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Klimageld: Die Versprechen der Parteien – zu viel, um wahr zu sein?


Wir müssen über Geld reden
200 Euro für jeden: Zu viel, um wahr zu sein?

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

14.02.2025 - 15:37 UhrLesedauer: 5 Min.
Friedrich Merz: Mit wem wird er nach der Wahl koalieren?Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz, Kanzlerkandidat und Vorsitzender der CDU: Hat er tatsächlich ein Klimageld versprochen? (Quelle: Christoph Reichwein)
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Einen Klimabonus von 200 Euro pro Monat kündigte Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) beim TV-Duell entschlossen an. In der Realität dürfte die Prämie sehr viel geringer ausfallen.

200 Euro mehr auf dem Konto, und das jeden Monat? Ich wäre glatt versucht, eine Partei zu wählen, die das ernsthaft umsetzen würde. Im TV-Duell der Kanzlerkandidaten hatte Friedrich Merz (CDU) genau dies angekündigt: "Es sollten 200 Euro im Monat sein, die ausgezahlt werden an diejenigen, die die CO2-Bepreisung zu bezahlen haben", sagte Merz. "Das muss gemacht werden."

Was meinte er also damit? Das habe nicht nur ich mich im Anschluss gefragt, sondern so mancher politische Beobachter. Merz' Aussage klang nämlich so, als verspreche er ein Klimageld. Die Idee dahinter ist simpel: Über den stetig ansteigenden CO2-Preis, der auf jede Tonne CO2 erhoben wird, verteuert sich der Energieverbrauch. Ein Teil dieser Einnahmen soll darum als Klimageld pro Kopf an jeden Bürger zurückgezahlt werden und ihn so entlasten. Grundsätzlich sind sich viele Experten einig: Das Klimageld wäre nicht nur ein Instrument, das zur Entlastung geeignet ist, sondern könnte auch die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen erhöhen.

Der einzelne Bürger sieht nicht, dass er etwas zurückbekommt

Überraschend ist Merz‘ Aussage, weil sie nicht richtig zum Wahlprogramm der CDU passt. Darin steht zwar, dass die Union einen sogenannten Klimabonus einführen will, um Bürger und Bürgerinnen zu entlasten. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis sollen aber nicht unbedingt ausgezahlt, sondern "zuerst" dafür genutzt werden, die Stromsteuer und Netzentgelte zu senken.

Das ist nicht neu. Ein Teil der Einnahmen wird aktuell genutzt, um den Strompreis für energieintensive Industrien abzumildern. Außerdem werden damit Programme finanziert, um die Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln und klimafreundliche Heizungen einzubauen. Der einzelne Bürger aber sieht nicht konkret, dass er etwas zurückbekommt.

Sara Schurmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom Medium Magazin zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

Das versprechen die anderen Parteien

Was also versprechen die anderen Parteien, um für Entlastung zu sorgen? Und was wäre wirklich notwendig?

Tatsächlich greifen viele Parteien die Idee des Klimagelds in unterschiedlicher Form in ihren Wahlprogrammen auf:

  • Die SPD will ab 2027 ein sozial gestaffeltes Klimageld einführen. Das heißt: Nicht alle bekommen gleich viel, sondern Menschen mit geringerem Einkommen mehr als solche mit einem hohen Einkommen.
  • Die Grünen wollen "so schnell wie möglich" Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen entlasten.
  • Auch die FDP will im Wesentlichen ein Klimageld einführen. Sie nennt es "Klimadividende" und will diese pauschal pro Kopf auszahlen.
  • Die Linke möchte ein Klimageld rückwirkend zum 1. Januar 2025 auszahlen und nennt als einzige Partei eine konkrete Summe: 320 Euro pro Person pro Jahr. Das Klimageld soll besteuert werden, wodurch niedrige und mittlere Einkommen mehr profitieren.
  • AfD und BSW wollen die Verteuerung durch CO2-Preise nicht ausgleichen, sondern diese gleich ganz abschaffen.

Es gibt unterschiedliche Berechnungen, wie hoch ein Klimageld ausfallen könnte und sollte. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet in einem Szenario mit 124 Euro pro Person pro Jahr, empfiehlt aber, Haushalte mit niedrigen Einkommen und hohem Energieverbrauch zusätzlich zu entlasten.

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft rechnete im Auftrag von Greenpeace vor, dass 317 Euro pro Kopf pro Jahr ausgezahlt werden könnten – wenn man dafür alle Einnahmen aus der nationalen und europäischen CO2-Bepreisung verwendet. Das wären mehr als 1.200 Euro für eine vierköpfige Familie.

Wer profitiert, wer verliert?

Eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung von 2023 geht davon aus, dass knapp die Hälfte der Haushalte davon profitieren würde, wenn alle Einnahmen durch den CO2-Preis pauschal pro Kopf wieder ausgeschüttet würden. 49 Prozent bekämen durch die Auszahlung mehr Geld, als sie wegen des CO2-Preises ausgeben würden. Mit einem Plus rechnen könnten vor allem Haushalte, die wenig verdienen und wenig Energie verbrauchen.

