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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Milieuschutz Wohnen in sozialen Erhaltungsgebieten
Berlin (dpa/tmn) - Wohnen zur Miete wird in vielen Städten von Jahr zu Jahr teurer. Das zeigt etwa eine Auswertung des Hamburger Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung. Wer sich das nicht mehr leisten kann, muss umziehen.
Manche Städte wollen dem mit einem sogenannten Milieuschutz entgegenwirken. Entsprechende Satzungen oder Verordnungen gibt es etwa in Hamburg, Berlin, Frankfurt und München. Wie viele es insgesamt sind, ist nicht bekannt. Aber was bedeutet das? Fragen und Antworten:
Worum geht es?
Modernisieren Vermieter eine Wohnung, können sie unter bestimmten Voraussetzungen die Miete erhöhen. Werden viele Gebäude aufgewertet, etwa in Quartieren mit altem Baustandard, kann dies einen Verdrängungsprozess auslösen: Die Mieten könnten so stark steigen, dass es für viele zu teuer wird.
Ein Problem ist das nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Städte, erklärt Rechtsanwalt Peter Durinke, der vor allem Verwaltungen und Eigentümer vertritt.
"Ein klassisches Argument ist, dass dann an anderer Stelle im Gemeindegebiet preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden müsste, damit die betroffenen Menschen überhaupt die Chance haben, Wohnungen zu finden", erklärt Durinke. Das können Gemeinden oft nicht leisten.
Gehe es um ein Gebiet mit vielen Familien, so ein anderes Argument, müsse am neuen Wohnort zudem eine passende soziale Infrastruktur geschaffen werden - etwa Kindergärten und Schulen.
Was ist das Ziel von Milieuschutz?
Der Grundgedanke des Milieuschutzes ist nicht, einzelne Mieter zu schützen - sondern die Struktur in bestimmten Gegenden. Dabei hilftParagraf 172 des Baugesetzbuchs: Danach dürfen Gemeinden in einem Bebauungsplan oder mit einer sonstigen Satzung Gebiete bezeichnen, in denen Gebäude nur mit Genehmigung rückgebaut oder geändert werden dürfen. Auch der Nutzungsänderung - etwa die Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum - muss die zuständige Behörde zustimmen.
Die Regelung zielt auf drei unterschiedliche Situationen ab: das Stadtbild, die "städtebauliche Eigenart des Gebiets" zu erhalten, ein Gebiet umzustrukturieren oder die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Letzteres ist auch als Milieuschutz bekannt. "Das äußere Erscheinungsbild der Gebäude ist vollkommen egal, sondern es geht darum, für wen Wohnraum zur Verfügung gestellt wird", so Durinke.
Wie erfahren Eigentümer und Mieter, ob sie betroffen sind?
Über die Gebiete entscheidet die jeweilige Gemeinde. In den meisten Bundesländern werden dafür Erhaltungssatzungen erlassen. Da die Verwaltung der Stadtstaaten anders aufgebaut ist, heißen die Rechtsgrundlagen dort Erhaltungsverordnung. "Inhaltlich macht das keinen Unterschied", erklärt Durinke.
Die Satzungen und -verordnungen müssen bekannt gemacht werden. Die Städte informieren oft online, welches Gebiet unter Milieuschutz steht, sagt Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Dort werde auch dargestellt, welche Gebiete in Planung seien. Alternativ könne man sich beim zuständigen Amt erkundigen.
Welche Auswirkungen hat dies in der Praxis?
Vereinfacht gesagt: Teure Sanierungen - und damit letztlich auch steigende Mieten - werden dadurch schwerer. "Umbaumaßnahmen sind nicht verboten, aber sie müssen von der Baubehörde oder dem Bauordnungsamt genehmigt worden sein", erklärt Chychla. Aber: "Soziale Erhaltungssatzungen erstrecken sich nur auf den Bestand, nicht auf Neubauten."
Oft genehmigt werden nach Chychlas Erfahrung etwa der Einbau eines Aufzugs, einer Einbauküche oder eines kleinen Balkons. Genehmigt werden muss auch, wenn die Wohnung an den Mindeststandard nach Bauordnungsrecht oder Energieeinsparverordnung angepasst werden soll.
"Alles, von dem man sagt, dass man es für die normale Nutzung der Wohnung nicht dringend braucht, auch wenn es schön wäre, ist nicht genehmigungsfähig, wenn es kostentreibend ist", so Durinkes Faustformel. Oft sind das etwa Fußbodenheizungen, ein Kamin oder ein zweiter Balkon, aber manchmal auch ein Kinderspielplatz.
Die Behörden entscheiden deutschlandweit nicht einheitlich. Was erlaubt ist, ist oft Auslegungssache: So kann laut Verwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der nachträgliche Einbau eines Fahrstuhls ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn im Gebiet eine überdurchschnittlich hohe Verdrängungsgefahr besteht und der Einbau des Aufzugs diese Entwicklung verstärken könnte (Az.: OVG 10 B 9.11) - selbst wenn das Baurecht wegen der Geschosszahl einen Aufzug erlaubt.
Was bedeutet es für Eigentümer?
"Eigentümer können ihre Wohnung nicht so gestalten, wie sie möchten, obwohl es baurechtlich - also von der Statik her - und nach dem Wohneigentumsgesetz eigentlich möglich wäre", erklärt Lothar Blaschke vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN).
So werden etwa Grundrissänderungen, durch die sich die Zimmerzahl ändert, oft abgelehnt. Die jeweilige Landesregierung kann außerdem festlegen, dass Mietwohnungen in Milieuschutzgebieten nicht ohne weiteres in Wohneigentum umgewandelt werden dürfen. Dafür ist dann zuerst eine Genehmigung einzuholen, sagt Durinke.
Bei einem Verkauf könne zudem der Preis der Wohnung niedriger sein als erhofft: "Ich habe natürlich beim Preis Nachlässe, weil ich nicht den gleichen Standard anbieten kann wie in anderen Wohngebieten."
In Milieuschutzgebieten hat die jeweilige Gemeinde zudem nach Paragraf 24 des Baugesetzbuchs ein Vorkaufsrecht. Teilweise müssen sich potenzielle Käufer stattdessen vertraglich dazu verpflichten, bestimmte Vorgaben einzuhalten, erklärt Durinke.
Was haben Mieter davon?
Zunächst einmal: Milieuschutz soll die Zusammensetzung im Gebiet schützen - nicht einzelne Mieter. Mieter können also keine eigenen Rechte aus der Satzung oder Verordnung ableiten.
Kündigen Vermieter eine Modernisierungsmaßnahme an, können Mieter allerdings beim zuständigen Amt nachfragen, ob diese genehmigt wurde, rät Chychla - und gegebenenfalls darauf hinweisen, dass sie im Milieuschutzgebiet nicht genehmigungsfähig ist. Genehmigt ein Amt Umbauten zu Unrecht, können Mieter zivilrechtlich gegen die Mietsteigerung vorgehen, erklärt Durinke.