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Hausgeburt: Hebamme im Interview


Hausgeburt
Zu Hause gebor(g)en: Expertin erklärt den "Zauber einer Hausgeburt"

t-online, Simone Blaß

30.05.2012Lesedauer: 7 Min.
Hausgeburten: Auf der Welt und gleich zu Hause.Vergrößern des Bildes
Hausgeburten: Auf der Welt und gleich zu Hause. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Nur 1,68 Prozent aller Geburten in Deutschland sind heutzutage Hausgeburten. Von den rund 19.000 Hebammen bieten auch nur 500 die Geburt zuhause an. In den 60er Jahren waren es noch 8.000, in den 80er Jahren immerhin noch 2.000. (Zum Durchklicken: Die zehn wichtigsten Fakten zu Hausgeburten)

Dabei sind Hausgeburten, vorausgesetzt, dass Mutter und Kind gesund sind und die Schwangerschaft normal verläuft, genauso sicher wie alle anderen Geburten. Das belegt eine Studie der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe. Martina Eirich war dort lange Jahre die Vertreterin der bundesdeutschen Hausgeburtshebammen und unterstützt seit über 15 Jahren werdende Mütter bei Hausgeburten. 60 pro Jahr begleitet die 46-Jährige, wobei über 60 Prozent der von ihr betreuten Schwangeren Erstgebärende sind. Im Gespräch mit dem Elternportal von t-online.de beschreibt sie den Zauber einer Hausgeburt.

Sie sind selbst als Hausgeburt auf die Welt gekommen und haben auch Ihre eigenen vier Kinder auf diese Weise entbunden. Hat diese Erfahrung Ihre Arbeit beeinflusst?

Ja, das hat sie. Bevor ich mein erstes Kind bekam, habe ich einige Jahre in einem Geburtshaus gearbeitet. Nach meiner ersten Hausgeburt war mir aber klar, dass ich nach einer solchen Erfahrung dort nicht mehr arbeiten wollte. Ich habe deutlich wahrgenommen, dass für mich eine Geburt im Geburtshaus der halbe Weg zwischen einer Klinikgeburt und einer Hausgeburt ist. Zwar wäre mit Baby die Arbeit im Geburtshaus mit fester Freizeit und Vertretung viel einfacher gewesen. Ich persönlich hätte dies aber nach meiner eigenen Hausgeburtserfahrung als Betrug an den von mir begleiteten Frauen empfunden.

Sie haben unter anderem ein Buch herausgebracht mit dem Titel "Luxus Privatgeburt", das in Kürze in der zweiten Auflage erscheinen wird. Was ist für Sie persönlich der wahre Luxus einer Hausgeburt?

Da sind verschiedene Punkte wichtig. In erster Linie fallen mir aber die Kontrolle über den Geburtsort, die Hebamme und die hygienischen Verhältnisse ein. Und bis zu einem gewissen Punkt auch die Vorgehensweise bei Auffälligkeiten, über die man mit der Hebamme bereits im Vorfeld spricht.

Und worin liegt der Zauber?

Den Zauber einer Hausgeburt kann nur der verstehen, der ein gutes Verhältnis zu seinem Körper hat, die natürlichen Geburtsvorgänge achtet und vielleicht auch gläubig ist. Wenn das Verhältnis zwischen dem Paar und der Hebamme stimmt, gibt es regelrecht ekstatische Geburten. Das ist schwer zu beschreiben, das ist Flow auf allerhöchstem Niveau. Nie habe ich auch nur im Ansatz eine Geburt in der Klinik erlebt, die an die schlechtesten, sprich anstrengendsten, Hausgeburten heranreichte.

Berühmtheiten wie Gisele Bündchen und Cindy Crawford haben ihre Kinder zuhause zur Welt gebracht. Bewusste Entscheidungen für die Privatsphäre und gegen die "Schattenseiten des Gesehenwerdens". Nun mögen diese Frauen große Anwesen für sich haben, in einer normalen Wohnung allerdings sind die Wände oft hellhörig. Die Nachbarn bekommen alles mit. Welche Rolle spielt bei der Entscheidung für eine Hausgeburt die persönliche Schamgrenze?

