Gutachten des Expertenrats Bundesregierung wird Klimaziele verfehlen
Die Bundesregierung hatte sich ehrgeizige Klimaziele bis 2030 gesetzt. Doch an diesen schrammt sie voraussichtlich vorbei.
Der Rückgang der Treibhausgasemissionen in Deutschland hat sich zwar erheblich beschleunigt, die Klimaziele werden jedoch weiterhin nicht erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt der von der Bundesregierung eingesetzte Expertenrat für Klimafragen in seinem am Mittwoch vorgestellten Zweijahresgutachten. Verschiedene Umweltorganisationen fordern angesichts der Ergebnisse verschärfte und sozial ausgewogenere Klimamaßnahmen.
Der Expertenrat für Klimafragen muss laut Klimaschutzgesetz alle zwei Jahre ein Gutachten vorlegen. Im Zeitraum 2014 bis 2023 hat sich der Rückgang der Emissionen im Vergleich zu den Jahren 2010 bis 2019 "deutlich beschleunigt", berichtete Ratsvorsitzender Hans-Martin Henning. Die Minderung liegt demnach jetzt bei 25,7 Megatonnen pro Jahr, vorher waren es nur 11,2.
Den Expertinnen und Experten zufolge reicht dieser beschleunigte Rückgang jedoch nicht aus. Selbst wenn er anhalte, würden die deutschen Klimaziele für 2030 nicht erreicht. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Ausstoß der Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent zu reduzieren. Um dies zu erreichen, müssten die Emissionen laut Henning aber um jährlich 39 Megatonnen zurückgehen – statt um 25,7.
Neue Bundesregierung wird im ersten Jahr Plan vorlegen müssen
Verfehlt die Bundesregierung ihre Klimaziele, muss sie entsprechende Maßnahmen einleiten, betonte Ratschef Henning. "Die neue Bundesregierung wird innerhalb des ersten Jahres der Legislaturperiode ein Klimaschutzprogramm vorlegen müssen", so Henning.
Die Anstrengungen zur Treibhausgasreduktion seien zwar "durchaus verstärkt" worden, so Henning, der zugleich Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg ist. Aus Sicht des Expertenrates sei aber "eine erheblich stärkere Einbettung klimaschutzpolitischer Maßnahmen in eine politische Gesamtstrategie notwendig". Diese müsse alle relevanten Politikfelder miteinbeziehen.
Eine vielversprechende Option sei die Wiedereinführung des Klimakabinetts, sagte Henning weiter. Ein solches Kabinett gab es bereits unter Kanzlerin Angela Merkel. Zudem kritisierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein soziales Ungleichgewicht bei bestehenden Klimamaßnahmen. Untere und mittlere Einkommensgruppen müssten von diesen künftig stärker profitieren als bislang, sagte die stellvertretende Ratsvorsitzende Brigitte Knopf. "Klimapolitik muss breiter gedacht werden."
Minister Habeck sieht Bestätigung für Klimapolitik
Das Gremium hat in seinem Gutachten auch die Entwicklung der Emissionen in den letzten drei Jahren ausgewertet. Von 2021 bis 2023 sanken diese demnach "sektorenübergreifend" von gut 761 Millionen auf 672 Millionen Tonnen – also um 11,7 Prozent. Dies sei "durchaus ein erheblicher Rückgang", so Ratschef Henning. Es hätten auch alle Sektoren dazu beigetragen – bis auf den Verkehr: In diesem kam es zu "einem leichten Anstieg" der Emissionen.
Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sieht im Gutachten eine Bestätigung der Klimapolitik des Bundes. "Der Expertenrat bestätigt: Wir sind in die richtige Richtung unterwegs, sollten den Weg aber konsequent fortsetzen", erklärte Habeck. Darauf komme es nun an: "Wir müssen Kurs halten."
Klimaorganisationen kritisieren Bundesregierung
Verschärfte Maßnahmen fordern hingegen Umwelt- und Klimaorganisationen. Das Gutachten mache deutlich, "dass die aktuelle Klimapolitik nicht ausreiche und deutlich mehr getan werden müsse, um Deutschland auf Klimakurs zu bringen", erklärte die Umweltorganisation WWF.
Die deutsche Umwelthilfe fordert konkrete Maßnahmen besonders für den Verkehrs- und Gebäudesektor. Sie schlägt unter anderem ein bundesweites Tempolimit von 100 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen und eine "energetischen Sanierungsoffensive" für öffentliche Gebäude vor.
Eine "sozial gerechte" Klimapolitik mahnen dabei die Klima-Allianz Deutschland und die Diakonie an. Allen Einkommensgruppen müsse der Umstieg auf eine klimaneutrale Lebensweise ermöglicht werden, so Diakonie-Vorständin Elke Ronneberger.
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- Nachrichtenagentur AFP