Die erste Zeit mit Baby Die Erwartungen nicht zu hoch hängen
Immer wieder ist die Rede vom magischen Moment nach der Geburt, vom Vergessen aller Schmerzen, vom Zauber des Augenblicks, von der wunderschönen ersten Zeit mit dem Säugling. Doch die Realität sieht häufig anders aus und erwischt viele Erstgebärende kalt. Aber sie kommen, die magischen Momente. Wenn auch nicht immer sofort.
Aller Anfang ist schwer: Das Kind ähnelt nach der Geburt nicht im Geringsten den Hochglanzfotos aus den Zeitschriften, vielleicht muss der Dammschnitt genäht werden, gefühlte tausend Leute sind um einen herum, der Säugling schreit wie am Spieß, das Stillen funktioniert nicht einfach so. Schwierigkeiten im Wochenbett - die Liste ist lang. Wird den Frauen da nicht etwas versprochen, was gar nicht unbedingt gehalten werden kann?
Nach der Geburt die Umgebung ausblenden
Wir machen einen Schwangerschaftskurs, lesen zahlreiche Bücher, halten uns Spieluhren auf den Bauch, kaufen alles, was uns empfohlen wird und noch einiges mehr, weil es so niedlich ist. Wir malen uns aus, wie es wohl sein wird bei der Geburt und danach und wie das Baby wohl aussehen wird. Wir fragen uns, ob das wirklich stimmt, mit der großen Liebesglückswelle. "Meistens schon", bestätigt die Hebamme Alexandra Mück. "Die Frauen schwelgen wirklich oft in anderen Sphären. Sie wirken, als wären sie einem Jungbrunnen entstiegen und nehmen das Geschehen um sie herum gar nicht als Störfaktor wahr."
Ein ruhiger Moment für das große Glücksgefühl
Die Natur hat sich schon etwas dabei gedacht, dass sie die frischgebackenen Mütter so mit Hormonen überflutet, dass sie ihr eigenes Kind für das Schönste halten. Doch nicht immer funktioniert das hundertprozentig. Es können auch ganz andere Gefühle mitschwingen. "Als man mir meinen Sohn auf den Bauch gelegt hat, da habe ich gedacht, jetzt kommt es, das große Glücksgefühl. Aber es kam nicht. Ich war einfach nur erschöpft und ziemlich besorgt: Denn das Baby sah die ersten Stunden völlig zerknautscht aus." Erst als Barbara mit dem Kind alleine und ungestört war, stellte sich das heiß ersehnte Glücksgefühl ein. "Ich war die ganze Nacht wach und habe unseren Sohn bewundert."
Plötzlich ist der Bauch so leer
Viele Frauen waren während der Schwangerschaft regelrecht in ihren Bauch verliebt und können sich nicht vorstellen, dass das Baby da nicht mehr drin ist. "Ich hatte damit echte Probleme, fühlte mich so hilflos", erzählt Conny. "Obwohl Carlotta gesund und munter neben mir lag, fühlte es sich wie ein Verlust an." Das seltsame Gefühl der Körperleere hielt eine Weile an. Sie vermisste den straffen Bauch, die Bewegung, die Zweisamkeit, beneidete jede Schwangere, die ihr begegnete und haderte deswegen innerlich mit sich.
"Matthias hat mich da gar nicht verstanden. Erst als ich mich getraut habe, mit meiner Hebamme darüber zu sprechen, habe ich erfahren, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin." Manchmal hat es etwas damit zu tun, dass die Geburt zu plötzlich kam, zum Beispiel durch einen Not-Kaiserschnitt, manchmal liegen die Gründe für das Nicht-Loslassen-Können an anderen Stellen. "Die Hebamme hat mir dann geraten, Carlotta viel im Tuch zu tragen, mir das Bett mit ihr zu teilen und das Stillen ganz ruhig zu gestalten und das hat wirklich geholfen. Jetzt konnte ich es genießen."
Erste Hilfe gegen Ratlosigkeit
Gerade für Erstgebärende, die über wenig bis gar keine Erfahrung in der Säuglingspflege verfügen, kann es ratsam sein, die ersten Tage nach der Geburt in der Klinik zu verbringen. Dort ist rund um die Uhr jemand, der einem hilft. Nicht nur bei den praktischen Dingen, sondern auch, wenn die Seele ihre Gefühle zeigt. So hat man die Möglichkeit, sich ganz auf das Baby zu konzentrieren und einen Einklang mit ihm zu finden.
Aber auch die Nachsorgehebamme, die nach Hause kommt, steht Eltern und Kind im Wochenbett zur Seite, badet zum Beispiel auf Wunsch den Säugling gemeinsam mit ihnen. Denn viele Eltern sind aufgrund mangelnder Erfahrung unsicher, wie sie mit dem Baby umgehen sollen. Das spürt das Kind und reagiert entsprechend.
"Manche Frauen sind einfach zu verkopft"
"Letztendlich ist es Learning by Doing. Man wird von Tag zu Tag sicherer." Hebamme Mück hat in ihrer Erlanger Praxis häufig mit Frauen zu tun, denen ihr Intellekt im Weg steht. Sie hadern um so mehr mit sich, weil ihnen die ursprünglichsten Dinge des Lebens, wie zum Beispiel das Stillen, nicht gelingen wollen.
"Je höher der akademische Grad der Frau, desto schwieriger wird es mit den Basics. In den Köpfen vieler Frauen steckt so viel Information, dass sie sich selbst im Weg stehen. Ich rate dann immer: Weniger googeln, weniger lesen, sondern intuitiver vom Bauch her handeln. Manche Frauen sind einfach zu verkopft, da dauert es eben ein bisschen länger, bis sie sich auf die neue, unberechenbare Situation mit einem Säugling eingestellt haben. Dann kommen sie auch, die magischen Momente. Von ganz alleine."
Das Wochenbett ist eine ganz besondere Phase
Doch bis sich wirklich ein bisschen Routine eingestellt hat, kann es dauern. "Es ist völlig normal, wenn die ersten Wochen alles noch drunter und drüber geht." Bis Rhythmus und Regelmäßigkeit da sind und die Erwartungen auf ein realistisches Maß heruntergeschraubt sind. Nicht nur die an das Kind, sondern auch die an die Mutter. "Mit den Jahren ist mir immer bewusster geworden, wie wichtig es ist, gerade die Männer auf die erste Zeit mit Baby vorzubereiten", sagt Mück.
"Es ist entscheidend für die Partnerschaft, zu akzeptieren, dass es sich um eine Phase im Leben handelt, die ganz anders ist, als man sie sich vorstellt. Der Bauch wabbelt, Schweißausbrüche und Milchflecken gehören dazu - eine Frau im Wochenbett ist nicht ausgeglichen und auch nicht unbedingt im klassischen Sinne attraktiv. Das ist auch in diesem Moment nicht wichtig. Schönheit und Sex stehen ja jetzt nicht im Vordergrund."
Achtsamkeit sollte groß geschrieben werden
Mück rät den Männern dann immer, sich die jungen Mütter mit Kinderwagen anzusehen, die durch die Stadt flanieren. "Dann sage ich ihnen, wenn ihr jetzt eure Frauen gut pflegt und versorgt, wird es nicht lange dauern, bis auch sie als eine solche stolze Schönheit euer Baby durch die Straßen schiebt." Doch auch die Frauen muss sie manchmal bremsen. "Viele denken, es gehöre dazu, gleich wieder zu funktionieren. Aber das Gegenteil ist der Fall. Das Wochenbett ist nicht dazu da, zu beweisen, wie toll man alles im Griff hat." Es ist dazu da, sich kennenzulernen, aufeinander einzustimmen und sich zu erholen von Schwangerschaft und Geburt. "Achtsamkeit ist hier gerade eines meiner Lieblingswörter. Das trifft es so gut."
Geschwisterliebe muss wachsen dürfen
Auch, wenn es um das Thema Geschwister geht, sollte man achtsam mit der Situation umgehen. "Ich sage immer: Stellt euch vor, euer Mann kommt mit einer jüngeren Frau nach Hause und sagt: Das ist die Soundso, die schläft jetzt bei mir im Bett und die haben wir jetzt alle ganz doll lieb. So ähnlich geht es Geschwistern." Kein Wunder also, wenn sie alles andere als verzaubert sind von dem kleinen Wesen, das alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Hier ist das Umfeld gefragt. Denn wer sensibel auch mit diesem Thema umgeht, der wird sie ernten, die zauberhaften Momente.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.