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Ende der Weltklimakonferenz: Sind wir jetzt gerettet?


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Klimakonferenz endet
Was der Welt dennoch droht


12.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Eine Aufnahme der südlichen Erdhalbkugel aus dem All (Symbolbild): In den kommenden neun Jahren muss die Welt sich noch deutlich stärker gegen die Klimakrise stemmen. Dafür hat die 26. UN-Klimakonferenz die Grundlage gelegt.Vergrößern des Bildes
Eine Aufnahme der südlichen Erdhalbkugel aus dem All (Symbolbild): In den kommenden neun Jahren muss die Welt sich noch deutlich stärker gegen die Klimakrise stemmen. Dafür hat die 26. UN-Klimakonferenz die Grundlage gelegt.

Die Weltklimakonferenz in Glasgow soll heute enden: Zwei Wochen mit wenig Schlaf und kräftezehrenden Diskussionen liegen hinter denen, die den Planeten retten sollen. Hat es die Welt geschafft, der Klimakatastrophe zu entrinnen?

Die schlechte Nachricht zuerst: Nein, dem Planeten droht weiterhin eine Klimakatastrophe von einem Ausmaß, das sich viele noch immer kaum vorstellen können.

Hitzesommer, die Kinder und Senioren in Lebensgefahr bringen und Städte zeitweise unbewohnbar machen; Dürren, die Supermarktregale wochenlang leerfegen; Flutkatastrophen, die alles unter sich begraben. Und ein Meeresspiegel, der sich weiter und weiter in die Küstengebiete frisst und die Einheimischen zur Flucht zwingt. Aber: Es gibt jetzt einen Lichtblick.

Der Hoffnungsschimmer mag noch klein sein. Doch die diesjährige UN-Klimakonferenz hat Fortschritte ermöglicht, die lange undenkbar waren. Eine Übersicht über Erfolge und Rückschläge bei der COP26 – und ein Ausblick, wie es weitergehen muss, um eine katastrophale Erhitzung des Klimas tatsächlich zu verhindern.

Ein gutes Ergebnis für Optimisten

Insgesamt könnten alle nationalen Versprechen der vergangenen zwei Wochen die globale Erderhitzung dort stoppen, wo noch nicht alles zu spät ist: bei 1,8 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Das ergeben die jüngsten Berechnungen der Internationalen Energieagentur.

Möglich machen sollen das die jeweiligen Klimaziele der Länder für das Jahr 2030 und das Jahr 2050 sowie zahlreiche neue und bestehende Zusagen für eine klimaneutrale Zukunft. Doch so gut sich das anhört, so wackelig ist die Prognose. Die Initiative Climate Action Tracker (CAT), die renommierteste Klimaforschungskoalition der Welt, hat in den vergangenen Tagen nachgerechnet.

"In unserer Analyse sehen wir beträchtliche Lücken, wenn es um die Glaubwürdigkeit der nationalen Klimapläne geht", sagt Carl-Friedrich Schleussner von der Organisation Climate Analytics t-online. Der Klimaforscher war an der Auswertung der nationalen Zusagen durch CAT beteiligt.

"Bisher besteht ungefähr ein ganzes Grad Unterschied zwischen dem, was die Länder nun versprochen haben, und dem, was sie mit ihrer aktuellen Politik erreichen können", so Schleussner.

Aktuelle Maßnahmen dürften noch zu 2,7 Grad Erwärmung führen. Für ihn sind 1,8 Grad Erderhitzung daher ein sehr optimistisches Szenario, obwohl auch das noch deutlich über dem erhofften 1,5-Grad-Ziel liegt. Denn: Versprechen sind nur etwas wert, wenn sie auch umgesetzt werden. Und zwar rechtzeitig.

Fortschritte im Schneckentempo

Ein Blick auf die nationalen Klimaziele für 2030 reicht, um die Skepsis der Wissenschaftler zu verstehen. Im Gegensatz zu Klima-Meilensteinen, die weit in der Zukunft liegen, zeigen die Versprechen für die kommenden acht Jahre nämlich: Es geht nicht schnell genug.

