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Coronavirus-Triage: So entscheiden Ärzte, wer gerettet wird – und wer nicht


Notlage in der Corona-Pandemie
Triage: So entscheiden Ärzte, wer gerettet wird – und wer nicht

Von dpa, mra

Aktualisiert am 29.12.2021Lesedauer: 3 Min.
Ärzte auf einer Intensivstation: Sie müssen im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden.Vergrößern des Bildes
Ärzte auf einer Intensivstation: Sie müssen im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden. (Quelle: Claudio Furlan/LaPresse/AP/dpa)
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Die Infektionszahlen sind weiterhin hoch und auf immer mehr Intensivstationen im Land gibt es kaum noch freie Betten. Was passiert, wenn man nicht mehr alle Covid-19-Patienten behandeln kann?

Die Corona-Infektionszahlen in Deutschland sind weiterhin auf einem hohen Niveau. Einige Kliniken stehen bereits kurz vor dem Ernstfall und bereiten sich darauf vor: Ärzte müssen die Ressourcen an die Covid-19-Erkrankten verteilen – nach dem System der Triage.

Was bedeutet Triage?

Unter Triage wird in der Notfall- und Katastrophenmedizin die Einteilung von Verletzten oder Erkrankten im Fall eines Massenaufkommens von Patienten verstanden. Die Entscheidung darüber, wer behandelt wird, richtet sich dabei nach der Schwere der Infektion oder Krankheit.

"Triage" leitet sich von dem französischen Wort "trier" ab, das "sortieren" oder auch "aussortieren" bedeutet.

Das System kommt aus der Militärmedizin. Ende des 18. Jahrhunderts fanden sich im "Königlich-Preußischen Feldlazareth-Reglement" erste Angaben, wie Verwundete nach Schweregraden eingeteilt werden sollten. Unter Napoleon I. entwickelte der Militärchirurg Dominique Jean Larrey "fliegende Lazarette": Die Verwundeten wurden auf dem Schlachtfeld nach der Schwere ihrer Verletzungen sortiert und, wenn nötig, vor Ort behandelt. Der Begriff "Triage" wurde noch nicht verwendet, er setzte sich erst später durch.

Diese Kriterien gelten bislang in Deutschland

In Deutschland wird die Triage heutzutage in Notaufnahmen angewandt. Beim "Manchester Triage System" etwa wird der Patient innerhalb kürzester Zeit nach den folgenden Kategorien beurteilt:

  • Lebensgefahr
  • Bewusstsein
  • Blutverlust
  • Schmerzen
  • Temperatur
  • Krankheitsdauer

Entsprechend dieser Einschätzung wird er einer von fünf Dringlichkeitsstufen zugewiesen: sofort, sehr dringend, dringend, normal, nicht dringend. Diesen Gruppen wiederum sind maximale Wartezeiten zugeordnet, also die Zeitspanne, nach der ein Patient spätestens Arztkontakt haben soll.

Allerdings geht man im Krankenhausalltag gewöhnlich davon aus, dass alle Patienten bestmöglich behandelt werden können. Doch bereits im Frühjahr 2020 hatte die Corona-Situation in Italien gezeigt: Ärzte müssen bei hohem Patientenaufkommen und wenigen Intensivplätzen entscheiden, wer beatmet wird und wer nicht.

"Für diesen Fall muss es allgemeingültige, transparente Kriterien für die Triage geben", sagte Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) bereits zu Beginn der Pandemie.

Corona-Krise: Wer wird in Deutschland behandelt?

Ein Triage-Gesetz gibt es in Deutschland nicht. Es ist also nirgends explizit gesetzlich geregelt, wie Ärzte in Notfallsituation über Leben und Tod entscheiden müssen. Sieben medizinische Fachgesellschaften – unter anderem die Divi – haben bereits im März 2020 entsprechende Handlungsempfehlungen für die Triage in Corona-Zeiten erarbeitet. Die Leitlinien sollen die behandelnden Ärzte bei den schwierigen Entscheidungen unterstützen.

In dem elfseitigen Dokument heißt es: "Wenn nicht mehr alle kritisch erkrankten Patienten auf die Intensivstation aufgenommen werden können, muss analog der Triage in der Katastrophenmedizin über die Verteilung der begrenzt verfügbaren Ressourcen entschieden werden." So sei es "unausweichlich", eine Auswahl zu treffen, welche Patienten akut- oder intensiv-medizinisch behandelt werden "und welche nicht (oder nicht mehr)".

Die höhere Überlebenswahrscheinlichkeit entscheidet

Gibt es also mehrere Patienten in kritischem Zustand, aber nicht genügend Ressourcen, müssten Ärzte allein nach den klinischen Erfolgsaussichten entscheiden. Zum Beispiel: Wie ist der allgemeine Gesundheitsstatus? Welche Vorerkrankungen hat der Patient? Wie hoch ist der Sauerstoffgehalt im Blut? Es ist nach den deutschen Richtlinien nicht zulässig, aufgrund des Alters oder sozialer Kriterien eine Entscheidung zu treffen.

Wie das Bundesverfassungsgericht am 28. Dezember urteilte, brauchen Menschen mit Behinderung einen besonderen Schutz bei der Triage. Vorausgegangen war eine Verfassungsbeschwerde von neun Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen. Sie befürchten, von Ärzten aufgegeben zu werden, wenn keine Vorgaben existieren. Das höchste deutsche Gericht gab ihnen nun recht. Mehr dazu lesen Sie hier.

Die Empfehlungen sprechen sich außerdem für ein Mehr-Augen-Prinzip aus. Wenn möglich sollten zwei intensivmedizinisch erfahrene Ärzte gemeinsam mit einem Vertreter des Pflegepersonals und anderen Fachleuten beschließen, welche Patienten welche Behandlung bekommen. Dabei dürfen Corona-Erkrankte auch nicht vor beispielsweise Krebs- oder Schlaganfall-Patienten bevorzugt werden.

Generell gilt in Deutschland immer die Regel: möglichst viele Menschenleben retten.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Ärzte Zeitung
  • DIVI-Register
  • Quarks: "Was das Triage-System zu bedeuten hat"
  • Eigene Recherche
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