Der angebliche Lärmpegel der bevorstehenden Geburt wird in der Regel in der Vorstellung der meisten Schwangeren zu hoch gestellt. Ich habe schon Geburten im Sommer bei offenem Fenster mit laut tönender Frau, sie anfeuernder Hebamme und lachenden Nachbarn im Garten erlebt. Wir dachten, die machen sich über uns lustig. Tatsächlich hatten sie nichts mitbekommen. Das ist die Regel. Für eventuelle Ausnahmen empfehle ich aber, die Nachbarn über die bevorstehende Geburt zu informieren.

Eine Hausgeburt hat heutzutage ein bisschen den Charakter des Kuriosen. Und auch mit dem Verständnis für den Wunsch der werdenden Eltern ist es oft nicht weit her. Warum bekommen Frauen, die sich für eine Hausgeburt entscheiden, so häufig Gegenwind? Und stimmt es, dass manche Frauenärzte den Müttern nicht nur von Hausgeburten abraten, sondern ihnen sogar richtig Angst machen?

Als kurios empfinde ich es, ohne Not nach unauffälliger Schwangerschaft ein Krankenhaus zur Geburt aufzusuchen. Die Klinikgeburt ist momentan noch etablierter. Das hat aber nur bedingt mit manchen Gynäkologen zu tun, die von einer Hausgeburt nach unauffälliger Schwangerschaft abraten, denn wissenschaftlich ist dies nicht zu halten. Den Hauptgrund sehe ich in der fehlenden Information der Schwangeren, ausgehend von den Medien. Aber auch in den seltsamen Serien, die es im Fernsehen zu sehen gibt.

Wenn nur die Frauen entscheiden würden, glauben Sie, dass es dann mehr Hausgeburten geben würde?

Da ich nach Vorträgen über das Thema Hausgeburt oft reihenweise Anmeldungen erhalte, fällt mir auf, dass es sich bei der Entscheidung um eine Melange aus Information und Sympathie, die Hebamme betreffend, handelt. Die Frauen berichten, dass sie vor allem das Vertrauen in mich hatten, dass ich sie nicht alleine lasse, nicht über ihren Kopf hinweg entscheide und keine Experimente mit ihnen veranstalte. Überzeugend ist für die Frauen auch die niedrige Kaiserschnittrate von etwa zwei Prozent sowie die Tatsache, dass 95 Prozent meiner Erstgebärenden und gut 98 Prozent der Mehrgebärenden bei mir eine Hausgeburt haben. Nur ein Prozent der Kinder verlege ich nach der Geburt - meist wegen Anpassungsstörungen.

Das häufigste Argument für die Entbindung im Krankenhaus ist die medizinische Sicherheit. Mit welchen Notfällen müssen Sie als Hebamme denn wirklich rechnen und wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass sich die Geburt nicht so entwickelt, wie sie sollte?

Ich muss mit allen Notfällen rechnen, die in der Fachliteratur zu lesen sind. Aber ich muss die abziehen, die als Nebenwirkungen der Geburtsmedizin auftreten und die die Anzahl an Klinik-Notfällen in den vergangenen Jahrzehnten extrem in die Höhe haben schnellen lassen. Bei einer richtig begleiteten Hausgeburt treten extrem selten Notfälle auf. Über diese und den Umgang damit wird vorher ausführlich aufgeklärt.

Wird im Fernsehen ein Kind geboren, ruft jeder erst einmal nach heißem Wasser und sauberen Tüchern. Was haben Sie alles so in Ihrem Koffer?

In meinem Hebammenkoffer sind Handschuhe, ein Herztongerät, Instrumente, Nabelklemme, ein Stethoskop, Medikamente gegen Blutungen nebst Spritzen und Kanülen sowie natürlich eine Waage und ein Maßband. Im Notfallkoffer befinden sich zusätzlich eine Sauerstoffflasche mit Maske zur Beatmung des Neugeborenen sowie Infusionsflaschen. Manchmal setze ich auch ein CTG, also einen Herzton-Wehen-Schreiber, bei der Geburt ein. Zusätzlich erhalten die Eltern bereits Monate vorher einen Materialzettel von mir, damit ich standardisiert die notwendigen Dinge wie Heizlüfter, Tücher, etc. vorfinde.