”Wir wissen, wie groß das CO2-Budget ungefähr ist, das uns noch bleibt, bevor wir die Schwelle von 1,5 Grad Celsius Erhitzung überschreiten. Wenn wir die Emissionen in den 2020er-Jahren nicht senken, laufen wir Gefahr, das verbleibende CO2-Budget schon bald zu verbrauchen", so Schleussner. Am Ende der Klimakonferenz sieht es aus, als könnte die Weltgemeinschaft 2030 von der Klima-Klippe stürzen.

Selbst wenn alle Länder ihre Glasgower Zusagen für 2030 einhalten, könnte das laut den Forschern des CAT eine Erderhitzung von 2,4 Grad Celsius bedeuten. Das würde sogar das großzügigste Ziel des Pariser Klimaabkommens sprengen – die globale Erderwärmung bei deutlich weniger als 2 Grad zu stoppen. Doch um das 1,5-Grad-Ziel zu beerdigen, ist es noch zu früh.

Das 1,5-Grad-Ziel ist bisher nicht verloren

Klimaforscher Schleussner hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. "Selbst wenn diese Konferenz nicht alle Löcher stopfen kann, ist der Schnitt bei 1,5 Grad noch zu schaffen. Dafür brauchen wir aber ganz konkrete Pläne, wie wir die Emissionen in diesem Jahrzehnt deutlich drosseln." Und zwar fix. Denn obwohl sich 2030 nach einer fernen Zukunft anhört, bleiben bis dahin nur noch rund acht Jahre.

Christoph Bertram vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung präzisiert: "Um das 1,5-Grad-Ziel zu halten, muss spätestens nächstes Jahr nachgebessert werden." Dass dies geschieht, ist indes nicht ausgeschlossen; immerhin hat es auch in Glasgow einige deutliche Fortschritte gegeben, die bis vor Kurzem kaum jemand für möglich gehalten hätte.

Einige Schwergewichte lenken ein

So rang sich beispielsweise Indien nach jahrelanger Gegenwehr dazu durch, sich auf den Weg zur Klimaneutralität zu machen. Das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde – und die Nation mit dem weltweit drittgrößten Treibhausgasausstoß – will nun bis zum Jahr 2070 seine Emissionen auf Netto-Null drücken. Zwar liegt das Ziel weit hinter den Schlusspunkten, die viele andere Länder beim Thema Emissionen setzen wollen. Dennoch: Die neuen Pläne bringen den Klimaschutz ein ganzes Stück vorwärts.

Dazu kommen einige große neue Versprechen, für die sich zahlreiche Staaten in "Koalitionen der Willigen" zusammengefunden haben. So wollen rund 100 Länder ihre Methanemissionen bis 2030 um ein Drittel reduzieren, 110 Regierungen haben sich vorgenommen, im gleichen Zeitraum die Abholzung der Wälder auf ihren Gebieten zu stoppen, mehr als 40 Länder haben den Ausstieg aus der Kohleverstromung und das Ende öffentlicher Subventionen für fossile Energien und Finanzierungen verkündet.

Und 24 Länder sowie einige Autohersteller wollen ab 2040 keine Wagen mit Verbrennermotoren mehr produzieren und zulassen. Der positive Effekt all dieser gemeinsamen Initiativen könnte enorm sein.

Versprechen sind nur Versprechen

Laut CAT könnten dadurch so viele Treibhausgasemissionen eingespart werden, wie Deutschland, Japan und das Vereinigte Königreich insgesamt pro Jahr verursachen. Das macht Hoffnung. Wäre da nicht die Frage der Umsetzung.

Beim Waldversprechen ist Indonesien als eines der drei waldreichsten Länder der Erde bereits zurückgerudert – das vorgegebene Ziel 2030 erreichen zu müssen, sei "unangemessen und unfair". Und das gesamte Kohleversprechen bezieht sich im jüngsten Entwurf der Glasgower Abschlusserklärung bereits nur noch auf "ineffiziente" Kohlekraftwerke – ob die Passage auf Drängen von Indien, Russland und Saudi-Arabien vielleicht noch ganz verschwindet, wird sich in den kommenden Stunden zeigen.

Es gilt: Reden ist Silber, Machen ist Gold. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Schon gar nicht in der internationalen Klimapolitik.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche beim COP26 in Glasgow
  • Schriftliche Anfrage beim Klimaforschungsinstitut Climate Analytics
  • Schriftliche Anfrage beim Potsdam Institut für Klimafolgenforschung
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