, aber noch nicht gelieferter Ware? Werden Retouren noch bearbeitet? Was passiert bei defekten Artikeln?
Zunächst: Laut Klingel wird der Geschäftsbetrieb bis Ende Januar 2024 fortgeführt. Bis dahin können Kunden weiter bestellen und sollen dem Unternehmen zufolge ihre Waren auch erhalten. Für Kunden dürfte sich demnach bis Anfang kommenden Jahres nicht viel ändern.
Was passiert mit Retouren?
Auch die Abwicklung von zurückgeschickten Artikeln (Retouren) ist laut Klingel bis zum Frühjahr 2024 sichergestellt. Sollten Sie Produkte bestellt haben, die Sie zurückschicken möchten, sollten Sie Ihr Geld problemlos zurückerhalten.
Was ist mit der Gewährleistung bei defekter Ware?
Ist ein Artikel defekt und fällt der Mangel unter das zweijährige Gewährleistungsrecht, können Sie ihn bis Ende Januar zurücksenden. In diesem Fall haben Sie Anspruch auf eine kostenlose Beseitigung des Mangels.
Schwierig dürfte das allerdings nach dem 31. Januar 2024 werden. Da die Klingel-Gruppe nach jetzigem Stand danach nicht weiter besteht, gibt es kein Unternehmen mehr, das Ihre Gewährleistungsansprüche erfüllen kann.
Rechtsexperte Erich Nolte von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erläutert im Gespräch mit t-online: "Wird der Händler insolvent, dann muss ich Nacherfüllungsansprüche wie Austausch oder Reparatur gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen." Dieser entscheide dann.
Allerdings seien die Erfolgsaussichten gering. Es könne daher schwierig werden, Ansprüche auf Gewährleistung durchzusetzen, so Nolte.
Was ist mit Garantieansprüchen gegenüber dem Hersteller der defekten Ware?
Bis zur Geschäftsaufgabe Ende 2024 gelten die AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) von Klingel. Darin heißt es: "Soweit wir Ihnen darüber hinaus eine Händlergarantie gewähren, ergeben sich die Einzelheiten aus den Garantiebedingungen, die dem jeweils gelieferten Artikel beigefügt sind."
Das heißt: Sollte ein Artikel kaputtgehen und der Schaden ist von der Herstellergarantie abgedeckt, können Sie die Ware an Klingel senden und das Unternehmen kümmert sich um Ersatz oder Reparatur.
Nach dem 31. Januar 2024 wird es aber auch hier kompliziert, wie Verbraucherschützer Nolte sagt. "Weil man häufig an den Garantiegeber nur über den Händler herankommt, ist das oft problematisch." Denn der Händler, in dem Fall das Versandhaus Klingel, existiere dann nicht mehr.
Wenn noch Garantieansprüche offen sein sollten, könnten aber die Verbraucherzentralen in Einzelfällen helfen, so Nolte. Diese setzen sich dann mit dem Hersteller des Artikels in Verbindung und versuchen laut Nolte zwischen Käufer und Unternehmen zu vermitteln.
Was passiert, wenn ich Artikel auf Raten gekauft habe?
"Die Raten für gelieferte Ware müssen Sie auf jeden Fall weiter bezahlen", sagt Nolte. Daran ändere sich auch bei einer Insolvenz oder Geschäftsaufgabe nichts.
Kann ich Gutscheine noch einlösen?
Bis Ende Januar 2024 sollte das ebenfalls noch möglich sein. Es könne allerdings sein, dass nicht mehr alle Klingel-Produkte vorrätig sind, warnt Nolte. Bei Insolvenzen gebe es oft nur noch einen Restbestand an Produkten, aus denen der Kunde wählen könne.
"Und noch schlimmer ist es, wenn gar keine passenden Produkte mehr vorhanden sind", sagt Nolte. Dann könne eine Schadenersatzforderung in Höhe des Gutschein-Betrags zwischen dem Kunden und Klingel bestehen. Ob das Geld ausgezahlt werde, sei allerdings fraglich. Die Insolvenzmasse (übrig gebliebenes Vermögen) reiche dafür oft nicht mehr aus.
Sollten Sie jetzt noch bei Klingel bestellen?
Da das Unternehmen mitteilt, noch bis Ende Januar 2024 den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, spricht eigentlich nichts dagegen. Aber: "Wenn mich das jemand fragen würde, würde ich zunächst sagen, das ist wie eine Fahrt auf dunkler Autobahn ohne Licht", sagt Nolte.
Schließlich könne ja niemand wissen, wie es weitergeht. Generell sollten Kunden erst einmal bei Klingel anrufen oder per Mail anfragen, ob die gewünschten Produkte noch vorrätig seien.
"Ansonsten würde ich eher dazu raten, von der Bestellung Abstand zu nehmen, um den eigenen Geldbeutel nicht zu gefährden", so Nolte.
- Eigenes Interview
- verbraucherzentrale.de: "Wenn eine Firma insolvent wird: Das sind Ihre Rechte"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- klingel.de: AGB