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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trennungen sind ihr Job Scheidungscoachin: Der Rosenkrieg ist oft vorprogrammiert
Die perfekte Scheidung? Gibt es nicht. Ein Scheidungscoach kann aber dabei helfen, dass die Trennung so gut wie möglich für Sie über die Bühne läuft.
Simone Koch hat in ihrer Praxis schon viel erlebt. Die Scheidungscoachin betreut Menschen, die aufgrund ihrer Scheidung in einer Sackgasse stecken, wie sie selbst sagt. Da sie tagtäglich von Frauen und Männern umgeben ist, deren Vertrauen zerstört wurde und die nicht mehr an die Liebe glauben, stellt sich die Frage: Gibt es die Liebe noch? Darauf gibt die Coachin für Trennungen und Scheidungen eine überraschende Antwort.
t-online: Eine Scheidungscoachin, die geschieden ist – ist das nicht etwas ungewöhnlich?
Simone Koch: Nein. Im Gegenteil! Genau so bin ich zu meinem Beruf gekommen. Auf der einen Seite hätte ich mir persönlich in meiner Scheidung gezieltere professionelle Hilfe gewünscht. Auf der anderen Seite habe ich eines Tages begriffen, dass zu viele Menschen aufgrund ihrer Scheidung in der Sackgasse stecken. Wenn man sich umhört, kennt immer jemand jemanden mit einer furchtbaren Scheidungsgeschichte. Ich finde, das muss nicht sein. Scheidung ist auch eine Chance.
Was macht ein Scheidungscoach?
Ich helfe meinen Klienten dabei, mit dem Stress und der emotionalen Überforderung, die eine Trennung oder Scheidung mit sich bringt, umzugehen. Ich höre zu, validiere, helfe priorisieren, organisieren, Optionen wahrnehmen und Chancen ergreifen. Das Ziel: anstehende Entscheidungen reflektiert und selbstbestimmt fällen.
Ich gebe meinen Klienten also den Raum, sich mit ihrer Wut, der Angst und der Trauer an mich zu wenden beziehungsweise biete ihnen einen sicheren Ort für die starken Gefühle, die bei einer Trennung durchlebt werden. Das ist wichtig, damit man diese Emotionen nicht mehr mit zur Anwaltskanzlei nimmt. Ein Ort, an dem der Kopf gefordert ist.
Simone Koch arbeitet in Wiesbaden als Coachin für Trennungen und Scheidungen. Bei ihr werden allerdings nicht Paare gemeinsam betreut, sondern nur die Person, die sich eine emotionale Unterstützung während der Scheidung wünscht. Das kann helfen, mit dem einschneidenden Erlebnis besser klarzukommen, wie die Kommunikationsexpertin erklärt.
Wie hat sich die Nachfrage nach Scheidungscoachs in den vergangenen Jahren entwickelt?
Scheidungscoaching ist eine noch junge Coachingdisziplin, die sich in den USA als fester Bestandteil des Scheidungssupports dennoch schon etabliert hat. Anders hier in Deutschland. Als ich 2021 begann, war ich die erste zertifizierte Scheidungscoachin. Heute gibt es einige mehr, aber wir sind noch weit von der Selbstverständlichkeit in den Staaten entfernt.
Ich meine zu erkennen, dass es immer akzeptabler wird, in Deutschland nach emotionalem Support zu fragen, ohne stigmatisiert zu werden. Eine wichtige Voraussetzung für eine Dienstleistung wie Scheidungscoaching.
Sollte man mit einer Scheidung also allgemein lieber etwas warten?
Ich finde, dass man grundsätzlich nicht im Affekt zum Anwalt gehen sollte. Denn wie reflektiert können Scheidungsthemen besprochen werden, wenn man unter Schock steht, wütend ist oder auch Vergeltungsgedanken hat? Der Rosenkrieg ist vorprogrammiert. Also, bitte lieber erst in sich gehen und überlegen, welche Optionen habe ich jetzt?
Aber was ist, wenn es zu einem Vertrauensbruch kam und man merkt sofort "Da geht gar nichts mehr"?
Das erkläre ich am besten an einem Beispiel. Nehmen wir an, es kam zum klassischen Vertrauensbruch: Affäre. Ich weiß aus meiner Praxis, dass dies nicht zwangsläufig das Ende der Ehe bedeutet. Es gibt Paare, die viel aufgebaut haben und nicht bereit sind, das wegzuwerfen. Stattdessen wollen sie trotz oder wegen dieser Situation die Partnerschaft erneuern. Aber: Im ersten Schritt obliegt die Arbeit der Person, die die Affäre hatte. Sie muss die volle Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Und alles dafür tun, das Vertrauen wieder herzustellen.
Es kann aber natürlich auch sein, dass der Vertrauensbruch genau der Moment war, der das Fass zum Überlaufen brachte. Auch in so einem Moment gilt es, eine Entscheidung zu fällen: Wie möchte ich mich trennen? Selbstbestimmt, also reflektiert und zukunftsorientiert? Oder fremdbestimmt, also unvorbereitet und vergangenheitsorientiert?
In all diesen Fällen helfe ich.
Empfehlen Sie auch Paaren, zu einem Paartherapeuten zu gehen, wenn Sie merken, dass beide voreilig handeln?
Ich promote nicht Scheidung um jeden Preis. Manchmal gehen Paare auseinander, ohne alles versucht zu haben. Nach dem Prinzip: "Wenn sich nichts ändert, ändert sich nichts." Wenn mein Klient – ich coache nur einzelne Personen und keine Paare – nicht sicher ist, dass Scheidung wirklich der richtige Schritt ist, dann helfe ich ihm/ihr dabei, Gewissheit zu finden. Ziel ist es, eine Entscheidungsgewissheit zu erlangen, um so mögliche spätere Zweifel einzuschränken.
Glauben Sie noch an die Liebe?
Natürlich. Noch schöner ist es zu sehen, wie meine Klienten durch ihre Scheidung anfangen, sich selbst zu lieben. Was für eine großartige Voraussetzung für eine neue Partnerschaft auf Augenhöhe.
Würden Sie noch einmal heiraten?
Eine sehr gute Frage! Ich weiß es nicht.
- Schriftliches Interview mit Simone Koch, Februar 2022