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Welche Folgeschäden hat der Einsatz von Glyphosat?


Umstrittener Unkrautvernichter
Deswegen wollen Politiker jetzt Glyphosat verbieten

Das EU-Parlament will Glyphosat ab 2022 verbieten. Der Rat der Mitgliedsländer hat die Entscheidung, ob der Unkrautvernichter von europäischen Äckern verbannt wird, zunächst vertagt. Seit Jahren wird über die Folgeschäden des Mittels gestritten. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Aktualisiert am 14.12.2017|Lesedauer: 3 Min.
dpa, afp, t-online, Annett Stein
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Wo Glyphosat auf Pflanzen gesprüht wird, wächst sprichwörtlich kein Gras mehr; und auch kein Kraut, Strauch oder Moos. Glyphosat ist ein sogenanntes Total-Herbizid. Es wirkt auf sämtliche grüne Pflanzen und hat damit ein so breites Spektrum wie kaum ein anderer herbizider Wirkstoff. Es blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung lebenswichtiger Aminosäuren brauchen, das aber auch in Pilzen und Mikroorganismen vorkommt.

Herbizide in der LandwirtschaftVergrößern des Bildes
Ein Landwirt sprüht mit einem Traktor und Ausleger selektive Herbizide zur Vernichtung von Unkraut auf ein Feld mit Zuckerrüben bei Münstedt im Landkreis Peine (Niedersachsen). Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ist auch in Rheinland-Pfalz ein Zankapfel. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa)

Der wasserlösliche Wirkstoff wird über die Blätter aufgenommen und geht in alle Pflanzenteile, auch die Wurzel. Das ist beipielsweise für die Verwendung an Bahngleisen sehr wichtig. Nach einer monatelangen Hängepartie hatte die EU-Kommission Ende Juni vergangenen Jahres die Zulassung für Glyphosat vorerst um anderthalb Jahre verlängert. Heute soll die endgültige Entscheidung fallen.

Wo wird Glyphosat eingesetzt?

Glyphosat dominiert den Herbizid-Weltmarkt in der Menge, der Einsatzhäufigkeit und auch der Fläche. Auf rund 400 Millionen Hektar überwiegend landwirtschaftlich bewirtschafteter Fläche weltweit komme Glyphosat zum Einsatz, heißt es in einem Bericht des Marktforschungsunternehmens Kleffmann Group.

"Der Wirkstoff hat eine extrem breite Zulassung und ist sehr preiswert", sagt Horst-Henning Steinmann von der Universität Göttingen. Große Bedeutung habe das Herbizid in Deutschland im Ackerau sowie im Wein- und Obstbau, bei Privatanwendern und Bundesbahn. Ackerflächen könnten vor oder kurz nach der Aussaat und nochmals nach der Ernte mit Glyphosat unkrautfrei gemacht werden. Generell glyphosatfrei ist der ökologische Landbau.

Welche Folgen hat der Einsatz für die Umwelt?

Mit der nahezu vollständigen Vernichtung aller Kräuter und Gräser auf dem Acker sinke nicht nur die Zahl der Pflanzen stark, heißt es vom Umweltbundesamt (UBA). Dies entziehe allen an Ackerlebensräume gebundenen Arten wie Insekten und Feldvögeln großflächig die Lebensgrundlage. Ganze Nahrungsnetze könnten zusammenbrechen. "Mit circa 50 Prozent der Landesfläche stellen Agrarlandschaften einen Hauptteil unserer Landschaft dar, sie sind für die Artenvielfalt in Deutschland von großer Bedeutung", heißt es weiter.

Der Nabu meldete vor wenigen Tagen, dass die Zahl der Insekten um 80 Prozent zurückgegangen sei – gefolgt von einem massiven Rückgang der Vögel. Besonders kritisch hierbei ist, dass aufgrund der fehlenden Insekten, die für eine Bestäubung der Blüten sorgen und ein natürlicher Schädlingsvernichter sind, sich auch die Ernteausfälle häufen. Dies konnten die Landwirte bereits in diesem Jahr spüren.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert zudem nicht nur die schweren Folgen für Menschen (Missbildungen, Schädigung des Nervensystems etc.) – in seinen Papieren macht er auf eine mögliche Resistenz bestimmter Pflanzen aufmerksam. Glyphosat könnte damit seine herbizide Wirkung langfristig verlieren – und sich im Grundwasser sammeln.

Ist Glyphosat schädlich für den Menschen?

Welche Auswirkungen der Wirkstoff auf den Menschen hat, ist umstritten. In verschiedenen Studien kommen Wissenschaftler zu unterschiedlichen Ergebnissen: Mal zeigt sich eine krebserregende Wirkung, mal wird der Wirkstoff für unbedenklich eingestuft.

Die Internationale Krebsforschungsagentur stuft die Chemikalie als "wahrscheinlich krebserregend" ein. In einer Debatte des EU-Parlaments führte das zu einer kuriosen Situation: Die meisten Experten behaupteten eine Gesundheitsgefahr, die EU-Behörden wiesen das aber zurück. Ohnehin wird EU-Behörden und auch dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung eine zu große Nähe zur Glyphosat-Lobby nachgesagt:

Wer verkauft Glyphosat?

Der US-Konzern Monsanto entwickelte den Wirkstoff für die Unkrautvernichtung, 1974 wurde er erstmals zugelassen. Monsanto vertreibt auf Glyphosat basierende Breitbandherbizide etwa unter dem Markennamen "Roundup". Im Jahr 2000 lief das Patent auf die Substanz aus, seither wird Glyphosat von über 40 weiteren Herstellern vertrieben. "Monsanto ist aber weiter Marktführer", sagt Küchler.

Der Konzern verkauft nicht nur Roundup, sondern auch gentechnisch veränderte Nutzpflanzen (GVO) wie Mais und Soja, die Glyphosat tolerieren. Die Felder können damit auch dann noch behandelt werden, wenn die Pflanzen bereits ein Stück gewachsen sind.

Welche Mengen werden verkauft?

"Glyphosat-haltige Mittel sind die am häufigsten eingesetzten Herbizide", sagt Küchler. Rund 850.000 Tonnen werden nach Schätzungen jährlich verkauft, 90 Prozent davon zum Einsatz in der Landwirtschaft. Die in Deutschland verkaufte Menge liegt bei etwa 5000 Tonnen, wie Küchler sagt. Ein Wachstumsmarkt sei derzeit vor allem der kombinierte Einsatz von resistenten Pflanzen und Glyphosat in Nord- und Südamerika.

Update (25.10.2017, 11.36 Uhr): Die EU-Staaten haben am Mittwoch keine Entscheidung zur weiteren Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat getroffen. Wie die EU-Kommission mitteilte, fand im zuständigen Fachausschuss der Mitgliedstaaten "keine Abstimmung" zu der Frage statt. Die EU-Behörde kündigte an, in Kürze einen Termin für ein weiteres Treffen bekannt zu geben.

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