Käseschmiere, Apgar, Vitamin K Das passiert mit Babys nach der Geburt
Was nach der Geburt auf das Baby zukommt, wissen viele werdende Eltern nicht. Dabei gibt es eine Reihe von Tests und Medikamenten. Was wirklich notwendig ist und wo man sich frei entscheiden kann.
Wie die Frau eine Geburt erlebt und wie danach mit dem Baby umgegangen wird, hängt stark davon ab, wo, wie und mit wem sie entbindet - und worauf sie selbst Wert legt. Werdende Eltern können bereits im Vorfeld deutlich machen, was sie möchten und vor allem, was sie nicht möchten.
Falsche Erwartungen bei den Eltern
"Die häufigste - und folgenschwerste - falsche Erwartung ist, zu denken, dass die Geburtshelfer schon wissen werden, wie es gut ist. Egal, wie liebevoll und achtsam Ihre Geburtshelfer sind, sie stecken nicht in Ihrem Körper und in Ihrer Seele, sie kennen nicht Ihre Geschichte und Ihre Vorlieben", sagt die Wissenschaftsjournalistin Nicola Schmidt in ihrem Buch "Artgerecht".
Daher sollten Mütter sich genau überlegen, wie sie gebären wollten, den richtigen Ort, die richtigen Helfer und den richtigen Ablauf suchen und ihre Bedürfnisse mitteilen.
Apgar-Test ist notwendig
Der Trend geht, auch in Krankenhäusern, zu einer "natürlichen“ Geburt, bei der man Mutter und Kind während und nach der Geburt Zeit und Raum lässt.
Ist die Geburt normal verlaufen, werden Augen, Nase und Mund des Säuglings erst einmal von Blut und Schleim befreit. Das Neugeborene darf dann gleich so wie es ist zu seiner Mama, damit die beiden sich "beschnuppern" können. Trotzdem: der Apgar-Test muss gemacht werden. Eine Minute nach der Geburt und dann noch einmal ein paar Minuten später.
Diesen Test bekommen die frischgebackenen Eltern aber meist gar nicht richtig mit. Er wird heute teilweise sogar auf dem Bauch der Mutter durchgeführt. Die Hebamme beurteilt die Hautfarbe des Säuglings, den Gesichtsausdruck, Muskeltonus, Atmung und Herzschlag. Die Ergebnisse des Apgar-Tests zeigen, wie das Baby die Geburt überstanden hat und ob es sich gut an die Welt draußen anpassen kann.
Bei der U1 werden Reflexe getestet
"Bei uns in der Uniklinik Erlangen bleiben Mutter und Kind etwa zwei Stunden lang in unserer Obhut. Dabei sehen wir uns die Säuglinge immer wieder genau an und beobachten ihr Verhalten und ihr Aussehen", erklärt die Hebamme Alexandra Mück.
Im ersten Moment könnten viele Neugeborene noch gar nicht wirklich vollständig rosig sein. In dieser Zeit wird auch die U1 durchgeführt, bei der zum Beispiel die Reflexe getestet werden. Dazu wird Blut aus der Nabelschnurarterie genommen und der pH-Wert getestet, um sicherzugehen, dass das Baby mit genügend Sauerstoff versehen ist.
Käseschmiere nicht abwischen
Baden, messen und wiegen haben Zeit - manchmal werden die Säuglinge ganz vorsichtig ein wenig abgewaschen. Die so genannte Käseschmiere aber, die das Kind im Mutterleib vor Infektionen und auch vor Austrocknung durch das Fruchtwasser schützt, verbleibt möglichst auf der Haut.
"Manche Babys sind ganz weiß, andere haben diese natürliche Hautcreme, die bald ganz einzieht, nur noch in den Hautfalten. Je reifer ein Kind ist, desto weniger Käseschmiere ist vorhanden."
Warmes Tuch gegen Auskühlung
Inzwischen ist es fast überall üblich, ein warmes Tuch um das nackte Baby zu wickeln, um das Auskühlen zu verhindern. Dennoch ist es besser, sich im Vorfeld zu erkundigen, ob auf solche Aspekte geachtet wird. Wichtig sei laut der Hebamme auch, dass sich die Frauen nicht unter Erwartungsdruck setzen ließen.
"Nicht jedes Kind fängt gleich auf dem Bauch der Mutter an, eifrig nach der Milchquelle zu suchen. Eine Geburt ist auch für ein Kind anstrengend und so manches Neugeborene braucht einige Stunden Zeit, um sich auf das Leben draußen einzustellen", so die Hebamme.
Durch das weit verbreitete Rooming-In, bei dem das Baby bei seiner Mama bleibt, ist dafür genügend Zeit vorhanden. Ein weiterer Vorteil: Verwechslungen sind fast ausgeschlossen. Trotzdem bekommt das Kind in den Kliniken zur Sicherheit ein, manchmal sogar zwei Armbänder.