"Mit den Wehen zu arbeiten und nicht dagegen, den Schmerz nicht zu bekämpfen, sondern ihn zu akzeptieren, sich nicht zu verkrampfen und mit der eigenen Vorstellungskraft zu arbeiten, hat mir die Erfahrung einer selbstbestimmten und vollkommenen Geburt gegeben" - das berichtet eine Frau, die mit Ihnen gemeinsam ihr Kind zuhause zur Welt gebracht hat. Wie gelingt es Ihnen, den Frauen die Angst vor der Geburt und den damit verbundenen Schmerzen zu nehmen, damit sie sich so fallen lassen können?

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Für eine gut vorbereitete Geburt zuhause ist ein Geburtsvorbereitungskurs allein für viele Frauen nicht ausreichend. Für meine Art der Begleitung ist ein solcher Kurs sogar völlig überflüssig. Ich verbringe viel Zeit bei den Frauen bzw. Paaren und Familien. Zeit, die wir für intensive, individuelle Gespräche nutzen.

Viele Schwangere nennen das Wissen um die Möglichkeit einer PDA einen Rettungsanker. Welche Mittel wenden Sie als Hausgeburtshebamme an, um die Schmerzen zu lindern?

In den Geburtsberichten, die ich auf meiner Website veröffentliche, kann man lesen, dass der Schmerz viel erträglicher wurde, nachdem ich da war und mit den Frauen geatmet und/oder sie massiert habe. Die Frauen schätzen die 1:1-Betreuung genauso wie die Tatsache, das Haus nur bei Auffälligkeiten Richtung Klinik verlassen zu müssen und wählen auch genau deshalb die Hausgeburt für sich. Ich habe vor vielen Jahren die letzte Frau wegen PDA-Wunsch in die Klinik verlegt.

Frauen können sehr viel Kraft und Stärke aus der Begleitung durch eine Hebamme ziehen. Aber verlangt das bei einer Hausgeburt nicht auch Ihnen eine ganze Menge mehr ab als einer Klinikhebamme?

In der Tat. Während meiner Tätigkeiten im Geburtshaus oder als Beleghebamme hatte ich mehr Kapazitäten und habe deshalb noch viel nebenbei gemacht, weil ich nicht so viel Verantwortung getragen habe. Schließlich war diese auf mehrere Schultern verteilt. Das geht so nicht mehr und das nicht nur, weil ich inzwischen Kinder habe. Mein Leben dreht sich um die Hausgeburtshilfe und meine Familie zieht zum Glück mit. Ich bin an elf Monaten im Jahr rund um die Uhr für meine Schwangeren erreichbar. Allerdings muss ich Frauen auch immer wieder darauf hinweisen, dass sie sorgsam mit den Ressourcen ihrer Hebamme umgehen müssen. Sie bekommen schon mal einen Rüffel, wenn sie öfter Termine vergessen oder mich Monate oder gar Jahre später nachts oder am Wochenende anrufen, weil ihr Kinderarzt keinen Dienst hat und ich ihn mit einem Hausbesuch vertreten soll. Wenn Eltern das nicht verstehen und ich mich benutzt fühle, sind sie auch nicht für eine weitere Hausgeburt mit mir geeignet. Von außen sieht eine Hausgeburt oft einfach und wunderschön aus. Selten wird aber bemerkt, dass mir jede Geburt sehr viel abverlangt. Schließlich muss ich immer auf alles vorbereitet sein.

Bilderbücher wie "Unser Baby kommt zuhause" oder "Runas Geburt" können dabei helfen, Geschwisterkinder auf das bevorstehende Ereignis vorzubereiten. Trotzdem kann eine solche Geburt daheim ja auch etwas Beklemmendes für Kinder haben. Wie sorgt man dafür, dass es für sie ein schönes und kein traumatisches Erlebnis wird? Welche Tipps geben Sie da den Eltern?

Die Kinder kennen mich schon die ganze Schwangerschaft über durch die Vorsorgeuntersuchungen. Und sie dürfen, wenn sie das wollen, meine Hebammenhelfer sein. Dadurch wächst das Vertrauen und sie helfen mir dann auch gerne - sofern gewünscht - bei der Geburt. Trotzdem sollte aber immer eine Person zusätzlich zum Vater noch im Haus oder zügig erreichbar sein, wenn die Kinder wach sind und doch nicht bei der Geburt dabei sein möchten. Diese Situationen werden aber im Vorfeld in allen Einzelheiten durchgespielt. Dadurch wird die Geburt auch für die Geschwisterkinder ein Fest - egal, ob in der Ferne oder der Nähe.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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