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Klimawandel auf den Malediven: Luxus-Urlaub mit verheerenden Folgen


Urlaubsparadies bedroht
"Sie töten die Henne, die die goldenen Eier legt"


Aktualisiert am 28.12.2024Lesedauer: 5 Min.
Traumurlaub auf den Malediven: Das Paradies ist bedroht.Vergrößern des Bildes
Traumurlaub auf den Malediven: Das Paradies ist bedroht. (Quelle: Xlswell/imago-images-bilder)
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Das Wasser steigt, die Malediven drohen zu versinken. Die Regierung baut künstliche Inseln, um dem Schicksal zu entkommen – und schafft damit neue Probleme.

Weiße Traumstrände, Palmen und entspannte Lebenslust: Als sich 2015 die damalige Außenministerin der Malediven in einer Rede an die Vereinten Nationen wandte, provozierte sie solche Bilder in den Köpfen ihrer Zuhörer. Dunya Maumoon sprach von kleinen Kindern, die am Strand spielen, während Wellen um ihre Füße plätschern. Sie erzählte von der angenehm kühlenden Brise des Ozeans und dem Fischer, der hinaus aufs Meer blickt – nur um im nächsten Moment die blumig ausgemalte Idylle krachend einstürzen zu lassen. Beim Blick aufs Wasser könnten sie sich nicht vorstellen, "dass ebendiese Gewässer zu unserem nassen Grab werden", sagte Maumoon.

Aber genauso düster wie von Maumoon beschrieben könnte es kommen, sollten die Prognosen der Wissenschaftler zutreffen. Seit ihrer Rede hat sich die Situation weiter verschlechtert: Der weltweite CO2-Ausstoß hat weiter zugenommen, die Malediven drohen buchstäblich zu versinken.

Die meisten Inseln sind schon in wenigen Jahren akut bedroht

Denn die rund 1.200 Koralleninseln, die das Land bilden, liegen nur rund einen bis anderthalb Meter über dem Meeresspiegel. Wenn bis zum Jahr 2100 der Meeresspiegel, wie in den pessimistischsten Klimamodellen vorhergesagt, um einen ganzen Meter steigt, wären einige Teile der Malediven möglicherweise schon in zwei bis drei Generationen überspült.

Menschliches Leben könnte dort sogar schon vorher unmöglich werden: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass rund 80 Prozent der Inseln bereits Mitte des 21. Jahrhunderts akut bedroht sind, weil auf ihnen das Süßwasser versalzt und ständige Überschwemmungen die Infrastruktur zerstören.

"Lebensbedingungen werden sich dramatisch verschlechtern"

Erhebliche Teile der Mangrovenwälder ertrinken schon jetzt im Meer: Bei Flut werden immer größere Bereiche überschwemmt, das Salz im Wasser lässt viele der Bäume absterben, die bislang noch die Küsten schützten. Währenddessen sterben auch die Korallen, sie verkraften die zunehmende Hitze im Meer nicht. Der Tourismus- und Klimaexperte Harald Zeiss weist auf Forschungsergebnisse hin, die zeigten, dass schon bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe gefährdet sind. "Bei zwei Grad wären es nahezu 100 Prozent."

Der Professor für Tourismusmanagement und Betriebswirtschaft leitet in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) das Institut für nachhaltigen Tourismus. Er glaubt zwar nicht an einen vollständigen Untergang der Malediven bis 2100, aber er ist sich sicher: "Die Lebensbedingungen werden sich dramatisch verschlechtern."

Jetzt Dürren und Sturzfluten, bald Proteste und Hungersnöte?

Und dadurch wird sich auf den Malediven einiges ändern. Zumal auch der Tourismus, der aktuell fast 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, in Gefahr ist. Zeiss zählt die einzelnen Parameter auf: Hitze lässt den Aufenthalt im Freien unangenehm bis gesundheitsgefährdend werden. Stürme und Überschwemmungen untergraben die Planungssicherheit für Reiseveranstalter. Sterben die Riffe, verschwindet eine der Hauptattraktionen für Urlauber.

Und irgendwann werde die Entwicklung wohl auch von Bürgerprotesten und Hungersnöten begleitet, sagt Zeiss: "Denn ohne Fischerei – Stichwort Riffe – wird das Überleben der Einwohner deutlich schwieriger."

Aktivisten vor Ort befürchten Ähnliches. "Unsere traditionelle Art der Landwirtschaft ist für den Anbau von Feldfrüchten vollständig auf den Monsun angewiesen", betont die Meeresbiologin und Umweltberaterin Naff Asim in einem Beitrag für Unicef. Doch der Monsun habe seine Regelmäßigkeit eingebüßt: Dürren lassen nun Quellen versiegen. Und wenn es regnet, dann oft so heftig, dass Pflanzen zerstört werden.

Schadet der Kurs der Regierung mehr, als er nützt?

Die Antwort der Regierung auf die drohende Katastrophe schwimmt dröhnend im Meer: Baggerschiffe saugen Sand aus dem Ozean und türmen ihn andernorts zu künstlichen Inseln wieder auf. Ein Quadratkilometer nach dem anderen wird so gewonnen, das neue Land liegt höher als die alten, natürlichen Inseln.

