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Neue Insulintablette könnte Diabetiker von der Spritze erlösen


Pille statt Nadel?
Neue Insulintablette könnte Diabetiker von der Spritze erlösen

t-online, Larissa Koch

27.06.2018Lesedauer: 2 Min.
Frau spritzt sich InsulinVergrößern des Bildes
Insulinspritze: Alltag für Millionen Diabetiker – sie wären die Nadel gern los. (Quelle: dolgachov/getty-images-bilder)

Bereits vor einem Jahr war die Hoffnung groß. Es wurde eine Tablette entwickelt, die Diabetikern endlich das lästige Spritzen von Insulin ersparen würde. Aber die Entwickler brachten die Pille nicht auf den Markt. Zu teuer. Jetzt gibt es wieder eine – und damit neue Hoffnung für Menschen mit Diabetes.

Das Stoffwechselhormon Insulin in den Körper zu schleusen, ist gar nicht so einfach. Mit einer Spritze leitet man es subkutan, das heißt in das Unterhautfettgewebe, schnell in die Blutbahn, wo es seine Arbeit macht. Eine Kapsel mit Insulin muss im Körper erst mehrere Barrieren überwinden. Zunächst muss Insulin durch den Magen. Die Säure zerstört das eiweißbasierte Hormon jedoch. Die nächste Hürde liegt im Darm. Die Schleimhäute der Darmwand lassen Insulin nicht durch. Das Hormon schafft es nicht in die Blutbahn.

Diese beiden Barrieren haben Forscher von der University of California in Santa Barbara nun umschifft und eine Tablette entwickelt, die oral eingenommen werden kann und es trotzdem bis in den Blutkreislauf schafft. "Wir geben der Pille dafür sozusagen ein Schweizer Messer mit. Sie hat für jedes Hindernis ein spezielles Werkzeug zur Verfügung", beschreibt der Mitautor der Studie, Samir Mitragotri, das Verfahren.

Wie funktioniert die Insulintablette?

Die Pille hat eine magensaftresistente Hülle. Das Insulin in der Kapsel ist zudem von einer speziellen Flüssigkeit aus Geraniumsäure und dem Mikronährstoff Cholin umgeben. Der Schutzmantel gegen die Magensäure löst sich erst im Dünndarm auf und gibt das Insulin frei. Die Spezialflüssigkeit, die das Insulin umgibt, sorgt nun dafür, dass das Hormon nicht von Verdauungsenzymen aufgespalten wird. Zudem ist die Speziallösung in der Lage, die Darmwand zu passieren. Das Insulin gelangt so in den Blutkreislauf.

Noch befindet sich das neue Medikament in der vorklinischen Forschung. Das heißt, es wurde noch nicht an Menschen ausprobiert, dafür aber an Ratten. Bei den Nagern sank der Glucose-Spiegel im Blut deutlich. Das heißt, das Insulin hat seine Funktion erfüllt. Nach Aussage der Forscher hielt die Wirkung bis zu zwölf Stunden an – und damit sogar länger als bei Insulin, das mittels Spritze injiziert wird. Eine marktreife Tablette dürfte jedoch noch einige Jahre auf sich warten lassen, weil zunächst umfangreiche Studien und Zulassungsverfahren durchlaufen werden müssen. Und ob diese von Erfolg gekrönt sind, ist unklar.

Es gab schon einmal eine Insulintablette

Ein frühes Beispiel zeigt, dass eine Entwicklung neuer Diabetes-Medikamente abrupt enden kann. Denn es gab schon einmal einen vermeintlichen Durchbruch. Im Jahr 2017 entwickelten Forscher eine ganz ähnliche Insulintablette, die ebenfalls erfolgreich die Hürden im Organismus nahm. Und die Wirksamkeit entsprach etwa der einer Insulinspritze. Aber der Hersteller versuchte es erst gar nicht, das Medikament in Studien an Patienten auszutesten und bis zur Marktreife weiterzuentwickeln.

Der Grund: Es war schlicht zu teuer und für das Unternehmen nicht profitabel. Denn die Menge an Insulin, die für die Herstellung einer Kapsel benötigt wurde, lag um ein Vielfaches über der für eine klassische Insulinspritze. Der Hersteller versucht seither, eine andere Technologie zu entwickeln. Diabetiker müssen daher bis auf Weiteres die tägliche Insulinspritze verwenden.

Diabetes in Deutschland

Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) ist eine häufig vorkommende Stoffwechselerkrankung. Es werden verschiedene Formen unterschieden. Der Typ-1-Diabetes tritt vorwiegend bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf und beruht auf einer autoimmun verursachten Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen. Unter Erwachsenen dominiert der Typ-2-Diabetes, auch Altersdiabetes genannt. Der Typ-2-Diabetes manifestiert sich in der Regel erst jenseits des 40. Lebensjahres, kann aber auch schon bei jüngeren Menschen vorkommen. Bei Frauen spielt zudem der Schwangerschaftsdiabetes eine Rolle, der sich zwar nach der Entbindung in der Regel zurückbildet, aber das Risiko für die spätere Entwicklung eines Typ-2-Diabetes erhöht.

Aktuelle Ergebnisse des Robert Koch-Instituts zeigen, dass bei insgesamt 7,2 Prozent der Erwachsenen (4,6 Millionen) im Alter von 18 bis 79 Jahren jemals ein Diabetes diagnostiziert wurde. Im Vergleich zum "Bundesgesundheitssurvey 1998" (BGS98) entspricht dies einer Krankheitszunahme um etwa zwei Prozentpunkte. Bei einem weiteren Anteil von 2,0 Prozent der Erwachsenen (1,3 Millionen) muss von einem noch unentdeckten Diabetes ausgegangen werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind ca. 90 Prozent aller Diabeteserkrankungen dem Typ-2-Diabetes zuzuordnen.

Ein unzureichend kontrollierter Diabetes oder ein längerfristig unentdeckter Diabetes sind mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenfunktionsstörungen, Erblindung und Fußamputationen verbunden.

Quelle: Robert Koch-Institut (RKI)

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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