Natürliche Geburt im zweiten Anlauf Einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt - das gilt nicht mehr
Viele Mütter, die per Kaiserschnitt entbunden wurden, wünschen sich für ein weiteres Kind eine natürliche Geburt, fürchten jedoch Komplikationen. Das sagt ein Gynäkologe dazu.
Rund ein Drittel der Babys in Deutschland kommt per Kaiserschnitt zur Welt. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber nicht immer medizinisch notwendig. Unbestritten ist, dass der Kaiserschnitt Leben rettet und die Geburtshilfe sicherer und planbarer gemacht hat.
Natürliche Geburt ist nach Kaiserschnitt nicht ausgeschlossen
Frauen, die nach einem Kaiserschnitt erneut schwanger werden, und diesmal auf natürliche Weise gebären wollen, fürchten vor allem das erhöhte Risiko, dass dabei die Gebärmutter reißt (Uterusruptur). Lange galt daher die Aussage: einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt.
"Das stimmt so schon lange nicht mehr", sagt Sven Kehl, Oberarzt der Frauenklinik im Universitätsklinikum Erlangen. "War die vorangegangene Geburt ein Kaiserschnitt, ist etwa bei zehn Prozent dieser Frauen erneut ein Kaiserschnitt (Re-Sectio) nötig - zum Beispiel, wenn das Baby in Querlage im Bauch liegt."
Was für eine natürliche Entbindung spricht
Wie viele Frauen nach einem Kaiserschnitt eine natürliche Geburt anstreben, lässt sich nicht beziffern, da es zwischen den einzelnen Kliniken und den verschiedenen Klinikgrößen erhebliche Unterschiede gibt. "In unserer Klinik wagen rund 62 Prozent der Kaiserschnitt-Mütter einen zweiten beziehungsweise dritten Versuch", sagt Kehl.
Für eine natürliche Geburt sprechen seiner Meinung nach folgende Gründe:
- Wahrscheinlichkeit für eine Spontangeburt ist hoch
- das Risiko für Plazentastörungen in weiteren Schwangerschaften wird nicht erhöht
- langfristig gesehen, profitiert das Kind
- Entbindung in einer Klinik mit guter Struktur (ständige Verfügbarkeit und Durchführbarkeit einer Notsectio)
So groß ist das Risiko einer Uterusruptur
Die Gefahr ist die Uterusruptur. Bei Frauen ohne Voroperation und Narbe reißt die Gebärmutter laut der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) bei 0,5 bis zwei von 10.000 Geburten vor - das ist extrem selten.
"Nach einer Sectio steigt die Wahrscheinlichkeit auf rund 75 von 10.000 Geburten. Sie liegt mit circa 0,75 also immer noch unter einem Prozent", erklärt Kehl. Das Risiko könne sich aber weiter erhöhen, wenn der letzte Kaiserschnitt noch nicht lange zurück liege oder die Geburt durch Medikamente eingeleitet werde.
"Das effektivste Medikament zur Geburtseinleitung – Misoprostol, ein synthetisches Prostaglandin-E1-Analogon – darf nach deshalb Kaiserschnitt nicht verwendet werden, da hier das Risiko für eine Ruptur zu hoch ist", erklärt Kehl. Generell würden natürliche Geburten nach vorherigem Kaiserschnitt grundsätzlich engmaschiger überwacht.
Wenn die Gebärmutter reißt
Tritt der gefürchtete Ernstfall, ein Gebärmutterriss, tatsächlich ein, ist schnelles Handeln gefragt, um das Leben von Mutter und Kind nicht in Gefahr zu bringen.
Gynäkologe Kehl sagt dazu: "Wenn eine Uterusruptur (meist während der Austreibungsperiode) vermutet wird, findet ein (Not)-Kaiserschnitt statt. Die Gebärmutter wird danach wieder vernäht. Nur bei starken, nicht stillbaren Blutungen muss eine Hysterektomie (Gebärmutterentfernung) erfolgen."
Kaiserschnittnarbe messen
Seit einiger Zeit wird untersucht, ob es sinnvoll ist, die Kaiserschnittnarbe vor einer vaginalen Entbindung zu messen, um so Rückschlüsse auf die Sicherheit zu gewinnen. "Die Daten dazu sind noch nicht ausreichend", meint Kehl. "Es wird in den internationalen Leitlinien daher aktuell nicht empfohlen." Das größte Problem dabei sein, dass ein echter Grenzwert nicht definiert werden könne.
Frauen, die sich nach einem Kaiserschnitt eine natürliche Geburt wünschen, sollten dies mit ihrem Arzt besprechen, rät Kehl. Ein einheitliches, standardisiertes Vorgehen gibt es nicht, jeder Fall muss individuell betrachtet werden. Die Chancen für eine Spontangeburt stehen aber prinzipiell gut.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.