Doch Umweltschützer bezweifeln, dass der von der Regierung eingeschlagene Kurs hilfreich ist. Im Gegenteil: Sie halten ihn für fatal und selbstzerstörerisch. Denn der heftige Eingriff in die Natur vernichtet unter anderem Korallenriffe. Zu beobachten ist dies etwa rund um die Hauptstadt Malé.

Die Stadt ist einer der am dichtesten besiedelten Orte der Welt. Auf der Hauptinsel der Malediven ist es so eng, dass auch Großfamilien oft in einem einzigen Zimmer hausen. "Die Menschen ersticken, sie brauchen mehr Platz", zitiert die "Neue Zürcher Zeitung" den Sprecher einer lokalen regierungsunabhängigen Organisation, die sich für mehr Wohnraum einsetzt.

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Von 1997 bis 2002 wurde unter anderem die Insel Hulhumalé, drei Kilometer nordöstlich von Malé gelegen, aufgeschüttet. Nun ragen dort Plattenbauten für 66.000 Menschen in den Himmel. Aber weil sie noch lange nicht den Bedarf decken, wird fleißig weiter aufgeschüttet. Die Folge: Aufgewühlter Sand begräbt die verkümmernden Riffe. Schildkröten, Rochen und Haie verschwinden, die Landgewinnung zerstört die Lebensräume der Meeresbewohner.

Auch Luxusurlaubsanbieter setzen auf künstliche Inseln

Die Umweltschutzorganisation Save Maldives findet für das Vorgehen der Regierung drastische Worte: Es sei, wie "die Henne zu töten, die die goldenen Eier legt" – und trotzdem noch zu hoffen, weiter Eier bekommen zu können. Die Ökonomie der Malediven basiere auf Biodiversität und natürlicher Schönheit. Die Regierenden würden dies seit Jahren verkennen.

Die Zerstörung der Riffe verschärft zudem das Problem des steigenden Meeresspiegels, denn mit ihnen verschwindet ein weiterer natürlicher Küstenschutz. Auch der Luxustourismus trägt dazu bei. Weil nicht mehr genügend geeignete Inseln zur Verfügung stehen, würden immer mehr Anbieter auf künstliche Inseln setzen, sagte ein Manager eines Resorts auf einer solchen Insel der Nachrichtenagentur dpa: "Deren Baukosten sind nicht viel höher als die Erschließungskosten für natürliche Inseln."

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Video | Animation zeigt - Auch diese Orte könnten verschwinden
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Quelle: t-online

Gesunde Inseln könnten von allein wachsen

Dezentralisierung und sanfterer Tourismus könnten zur Lösung beitragen. Nur: Die Regierung habe das noch nicht begriffen, sagen die Aktivisten. Statt ständig neue Inseln neben Malé aufzuschütten, müssten sich die Menschen auch auf weiter entfernte Inseln verteilen.

Doch das würde ein Umdenken bedeuten, das auch logistische Herausforderungen mit sich brächte: Statt eines Zentrums müsste es dann mehrere geben, die weiter auseinander liegen. Außerdem gilt: Wer künstlich aufschüttet, kann gleich alles höher anlegen. Hulhumalé zum Beispiel befindet sich jetzt auf einem um einen Meter höheren Niveau als die Nachbarinsel Malé.

Umweltschützer hoffen hingegen auf natürliche Wachstumsprozesse. Bis zu einem gewissen Grad könnten diese dem steigenden Meeresspiegel entgegenwirken. Denn: Die kalkigen Skelette und Schalen von Korallen, Muscheln, Schnecken und Kalkalgen sind wichtige Bausteine tropischer Riffinseln, wie das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung festhält. "Ihre Sedimente bilden die Substanz von Riffinseln und halten sie stabil oder lassen sie sogar wachsen – zumindest, wenn die sie umgebenden Riffsysteme gesund sind."

"Im schlimmsten Fall verlassen viele als Flüchtlinge die Inseln"

Am Ende wird das Schicksal der Malediven aber wohl vor allem davon abhängen, ob der Rest der Welt den Klimawandel stoppen kann. Die maledivische Aktivistin Naff Asim ist überzeugt, dass die Bewohner selbst nur "begrenzt etwas tun" können: "Obwohl wir zu den Ländern mit dem geringsten CO2-Fußabdruck weltweit zählen, sind wir mit am stärksten betroffen." Und die Gruppe Save Maldives appelliert in einer Mail an t-online: "Die von fossilen Brennstoffen abhängigen Gesellschaften sind aufgefordert, die Ausbreitung dieser zerstörerischen Abhängigkeit zu beenden."

Der Tourismusexperte Harald Zeiss glaubt unterdessen, dass die nächsten 10 bis 15 Jahre für die langfristige Zukunft der Malediven entscheidend sind. "Sehr optimistisch bin ich leider nicht", erklärt er. "Im schlimmsten Fall verlassen viele als Flüchtlinge die Inseln."

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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