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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Diskussion um Beschränkungen Darum ist das Aufheben der Corona-Regeln riskant
Der thüringische Ministerpräsident will die generellen Corona-Beschränkungen schon bald aufheben. Dieser Plan sorgt für Diskussionen – und kann gefährlich sein, wie aktuelle Virus-Ausbrüche zeigen.
Im Ringen um den richtigen Weg in der Corona-Pandemie ist Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow vorgeprescht und hat radikale Lockerungen angekündigt. Der Linke-Politiker will vom 6. Juni an auf allgemeine, landesweit gültige Corona-Schutzvorschriften in seinem Bundesland verzichten. Damit könnten die bisherigen Regeln zu Mindestabständen und Kontaktbeschränkungen in Thüringen bald der Vergangenheit angehören.
Nun mehren sich Stimmen, die zur Vorsicht mahnen und einen solchen Weg für gefährlich halten. Denn aktuelle Infektionsfälle nach Gottesdienst- und Restaurantbesuchen zeigen, wie hoch die Ansteckungsgefahr tatsächlich ist, wenn mehrere Menschen auf engerem Raum zusammentreffen. Und wie diese Orte zu Corona-Hotspots werden können.
Nach einem Gottesdienst in einer Baptisten-Gemeinde in Frankfurt am Main infizierten sich im Mai mindestens 107 Menschen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet mit dem Coronavirus. In Niedersachsen wurden bislang 18 Menschen nach einem Restaurantbesuch am 15. Mai positiv auf SARS-CoV-2 getestet, 118 Kontaktpersonen sind daraufhin in häusliche Quarantäne geschickt worden.
Ob sich die Betroffenen an die jeweils vorgegebenen Verhaltensregeln wie Abstand halten gehalten haben, ist noch nicht ganz geklärt. Laut Leeraner Landrat Matthias Groote sei es im Restaurant aber zu Verstößen gegen die Corona-Regeln gekommen. In Restaurants ist das Tragen einer Maske beim Essen und Trinken derzeit nicht vorgeschrieben. Dabei ist das Infektionsrisiko vor allem in Innenräumen erhöht, wie Studien belegen.
Drei Gründe, warum das Aufheben der Corona-Regeln zum jetzigen Zeitpunkt riskant ist
1. Das Coronavirus ist leicht übertragbar
Das Coronavirus SARS-CoV-2 wird hauptsächlich über Tröpfchen, die beim Sprechen, Husten und Niesen entstehen, übertragen. Das Virus steckt in diesen Schleim- oder Speicheltröpfchen, die dann über die Nase, den Mund oder die Augen in den Körper einer anderen Person gelangen können. Es braucht nur eine infizierte Person, um die Verbreitung des Virus zu starten.
Forscher vermuten, dass nicht nur infektiöse Tröpfchen, sondern auch die feineren Aerosole das Virus weitergeben und somit auch eine Corona-Infektion über die Atemluft möglich ist. Aerosole sind winzigste Speicheltröpfchen, die beim Ausatmen in die Luft gelangen und dort für eine gewisse Zeit schweben. In geschlossenen Räumen können sich Aerosole noch länger halten als im Freien. Die Abstandsregelung von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen sowie Kontaktreduzierungen sind daher sehr sinnvolle Maßnahmen, um das Infektionsgeschehen aufzuhalten.
2. Viele Menschen zählen zu den Risikopatienten von Covid-19
Die durch das Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 kann lebensgefährlich werden. Darum ist es wichtig, besonders Risikogruppen vor einer Ansteckung zu schützen. Dazu gehören nicht nur Ältere ab etwa 60 Jahren, sondern auch Menschen mit einem geschwächten Immunsystem und mit Vorerkrankungen. Sie können Experten zufolge ein größeres Risiko für schwere Verläufe von Covid-19 haben, sollten sie sich mit dem Virus infizieren.
Um sich selbst und seine Mitmenschen zu schützen, wurde neben der Abstandsregelung auch eine Maskenpflicht im öffentlichen Bereich eingeführt. Sogenannte Alltags- oder Communitymasken verringern vor allem das Risiko, andere Menschen anzustecken, weil beim Husten, Niesen oder Sprechen weniger Viren mit den Tröpfchen ausgestoßen werden könnten.
Forscher der Professur Bauphysik der Bauhaus-Universität Weimar haben bei einem Videoexperiment die Ausbreitung unserer Atemluft in verschiedenen Situationen sichtbar gemacht. Das Video zeigt, wie das Tragen von Masken die Ausbreitung der Atemluft bremsen kann. Damit ist die Ansteckungsgefahr für unsere Mitmenschen geringer.
Das Robert Koch-Institut und auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte halten deshalb Alltagsmasken für sinnvoll, um andere zu schützen. Zudem könnten die Masken das Bewusstsein für sogenanntes Social Distancing, also räumliche Distanz, durchaus unterstützen.
3. Es gibt noch keine Therapie und keinen Impfstoff gegen Covid-19
Die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verläuft bei den meisten Menschen mild. Doch gerade bei Risikopatienten kann der Erreger die Lungenerkrankung Covid-19 auslösen, die in schweren Fällen zur Lungenentzündung und sogar zum Tod führen kann. Derzeit werden weltweit verschiedene Mittel und ihre Wirkungen gegen das Coronavirus diskutiert und getestet. Medikamente dagegen gibt es aber bislang noch nicht.
Auch die Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ist nicht abgeschlossen. Über 100 verschiedene Forschungprojekte testen ihre potenziellen Mittel in klinischen Studien an Freiwilligen oder wollen damit in wenigen Monaten beginnen. Doch wann genau ein Impfstoff für die Bevölkerung verfügbar sein wird, kann kein Experte sicher sagen. Das Virus und seine Erkrankung bleiben auch für die Forscher eine Gefahr, die noch immer viele Rätsel aufgibt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur dpa