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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bald keine Corona-Spritze mehr? Diese neuen Impfmethoden könnten den Piks ersetzen
Gegen Corona könnten jährliche Auffrischungsimpfungen nötig werden, sagen Experten voraus. Doch künftig könnte dafür nicht mehr unbedingt eine Spritze nötig sein. Neue Impfmöglichkeiten werden erforscht.
Bislang gilt: Um gegen schwere Krankheitsverläufe nach einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt zu sein, hilft nur eine Spritze in den Oberarm. Doch Forscher weltweit testen neue Wege. Die Hoffnung: So könnten Vorbehalte gegen eine Impfung überwunden und zum Beispiel auch Impfungen von Kindern einfacher werden. Und: Die neuen Vakzine könnten das Virus in einem früheren Stadium stoppen, sodass das Risiko einer Infektion von Geimpften minimiert werden könnte.
Corona-Impfung: Pille statt Spritze
Das israelische Unternehmen Oravax beantragte Ende Juli die Zulassung einer Studie zur Verabreichung eines Corona-Impfstoffes in Kapselform. Wie die "Jerusalem Post" berichtet, handelt es sich dabei um einen Dreifach-Antigen-Impfstoff, der magensaftresistent ist. Er richtet sich gegen drei Struktur-Proteine des Virus und soll daher auch einen besseren Schutz vor neuen Mutanten bieten. Nach nur einer einzigen Dosis sollen Antikörper gegen das Coronavirus gebildet werden.
Auch deutsche Forscher in Würzburg sind der Corona-Schluckimpfung auf der Spur. Bereits im Frühjahr dieses Jahres erklärte Thomas Rudel, Inhaber des Lehrstuhls für Mikrobiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, den Ansatz. Verabreicht wird ein spezieller Bakterienstamm. "Wir haben die Bakterien so programmiert, dass sie SARS-CoV-2-Antigene produzieren", erklärt Rudel in der Pressemitteilung der Universität. In einer Kapsel vor dem Angriff der Magensäure geschützt, sollen die Bakterien nach der Passage durch den Magen im Dünndarm des Menschen ihre Wirkung entfalten.
"Spezielle Zellen in der Darmwand sollen dafür sorgen, dass Bakterien und die Antigene von Immunzellen aufgenommen und in lymphoides Gewebe weitertransportiert werden", sagt Rudel. Im dortigen System könnten sie wiederum andere Zellen des Immunsystems aktivieren – sogenannte B- und T-Zellen – und eine Immunantwort in Gang setzen. Rudel hofft, dass diese Immunantwort im Erfolgsfall so stark ist, dass alle Schleimhäute des Menschen in Alarmbereitschaft versetzt werden, und in der Folge Coronaviren schon dort am Eindringen in den Körper gehindert werden.
Gleich zwei Antigene sollen die speziell entwickelten Bakterien produzieren. So könnten auch eventuelle Mutanten abgefangen werden. Endgültige Ergebnisse stehen zu beiden Forschungsansätzen noch aus.
Antikörper durch Inhalation
Chinesische Forscher in Wuhan, wo SARS-CoV-2 Ende 2019 erstmals nachgewiesen wurde, erzielten Erfolge mit einem Inhalationsspray gegen Corona. Nach den im Fachmagazin "The Lancet" veröffentlichten Ergebnissen wurde der verabreichte Vektorimpfstoff gut vertragen und lieferte eine vielversprechende Immunantwort. Das Vakzin könnte – so regen die Forscher an – als Boosterimpfung nach der ersten konventionellen Spritzimpfung infrage kommen. Noch stehen weitere Forschungen aus.
Auch ein schwedisches Unternehmen tüftelt an einem Inhalationsspray gegen Corona. Der Hersteller Iconovo kooperiert dabei mit einem Stockholmer Forschungs-Start-up, das einen Trockenpulver-Impfstoff entwickelt hat. Er enthält das nachgebaute Spike-Protein des Virus, das inhaliert werden soll.
"Nase, Atemwege und Lunge sind die häufigsten Zugangswege zum Körper für SARS-CoV-2 und andere Atemwegsviren", heißt es dazu in der Pressemitteilung. "Diesen Umstand wollen sich Iconovo/ISR zunutze machen, indem sie mit dem Inhalationsimpfstoff bereits in der Lunge einen Schutz gegen das Virus erzeugen." Auch hier gibt es noch keine abschließenden Ergebnisse.
Nasensprays stoppen das Virus früher
Schleimhautimpfungen, zum Beispiel auch über Nasensprays, gelten seit Beginn der Pandemie als große Hoffnungsträger, denn sie könnten eine Lücke schließen, die die bisher zugelassenen Impfstoffe aufweisen: Sie könnten verhindern, dass auch Geimpfte sich infizieren. In seinem NDR-Podcast "Das Coronavirus-Update" erklärte der Chef der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, im Oktober 2020: "Das ist es, was wir uns wünschen würden, dass wir Impfstoffe haben, die die Schleimhäute auch schützen. Die dort das spezielle Immunsystem mit stimulieren, sodass irgendwann jemand, wenn er eine ganze Ladung Virus in die Nase einatmet, gar nicht mehr infiziert wird, also nicht mal nur einen milden Verlauf kriegt, sondern gar keinen Verlauf kriegt. Das Virus wird sofort in der Nase gebremst. "
Dazu könnte das Oberflächenprotein des SARS-CoV-2-Virus mittels eines Trägervirus verabreicht werden. Drosten weiter: "Diese Trägerviren haben häufig die Eigenschaft, dass sie in Schleimhäute eindringen können. Also man muss die gar nicht mit einer Spritze in den Muskel spritzen. Man kann die im Prinzip auch in ein Nasenspray reintun und auf der Schleimhaut gehen die in die Zellen in der Nase und entfalten dort ihre Wirkung."
Von den 100 derzeit in klinischen Studien getesteten Corona-Impfstoffen handelt es sich jedoch nur bei acht um sogenannte intranasale Vakzine. Im Frühjahr verkündete die Universität Oxford, den dort entwickelten Astrazeneca-Impfstoff nun auch als Nasenspray zu testen. Der Studienleiter Professor Adrian Hill gibt sich optimistisch: "Dies ist ein aufregender neuer Ansatz zur Verabreichung eines führenden Covid-19-Impfstoffs, der sehr effektiv nicht nur Krankheitsepisoden, sondern auch asymptomatische Infektionen verhindern und so dazu beitragen könnte, die Übertragung in der Bevölkerung zu reduzieren."
Auch deutsche Wissenschaftler forschen an einem Nasenspray-Impfstoff. Professor Ulrich Lauer vom Universitätsklinikum Tübingen erklärte vor einem Jahr in der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wir entwickeln einen Impfstoff der zweiten Generation, mit dem die Pandemie dann nicht nur eingedämmt, sondern sogar besiegt werden kann." Erste Ergebnisse werden im kommenden Jahr erwartet.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Pressemitteilung der Universität Würzburg
- Studie aus Wuhan in "The Lancet"
- Pressemitteilung des Unternehmens Iconovo
- Pressemitteilung Universität Oxford
- NDR-Podcast vom 27.10. 2020
- Neue Osnabrücker Zeitung
- Eigene Recherche