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Frühchen-Eltern leben im Takt der Intensivstation


Frühgeburten
Plötzlich Frühchen-Eltern: Leben im Takt der Intensivstation

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

02.02.2014Lesedauer: 4 Min.
Nach einer Frühgeburt verbringen Eltern oft mehrere Monate bei ihren Babys auf der Intensivstation.Vergrößern des Bildes
Nach einer Frühgeburt verbringen Eltern oft mehrere Monate bei ihren Babys auf der Intensivstation. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Acht Prozent der Babys kommen in Deutschland vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt. Für Eltern beginnen dann oftmals Wochen des Bangens. Denn die Winzlinge - insbesondere wenn sie unter 1000 Gramm wiegen - können nur dank medizinischer Versorgung überleben. Wie sich der Alltag besorgter Mütter und Väter zwischen Inkubatoren, Kabelgewirr und strengen Hygienevorschriften ändert und was sie dazu beitragen können, um ihrem Nachwuchs den Weg ins Leben zu ebnen, erklärt Katarina Eglin, selbst Mutter eines Frühchens und Sprecherin vom Bundesverband "Das frühgeborene Kind".

595 Gramm wog Katarina Eglins Sohn, als er vor neun Jahren viel zu früh in der 24. Schwangerschaftswoche geboren wurde. Über sieben Monate verbrachten Katarina und ihr Mann dann so viel Zeit wie möglich auf der Intensivstation bei ihrem Kind.

Eltern können nicht jederzeit zu ihrem Kind

Zu jeder Tag- und Nachtzeit konnten die Eglins allerdings nicht zu ihrem Baby, denn die Klinik sah damals nur Besuchszeiten zwischen 11 und 20 Uhr vor. Auch bei Schichtwechsel des Personals und der Übergabe mussten die Eltern draußen bleiben. "Solche Zeitfenster gibt es in zahlreichen Krankenhäusern. Manchmal müssen Eltern sogar vorher anrufen, um konkrete Termine abzusprechen", berichtet Eglin. "Es wäre wünschenswert, wenn Eltern jederzeit bei ihrem Nachwuchs sein könnten." Das sei aber durch die organisatorischen Abläufe und die häufig praktizierte Großraumüberwachung mit sechs bis acht Inkubatoren, die nur eine begrenze Besucherzahl zulässt, nicht umsetzbar.

Trotzdem bemüht man sich in den allermeisten Kliniken die Eltern so gut wie möglich in den Stationsablauf einzubinden. "Manchmal kommt es aber auch vor, dass Eltern anfangs ohne Rücksprache gar nicht an ihr Kind herankommen. Das ist zwar eine schmerzhafte Reglementierung, dennoch sollte man immer wieder fragen, inwieweit man die Schwestern unterstützen kann", empfiehlt Eglin.

Intensivpflege-Schulung für Eltern gibt es noch zu selten

Im besten Fall dürfen Eltern auf Frühchenstationen schon bald Aufgaben übernehmen, die zunächst dem Pflegepersonal vorbehalten sind, wie etwa das Wickeln, das Baden, das Umlagern, das Verabreichen der abgepumpten Muttermilch durch eine Sonde oder bestimmte Massagen, die helfen, Sekret in der unreifen Lunge des Frühchens zu lockern.

Eine Vorreiterrolle übernimmt hier seit einigen Jahren die Frühgeborenenstation des Universitätsklinikums Dresden. Hier werden Eltern von Anfang angeleitet, so früh wie möglich die Pflege ihres Babys zu übernehmen. Das entlastet nicht nur die Schwestern, sondern führt auch dazu, dass die Eltern später zu Hause viel selbstverständlicher und angstfreier mit ihrem Kind umgehen können.

Nicht immer müssen Ärzte Rücksprache mit den Eltern halten

Geht es um medizinische Entscheidungen, die in der Klinik getroffen werden müssen, haben Eltern prinzipiell ein Mitspracherecht. Die Ärzte stimmen dann zumeist ihr weiteres Vorgehen mit ihnen ab, es sei denn, das Leben des Kindes ist akut gefährdet. Dann sind die Mediziner gemäß der Richtlinien der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) dazu verpflichtet, im Interesse des Kindes sofort eine Behandlung durchzuführen, auch wenn in diesem Moment nicht unmittelbar Rücksprache mit den Eltern gehalten werden kann.

