"Will die Gesellschaft das?" Rückkehr zur Atomkraft? Das sagt der RWE-Chef
Die Union trommelt seit Längerem für ein Comeback der Atomkraft. Der Chef des Energiekonzerns RWE widerspricht – und verweist auf milliardenschwere Risiken.
RWE-Chef Markus Krebber lehnt die von der Union in Spiel gebrachte Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland ab. "Die Zeit für die drei Kraftwerke, die für sechs Prozent der deutschen Stromproduktion standen, ist abgelaufen", sagte Krebber der "Rheinischen Post".
"Das RWE-Kernkraftwerk Emsland ist seit dem 15. April 2023 abgeschaltet und wird zurückgebaut. Derzeit sind hier noch 480 Mitarbeiter, die den Rückbau vorantreiben", sagte Krebber. "Wollte man die drei Meiler wieder hochfahren, bräuchte es langwierige Genehmigungsprozesse, massive Investitionen in die Nachrüstung und den Aufbau einer qualifizierten Betriebsmannschaft. Will die Gesellschaft das?"
Unionspolitiker wollen bei einer Regierungsübernahme das Hochfahren der abgeschalteten Kernkraftwerke prüfen, wie aus einem Diskussionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus dem November hervorging.
"Atomkraft hilft nicht bei den aktuellen Engpässen"
Auch einen Neubau hält Krebber für aussichtslos: "Ein Neubau dauert bis zu zehn Jahre oder mehr, Atomkraft hilft nicht bei den aktuellen Engpässen. Aktuelle Kernkraftprojekte in anderen Ländern zeigen, sie sind oft doppelt so teuer wie geplant und kosten zweistellige Milliarden-Beträge." Der RWE-Chef betonte: "Daher müsste der Staat das wirtschaftliche Risiko übernehmen, wenn er will, dass neue Anlagen gebaut werden."
Krebber sieht kein Problem darin, dass Deutschland französischen Atomstrom importiert: "Es stimmt, dass Deutschland immer wieder mal französischen Atomstrom importiert. Zuletzt waren es zwei Gigawatt. Doch das ist in Europa normal. In der Energiekrise hat Deutschland Frankreich mit Exporten unterstützt."
Damit gibt der Chef eines der größten deutschen Energiekonzerne eine Position wieder, die so auch vom grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck geteilt wird. Der wehrt sich seit Monaten gegen Versuche der Union, eine Debatte über die Rückkehr der Atomkraft zu entfachen. Befeuert werden diese Versuche, insbesondere vom CSU-Chef Markus Söder. Dieser hatte Habeck unter anderem vorgeworfen, beim Abschalten der verbliebenen drei Atommeiler in Deutschland versagt zu haben.
Eon-Chef hält Wiedereinstieg für möglich
"Das war keine kluge Strategie", hatte Söder bei einer Podiumsdiskussion bei der Handwerksmesser in München im Frühjahr 2024 gesagt. "Ich verstehe nicht, warum er das gemacht hat." Söder warf dem Grünen auch vor, sich abhängig von Atomstromimporten aus anderen Ländern zu machen – eine Darstellung, der nun auch RWE-Chef Krebber widerspricht.
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Bei besagter Podiumsdiskussion im März hatte Habeck die Argumentation Söders mit einer langen, faktenreichen Gegenrede attackiert. Dafür war er später in sozialen Medien gefeiert worden. "Ökonomisch geht das alles nicht auf", schlussfolgerte Habeck angesichts von Söders Vorschlägen. Das soll der CSU-Chef dem Grünen übel genommen haben, wie Habeck vor einigen Wochen selbst verriet. Demnach habe Söder bei der Handwerksmesser nicht "gut ausgesehen". Seitdem soll er seine Angriffe auf Habeck noch einmal verschärft haben.
Zwar spricht sich der RWE-Chef gegen eine Wiederbelebung der Atomenergie in Deutschland aus, allerdings gibt es auch andere Stimmen. So sagte Eon-Chef Leonard Birnbaum kürzlich, er halte das Atomstrom-Aus für einen Fehler. "Technisch können wir das", so der Konzernchef bei "ntv".
Und auch der ehemalige Eon-Chef Johannes Teyssen sagte im Interview mit dem "Handelsblatt", es sei "bekloppt", dass die Regierung die Meiler vom Netz genommen habe. Von einem Wiedereinstieg in die Atomkraft hölt allerdings auch er nichts. "Kein vernünftiger Mensch würde hier in Deutschland neue Atomkraftwerke bauen".
- handelsblatt.de: Ex-Eon-Chef Johannes Teyssen. "Es gibt große Zweifel an Deutschland" (kostenpflichtig)
- rp-online.de: RWE-Chef Markus Krebber. "Atomkraft hilft nicht bei den aktuellen Engpässen" (kostenpflichtig)
- ntv.de: Eon-Chef: Rückkehr zur Atomkraft ist möglich
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa