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Schwangerschaft: Welche Schmerzmittel dürfen Schwangere nehmen?


Paracetamol und Co.
Welche Schmerzmittel dürfen Schwangere nehmen?

spiegel-online, Heike Le Ker

17.11.2014Lesedauer: 4 Min.
Medikamente sollten während der Schwangerschaft nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden.Vergrößern des Bildes
Medikamente sollten während der Schwangerschaft nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Wer in der Schwangerschaft Schmerzmittel nehmen muss, bekommt oft widersprüchliche Ratschläge. Vor allem Warnungen zu Paracetamol verunsichern Frauen.

Wer als gesunde Frau bei Kopfschmerzen gelegentlich zu einer Pille ASS greift, Rückenleiden mit eine Tablette Ibuprofen therapiert und gegen Reizhusten ein paar vom Arzt verschriebene Tropfen Codein schluckt, steht als Schwangere plötzlich vor einer schwierigen Frage: Welche Schmerzmittel darf ich nehmen und in welcher Dosierung?

"Gravierende Erkrankungen sollten therapiert werden"

Viele werdende Mütter plagen gerade zum Ende der Schwangerschaft Rückenschmerzen, aber auch Magenbeschwerden und Kopfweh gehören zu den typischen Leiden. Leichte Zipperlein können vielleicht mit Massagen, Entspannungstechniken oder anderen alternativen Therapien behoben werden. Aber: "Gravierende Erkrankungen und auch ernsthafte Schmerzen können eine Schwangerschaft negativ beeinflussen und sollten therapiert werden", sagt Christof Schaefer, Leiter von Embryotox, dem landesweit größten Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie in Berlin.

Medikamente nicht eigenmächtig einnehmen

Auch Fieber, das deutlich über 39 Grad liegt und länger als einen Tag anhält, kann für das Ungeborene gefährlich werden. "Zu den am besten erprobten Mitteln dagegen gehört Paracetamol", meint Schaefer. "Allerdings sollte dieses, wie auch andere Medikamente, nicht eigenmächtig und ohne ärztliche Beratung über längere Zeit genommen werden."

Über den Einsatz von Paracetamol streiten Experten immer wieder. Das Medikament passiert - ebenso wie die meisten anderen Mittel - die Plazentaschranke und gelangt somit in den Blutkreislauf des ungeborenen Kindes. Nach bisherigem Kenntnisstand löst es aber keine Fehlbildungen aus und birgt nach Ansicht mehrerer Experten in der gängigen Dosierung (bis zu dreimal am Tag ein Gramm, nicht über einen längeren Zeitraum) auch keine großen Gefahren. In hohen Dosen allerdings kann Paracetamol zu Leberversagen führen. Deshalb wurden vor einigen Jahren die Packungen verkleinert.

Experten streiten über Paracetamol

Zuletzt allerdings hatten zwei groß angelegte Studien von internationalen Forscherteams einen Zusammenhang zwischen einer Paracetamol-Einnahme in der Schwangerschaft und einem späteren Hyperaktivitätssyndrom beim Kind nahegelegt. Ältere Studien berichteten außerdem über ein vermehrtes Auftreten von Asthma und von Hodenhochstand bei Jungen. "Von den Ergebnissen der beiden Untersuchungen zu Verhaltensauffälligkeiten sollte man Schwangeren unbedingt berichten, damit sie eine informierte Entscheidung treffen können", findet Hartmut Göbel, Neurologe und Schmerztherapeut der Schmerzklinik Kiel.

Christof Schaefer sieht das anders: "Die Studienergebnisse sind interessant, aber sie wurden zum Teil völlig überzogen interpretiert", meint der Kinderarzt. "Die Fallzahlen betroffener Kinder, auf Grund derer die mäßig ausgeprägte Beziehung zwischen Paracetamol und Hodenhochstand oder Verhaltensauffälligkeiten wie ADHS vermutet wurde, sind vergleichsweise gering." Zum Teil wurde dabei nicht unterschieden, in welcher Dosis und wie über die Schwangerschaft verteilt Paracetamol eingenommen wurde. Die Diagnosen zum Verhalten der Kinder entstammten in einer der Studien allein der Beobachtung der Eltern und wurden nicht von Medizinern bestätigt, längst nicht alle Einflussfaktoren seien berücksichtigt worden.