Vitamin K verhindert innere Blutungen
Üblich, aber nicht unumstritten ist die Vitamin-K-Prophylaxe nach der Geburt. Das Vitamin K spielt eine entscheidende Rolle bei der Blutgerinnung und laut dem deutschen Ärzteblatt käme es ohne diese Vorsorge bei sieben von 100.000 Säuglingen zu einer Vitamin-K-Mangelblutung.
Das kann direkt nach der Geburt passieren, aber auch in den ersten Lebenswochen. Die Kinder bluten dann zum Beispiel aus dem Mund, der Nase, dem Po oder auch aus dem Nabelschnurrest. Kommt es in diesem Zusammenhang zu inneren Blutungen, beispielsweise einer Hirnblutung, kann das nicht nur dauerhafte Schäden zur Folge haben, sondern sogar lebensgefährlich werden.
Vitamin-K-Gabe nicht krebserregend
Die Vitamin-K-Gabe erfolgt heute oral in Form von Tropfen während der ersten drei Vorsorgeuntersuchungen. Die finden am ersten und am dritten Lebenstag sowie etwa nach einem Monat statt. Nach aktuellem medizinischen Stand sind keine Nebenwirkungen bekannt und auch die vor rund zwanzig Jahren entstandene Vermutung, die Vitamin-K-Gabe könnte Krebs auslösen, ist inzwischen wissenschaftlich widerlegt.
Bei Frühgeburten, Kaiserschnitten, Geburtsverletzungen oder Atem- oder Leberproblemen wird eine Vitamin-K-Gabe dringend empfohlen. Dasselbe gilt für Mütter, die während der Schwangerschaft zum Beispiel unter einer Cholestase litten oder Medikamente gegen Epilepsie, Tuberkulose oder Blutgerinnsel nehmen mussten.
Eltern können entscheiden
Vor allem Geburtsstress kann den Vitamin-K-Spiegel negativ beeinflussen. Wenn Babys wirklich Vitamin K bräuchten, dann würde es bei der Geburt gleich mitgeliefert - so lautet ein Argument gegen die Vitamin-K-Gabe. Prinzipiell geschieht das auch, denn das Kolostrum, die Vormilch, also die erste Milch überhaupt, ist sehr Vitamin-K-haltig.
Trotzdem: Eine Garantie, dass die Vitamin-K-Speicher wirklich komplett aufgefüllt werden, gibt es nicht. Werdende Eltern können im Vorfeld selbst entscheiden, ob ihr Kind Vitamin K erhalten soll. Sie sollten das aber schriftlich festhalten lassen, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.
Silbernitrattropfen sind out
Wird ein Kind auf natürlichem Weg geboren, dann kommt es im Geburtskanal mit zahlreichen Bakterien in Kontakt. Das ist gut so, denn das stärkt das Immunsystem des Babys. Allerdings können infektiöse Keime wie Gonokokken das Neugeborene sogar erblinden lassen.
Vor über 100 Jahren entschied man sich daher dazu, allen Neugeborenen eine äußerst schmerzhafte Silbernitratlösung ins Auge zu träufeln. Damals war das sicher sinnvoll, um die Kinder vor Erblindung durch Tripper zu schützen. Heute nimmt man davon weitestgehend Abstand.
Augentropfen nicht gesetzlich vorgeschrieben
In manchen Geburtskliniken wird noch mit antibiotischen Augentropfen gearbeitet. Gesetzlich vorgeschrieben ist die vorbeugende Gabe von Augentropfen gegen mögliche Entzündungen nicht mehr. Auch hier entscheiden die Eltern, ob sie das für sinnvoll halten.
"Viele Kinder haben anfangs einen sehr engen Tränenkanal und da kann es auch zu Entzündungen kommen. Aber das merkt man schnell und kann dann immer noch handeln", so Alexandra Mück.
Wer auf die Augentropfen verzichten und trotzdem auf Nummer sicher gehen möchte, der kann auch am Ende der Schwangerschaft einen Scheidenabstrich machen lassen. Das gibt Rückschlüsse darauf, ob die Gefahr einer Infektion überhaupt besteht.
Im Vorfeld gut informieren und in Ruhe entscheiden
Gerade bei oder während einer Geburt hat man oft nicht den Kopf, sich Gedanken darüber zu machen, ob das Baby denn nun Augentropfen oder Vitamin K bekommen soll. Deswegen weist die Erlanger Hebamme in ihren Geburtsvorbereitungskursen auf alle Möglichkeiten und auch auf die Gefahren hin. "So haben die werdenden Eltern Zeit, sich gut informiert in Ruhe zu entscheiden."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.