Doch trotz dieser Maßnahme müssten noch immer knapp 4,7 Millionen Haushalte mehr als zwei Prozent ihres Nettoeinkommens dafür verwenden, um den steigenden CO2-Preis zu bezahlen. Besonders stark betroffen wären demnach Menschen, die über ein mittleres Einkommen verfügen, auf dem Land leben und ältere Immobilien besitzen – also auch meine Familie.

Der Kauf einer Wärmepumpe würde meine Oma überfordern

Nur ein Beispiel: Im Januar 2025 wurde der nationale CO2-Preis für Benzin, Heizöl und Gas von 45 auf 55 Euro pro Tonne erhöht, 2026 soll er auf 65 Euro steigen. 2027 wird er voraussichtlich noch mal deutlich teurer. Dann startet die nächste Stufe des europäischen CO2-Emissionshandels. Auch der CO2-Preis im Gebäude- und Verkehrssektor wird dann nicht mehr in jedem Land einzeln politisch festgelegt, sondern EU-weit über den Handel von CO2-Zertifikaten an der Börse gebildet. Bisher gilt das vor allem für Energieunternehmen und die energieintensiven Industrien. Eine Tonne CO2 könnte Prognosen zufolge dann innerhalb weniger Jahre 300 Euro kosten.

Als Mieterin in der Großstadt, ohne Auto, trifft mich das aktuell zwar weniger. Sosehr ich dafür bin, die Emissionen zu senken, so sehr tut es mir aber weh, wenn meine Großmutter von ihrer Rente immer höhere Gaspreise zahlen und mein Vater steigende Benzinpreise finanzieren muss, um auf dem Land täglich zur Arbeit zu kommen. Meine Oma könnte weniger heizen, mein Vater müsste vermutlich noch etwas sparsamer Auto fahren. Aber alte Menschen frieren nun mal schneller, und irgendwann bringt auch Sparen beim Heizen nichts mehr. Die Investition in eine Wärmepumpe würde meine Oma aber organisatorisch und auch finanziell trotz Förderung aktuell überfordern. Und für meinen Vater ist es auch keine Option, mit dem Fahrrad oder Bus zur Arbeit zu fahren.

Ein Pro-Kopf-Klimageld reicht nicht aus

Das Fazit der meisten Forschenden lautet daher: Ein Pro-Kopf-Klimageld alleine reicht nicht aus, um soziale Verwerfungen durch den CO2-Preis auszugleichen. Sie empfehlen etwa, die Sanierung von Gebäuden zu beschleunigen und öffentliche Verkehrsmittel auszubauen, besonders auf dem Land. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel vom Januar 2025. Die ärmsten zehn Prozent müssen demnach einen doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für CO2-Kosten ausgeben wie reiche Haushalte. Es wird empfohlen, ein nach Einkommen abgestuftes Klimageld einzuführen und zusätzlich unter anderem die Stromkosten zu senken und die Transformation von Energie-, Wärme- und Transportnetzen staatlich zu organisieren und zu finanzieren.

Kommunale Wärmeversorgung könnte ein Teil der Lösung sein

Konkret könnte das etwa bedeuten, dass meine Großmutter in ihrem Fachwerkhaus nicht selbst eine Wärmepumpe einbauen und Solarpaneele auf dem Dach installieren müsste, sondern die Gemeinde eine kommunale Wärmeversorgung anbietet. Lokale Wärmenetze können etwa durch Heizkraftwerke, Biogasanlagen, Geo- oder Solarthermieanlagen gespeist werden, oder auch durch Betriebe, die Abwärme liefern. Das wird nicht jedes Haus in dünn besiedelten Gebieten erreichen, würde da, wo es geht, aber viele Haushalte entlasten – nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch. Das könnte die nötige Transformation möglicherweise sogar beschleunigen.

Bis das der Fall ist, benötigen Menschen wie meine Oma wenigstens ein angemessenes Klimageld, das ihnen hilft, die zusätzlichen Kosten zu stemmen, die sie nicht einsparen oder aus eigener Kraft umstellen können.

Ob das tatsächlich eingeführt wird, wird sich in der kommenden Legislaturperiode zeigen. Absichtserklärungen in Parteiprogrammen allein reichen nicht, und selbst wenn es in einem Koalitionsvertrag steht, ist das noch keine Garantie dafür, dass es auch kommt – das hat die Ampelregierung ja bewiesen. Eine Hürde zumindest hat diese 2024 beseitigt und das Vorhaben damit zumindest wahrscheinlicher gemacht: Mitte Dezember wurde erstmals der rechtliche Rahmen geschaffen, um Gelder überhaupt direkt an die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auszahlen zu können.

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