Asthma und ADHS: viele Ursachen möglich

Bei ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätssyndrom) und Asthma geht man von einer multifaktoriellen Entstehung aus: Zahlreiche Umweltfaktoren, Vererbung, die soziale Umgebung und die Neuroanatomie und Molekularbiologie können bei der Genese eine Rolle spielen. Die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder könnten daher auch andere Ursachen haben, die in den Studien nicht erfasst wurden, bei Asthma verhält es sich ähnlich. "Man muss vorsichtig sein, die gefundenen Zusammenhänge zwischen Paracetamol-Einnahme und Diagnosen beim Kind als ursächliche Verknüpfung zu interpretieren", warnt Schaefer.

Viele Schmerzmittel sind frei erhältlich

Wie viele Schwangere Schmerzmittel nehmen, ist schwer zu schätzen, in den Studien zu den Verhaltensauffälligkeiten waren es etwa 50 Prozent. Die meisten Arzneien (wie etwa Paracetamol, Ibuprofen oder Diclofenac) gibt es freiverkäuflich in der Apotheke. "Uns liegen keine Daten vor, wie häufig werdende Mütter Medikamente gegen Schmerzen nehmen", sagt Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller.

Auch der Verband forschender Arzneimittelhersteller und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände kennen die Zahlen nicht. Christof Schaefer sagt: "Internationale Umfragen zeigen, dass 50 bis 80 Prozent aller Schwangeren irgendwann ein Medikament nehmen und man kann davon ausgehen, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil Schmerzmittel sind."

Schwangere sind besorgt

Die Verunsicherung bei den Frauen ist daher groß. In Foren tauschen sich Schwangere über ihre Sorgen rund um Paracetamol aus. "Manche werden geradezu panisch, weil sie glauben, dass sie mit der Einnahme von Paracetamol die Zukunft ihres Kindes ruiniert haben, weil es durch Hodenhochstand unfruchtbar werden, unter Asthma leiden und hyperaktiv werden könnte", fasst Schaefer die Ängste der Schwangeren zusammen. "Die Kommunikation von Risiken läuft da total schief."

Was bei leichten Schmerzen hilft

Schmerztherapeut Hartmut Göbel hingegen argumentiert, mangelnde Aufklärung über Risiken bedinge spätere Ungewissheit und Ängste. "Paracetamol ist ein so schwaches Schmerzmittel, dass sich eine Schwangere immer fragen sollte: Welches Risiko nehme ich für welchen Nutzen in Kauf?" Der Neurologe empfiehlt, in der Schwangerschaft nur bei zwingender Notwendigkeit in Absprache mit dem Arzt ein Schmerzmittel einzunehmen. Bei leichten Schmerzen können Rückzug, Ruhe und Entspannung helfen. "Wer starke Schmerzen hat, dem hilft Paracetamol sowieso nicht", so Göbel, "gegen schwere Migräne kann man Sumatriptan nehmen, gegen Rückenschmerzen Ibuprofen." Eine australische Untersuchung hatte gezeigt, dass Paracetamol bei Rückenschmerzen nicht besser wirkt als ein Placebo-Präparat.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht

Embryotox bleibt bei der Empfehlung: Schmerzmittel der ersten Wahl sei in der gesamten Schwangerschaft Paracetamol, in den ersten beiden Trimestern könne alternativ Ibuprofen eingesetzt werden. Zugleich warnt das Institut auf seiner Seite: Man kann "für kein wirksames Medikament, so auch für Paracetamol, behaupten, dieses sei völlig unbedenklich. Eine hundertprozentige Sicherheit in der Schwangerschaft gibt es für kein Medikament, allerdings auch nicht für anhaltende Krankheiten und Symptome, die unbehandelt bleiben."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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