"Kangarooing" fördert die gesunde Entwicklung des Babys

Obwohl das Überleben von Frühgeborenen zu einem großen Teil erst durch High-Tech-Medizin möglich wird, spielt bei den Winzlingen die körperliche Nähe zu ihren Eltern eine ebenso entscheidende Rolle für ihre gesunde Entwicklung. Deshalb gehört das sogenannte "Kangarooing", bei dem die Kinder auf Mama oder Papa liegen, zu den wichtigsten Aufgaben.

"Eltern sollten das so oft und so lange wie möglich machen. Ideal sind mindestens zwei Stunden. Erst dann kann das Baby wirklich zur Ruhe kommen und die Nähe genießen. Leider sind die Zeiten dafür in manchen Kliniken zu knapp bemessen", kommentiert Eglin. "Denn um das Frühchen aus dem Inkubator zu holen, es später dorthin zurückzubringen und wieder an alle Geräte anzuschließen, braucht man Personal. Und das wird in vielen Kliniken reduziert."

Familie und Selbsthilfegruppen sind eine gute Stütze

Ihr Kind auf der Intensivstation zu betreuen, aber auch dem Alltag zu Hause trotz Sorgen und Ängsten noch gerecht zu werden, bedeutet für Eltern eine erhebliche seelische und körperliche Belastung, vor allem wenn sie noch weitere Kinder haben. Bei diesem zehrenden Spagat werden zwangsläufig nicht nur soziale Kontakte vernachlässigt, sondern das Familienleben kann auch ziemlich in Unordnung geraten: "Darunter leiden vor allem größere Geschwister", sagt Eglin. "Eltern sollten deshalb versuchen Freunde, Oma und Opa oder andere Verwandte einzuspannen. Alle Beteiligten müssen sich dabei aber im Klaren sein, dass ihre Hilfe nicht nur für kurze Zeit, sondern möglicherweise über Monate benötigt wird."

Doch auch an die eigenen seelischen Befindlichkeiten sollten Eltern denken. Hier empfiehlt die Expertin, sich möglichst Unterstützung, etwa bei Selbsthilfegruppen zu suchen: "Ich hatte damals glücklicherweise eine gute Bekannte, deren Baby in derselben Frühchenstation behandelt wurde wie unser Sohn. Die Gespräche mit ihr haben sehr gut getan. Es half mir meine Erlebnisse zu verarbeiten."

Psychosoziale Begleitung

Eltern von Frühchen müssen sich aber nicht immer selbst um seelischen Beistand während der schwierigen Zeit in der Klinik kümmern. In immer mehr Neugeborenen-Intensivstationen gehört mittlerweile eine psychosoziale Betreuung zum Standard. Qualifizierte Fachkräfte sind permanent ansprechbar und kümmern sich vor Ort.

Auch nach dem Klinikaufenthalt brauchen die Eltern häufig weiter Unterstützung, um den noch ungewohnten Alltag mit ihrem Kind zu bewerkstelligen. Hier können dann Familienhebammen weiterhelfen, die vom zuständigen Kinderarzt vermittelt werden und, falls gewünscht, neben ihren eigentlich Tätigkeiten auch vieles im Alltag übernehmen, wie etwa Amtsgänge.

Andere Nachsorgekonzepte für Eltern werden beispielsweise über den Bundesverband "Der bunte Kreis", dem sich immer mehr Kliniken anschließen, initiiert. Durch das Netzwerk stehen für die Übergangszeit nach dem Klinikaufenthalt unter anderem Ärzte und Psychologen zur Verfügung, die bei Bedarf von den betroffenen Eltern angefordert werden und die Familien dann weiter engmaschig betreuen. "Manche Frühchenstationen bieten auch an, dass man sich in unsicheren Situationen weiterhin bei ihnen melden und anrufen kann", erklärt Eglin. "Das ist sehr beruhigend, weil das Personal das Kind bereits kennt und man dort immer jemanden erreicht, auch mitten in der Nacht."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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