Rapider Schmelzprozess Forscher alarmiert: Gefahr für Küsten weltweit
Eine Studie zeigt, wie rasant die Antarktis im Westen einst geschmolzen ist. Das könnte bald wieder geschehen.
Untersuchungen eines Bohrkerns aus dem Eis der Westantarktis zeigen dramatische Veränderungen in der Eisdicke vor 8.000 Jahren. Innerhalb von 200 Jahren seien Teile der Eisdecke am Ende der letzten Eiszeit um 450 Meter geschmolzen, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie.
Für die Wissenschaftler sind das alarmierende Erkenntnisse. Denn bislang war zwar bekannt gewesen, dass die Eisdecke der Westantarktis einst größer war als heute. Man wusste aber nicht, wann genau diese begann, abzuschmelzen. Aus dem 600 Meter langen Eiskern kann man Temperaturveränderungen und Schmelzvorgänge ablesen. Für die Forscher überraschend war, wie schnell es mit dem Eisschild ging.
"Wir konnten genau sagen, wann er sich zurückzog, aber wir konnten auch sagen, wie schnell er sich zurückzog", sagte Eric Wolff, einer der Autoren der Studie, dem Sender CNN. Die Gefahr bestehe, dass dies erneut geschehen könnte. "Wenn es anfängt, sich zurückzuziehen, wird es wirklich sehr schnell gehen", sagte Wolff voraus.
Große Gefahr für Küsten weltweit
Das könnte katastrophale Folgen für den globalen Meeresspiegel haben. Das westantarktische Eisschild fasst genug Wasser, um den Meeresspiegel um etwa fünf Meter anzuheben. Das würde ausreichen, um Küstenstädte und Regionen auf der ganzen Welt zu überschwemmen. Die Veränderungen könnten so schnell kommen, dass eine Vorbereitung kaum möglich sei.
Der in der Studie analysierte Eiskern wurde bereits 2019 am "Skytrain Ice Rise" gebohrt, einer Halbinsel in der Westantarktis. Diese befindet sich am Rande des Eisschildes, nahe dem Punkt, an dem das Eis zu schwimmen beginnt und Teil des Ronne-Schelfeises wird.
Im Labor seien die Proben dann untersucht worden, ein zeitaufwändiger Prozess. Man konnte unter anderem durch Isotope im Eis ermitteln, wie sich die Temperaturen entwickelt haben. Luftblasen gaben Aufschluss über die Dicke des Eises.
Prozess wäre nicht mehr aufzuhalten
Man habe die Ergebnisse mehrmals überprüfen müssen, weil sie die Wissenschaftler so überrascht hätten. Der westantarktische Eisschild ist besonders anfällig für den Klimawandel, da das Land unter ihm unterhalb des Meeresspiegels liegt und nach unten abfällt. Wenn warmes Wasser unter das Eisschild gelangt, kann es sehr schnell schmelzen.
"Es kann zu einem rapiden Schmelzprozess kommen, und das ist offensichtlich vor 8.000 Jahren passiert", so Wolff. Wenn dieser Prozess beginne, sei er nicht mehr aufzuhalten.
Zwar waren die Klimabedingungen zum damaligen Zeitpunkt anders als heute. Dennoch sei die Studie erstaunlich, so David Thornally, ein Klimaexperte des englischen University College in London. Sie zeige auf, was geschehe, wenn das Eisschild kollabiert.
In der Westantarktis schmelzen bereits die Gletscher. Die auch als "Endzeit-Gletscher" bezeichnete Thwaites-Formation nimmt rapide an Masse ab. Neueste Studien haben zwar gezeigt, dass die Schmelzrate geringer ist als in Modellrechnungen zunächst vorhergesagt. Das liege an einer Schicht kaltem Wasser, die erst kürzlich entdeckt wurde.
Dennoch kann keine Entwarnung gegeben werden: Denn in manchen Bereichen des Gletschers, der fast so groß wie der US-Bundesstaat Florida ist, dringt warmes Wasser ein. Dort schmilzt das Eisschild nicht nur, sondern bricht auch auf.