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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Profitieren unseriöse Anbieter? Handwerk beklagt dramatischen Fachkräftemangel
Es wird gemauert, gestrichen und gefliest was das Zeug hält. Handwerker haben so viel zu tun, dass Aufträge immer länger liegen bleiben oder gar nicht mehr angenommen werden. Der Handwerkermangel führt zu Frust – beim Kunden wie auch beim Handwerk selbst.
Viele Handwerksbetriebe sind auf Monate ausgebucht und suchen verzweifelt Fachkräfte. "Derzeit sind die Auftragsbücher unserer Betriebe teils so sehr gefüllt, dass sie sogar schon Aufträge ablehnen müssen, weil sie schlicht nicht genügend Fachkräfte haben, um alles abzuarbeiten", berichtet der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Fast die Hälfte der Firmen habe Schwierigkeiten, Personal zu finden. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen bezifferte der Verband auf rund 150.000 – vermutlich liege sie aber noch höher.
Es fehlt an Nachwuchs
Die Gründe für diese Entwicklung liegen laut ZDH in sinkenden Schulabgängerzahlen und einer erhöhten Neigung zu studieren. "Damit ging die Entwertung der dualen Ausbildung einher", bemängelt der Verband. "Über viele Jahre haben sich zu wenig Jugendliche für eine Lehre im Handwerk entschieden." Notwendig sei ein Bewusstseinswandel: "Einer beruflichen Ausbildung muss wieder die Wertschätzung unserer Gesellschaft entgegengebracht werden, die ihr gebührt."
Im Rahmen einer Pressekonferenz des ZDH in Boppard zur Herbstkonferenz der Hauptgeschäftsführer der 53 Handwerkskammern sollen diese Themen am Mittwoch diskutiert werden. "Wir brauchen eine ausgewogene Balance von beruflich wie akademisch Ausgebildeten, sonst wird das Fundament unserer Wirtschaft brüchig."
Unseriöse Anbieter könnten Mangel ausnutzen
Ob das alles auch Folgen für den Ruf von Handwerkern oder die Qualität ihrer Arbeit hat? Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg verneint dies für ihren Beritt. "Sicher ist es sehr schwer, einen Handwerker zu finden", sagt Matthias Bauer von der Abteilung Bau und Wohnen. "Aber dass da vermehrt geschludert wird, kann ich nicht bestätigen." Die Zahl der Beschwerden über Handwerkermängel oder Handwerkerrechnungen – rund 500 jährlich – sei in etwa unverändert.
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Statistiken dazu gibt es nach Worten Claus Michelsen, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht. Für ihn ist aber klar, dass der Termindruck bei den Unternehmen Spuren hinterlässt. "Die höheren Preise und die langen Wartezeiten kratzen am Image des soliden Handwerks." Bauer fügt hinzu: "Es ist längst kein Verbrauchermarkt mehr. Sondern ein Handwerkermarkt." Ihm bereitet Sorgen, dass sich mehr und mehr unseriöse Anbieter breit machen könnten. "Leute, die nicht mal einen Meistertitel haben, führen dann beispielsweise Elektroarbeiten aus."
Dass durch den Handwerkermangel langfristig auch die Schwarzarbeit profitieren könnte, glaubt Michelsen aber nicht und auch Bernhard Boockmann vom Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) verneint dies. Gute Konjunktur verdränge in der Regel Schattenwirtschaft, sagt der Wissenschaftler. "Es könnte aber sein, dass wegen der hohen Nachfrage vermehrt Betriebe vor allem aus Osteuropa auf den deutschen Markt strömen."
- dpa