Schrittmacher im Gehirn Parkinson-Patient: "Für mich war die OP ein echter Neuanfang"
Bei der Parkinson-Krankheit sterben Nervenzellen im Gehirn. Die Betroffenen verlieren zunehmend die Kontrolle über ihre Bewegungen und ihre Mimik. Wenn das Zittern stärker wird, schwindet die Lebensqualität. Ein Schrittmacher im Gehirn kann das Leben der Patienten gewaltig verbessern.
Helmut Schröder war 49, als er beim Skifahren die Rechtskurve nicht mehr hinbekam. Auch eine Tür aufzuschließen, wurde für ihn zum Problem. Schon bald wurde bei ihm an einer Klinik in Hannover Parkinson diagnostiziert. Über sein Leben mit der unheilbaren Krankheit, die neben Alzheimer zu den häufigsten zerstörerischen Krankheiten des Nervensystems gehört, hat Schröder ein Buch geschrieben. Parkinson vergleicht er darin mit einer "Achterbahnfahrt für Fortgeschrittene".
Der Mut zur Gehirnoperation hat sich gelohnt
Heute ist Schröder 67 Jahre. Seit er sich vor eineinhalb Jahren in der Göttinger Uni-Klinik einen Hirnschrittmacher implantieren ließ, hat er seine Lebensfreude wiedergefunden. Die Sonde gibt elektrische Impulse in das Gehirn ab. "Ich kann alle Bewegungen machen, die ich möchte, ich kann Radfahren und die alten Hobbys wieder aufleben lassen", sagt Schröder. Die für Parkinson typische Starre trete nur noch "in milder Form" auf, auch das Sprechen sei besser geworden. Schröder kann auch wieder malen. Die Medikamente konnten bei ihm auf weniger als die Hälfte reduziert werden. "Meine Frau, die mir immer geholfen hat, ist jetzt praktisch arbeitslos", sagt Schröder. "Für mich war die OP ein echter Neuanfang."
Patient muss während der OP Fragen beantworten
Doch der Schritt zur Operation am Gehirn war ein "Riesenentschluss". Bei der tiefen Hirnstimulation werden zwei Elektroden mitten ins Gehirn, in den rechten und linken Nucleus subthalamicus geschoben. Dieses Areal ist vor allem für die Steuerung der Grobmotorik zuständig. Die Operation erlebt der Patient zumeist im Wachzustand, denn er soll "mitarbeiten". "Die Operation ist ziemlich unangenehm", sagt Schröder. Fünf Stunden habe er während des Eingriffs Fragen des OP-Teams beantworten müssen, bis der richtige Platz für die Sonde im Gehirn gefunden war.
Das Gehirn selbst ist schmerzunempfindlich. Mit einer lokalen Betäubung werden zwei Löcher in die Schädeldecke gebohrt, durch die später die Elektroden geschoben werden. Unter der Haut wird ein Kabel zum Schrittmacher geführt, der in einer späteren Operation im Bauch- oder Brustbereich eingesetzt wird. Bis das Steuergerät richtig eingestellt ist, können bis zu zwei Wochen vergehen.
Pro Jahr werden bis zu 800 Hirnschrittmacher eingesetzt
Rund 700 bis 800 Hirnschrittmacher werden nach Angaben des Düsseldorfer Neurologen und Neurowissenschaftlers Alfons Schnitzler pro Jahr implantiert. Die Zahl der bundesweit an Parkinson Erkrankten wird auf bis zu 280.000 geschätzt. Rund 30.000 Euro kostet die OP, die von den Kassen übernommen wird. "Es ist Potenzial für mehr da, aber es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Zentren, und es ist Aufklärung erforderlich", sagt Professor Schnitzler. "Es ist ja ein Eingriff ins Gehirn, da sind natürlich Ängste da."
Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Hirnstimulation? Der Trend gehe dazu, Patienten früher zu operieren, sagt Schnitzler. Anfangs seien die Schrittmacher erst nach 12 bis 14 Jahren Krankheitsdauer eingesetzt worden. "Jetzt sind wir bei sieben Jahren", sagt Schnitzler. "Wir machen es dann, wenn die medikamentöse Behandlung nicht mehr befriedigend ist."
Parkinson-Patienten können endlich wieder ihre Bewegungen koordinieren
In bestimmten Fällen sei schon bei Patienten unter 61 Jahren ein Hirnschrittmacher ratsam, meint auch Professor Lars Timmermann, Experte für tiefe Hirnstimulation an der Uniklinik Köln. Aber nicht für jeden Parkinson-Kranken kommt der Schrittmacher infrage. Vorher werden umfangreiche Gespräche mit Ärzten aus verschiedenen Bereichen geführt. "Es ist keine Zaubertherapie", sagt Timmermann. "Aber es kann eine tolle Option für den Einzelnen sein."
So kann sich ein stark zitternder Patient nach Einschalten des Hirnschrittmachers von einer Sekunde auf die andere wieder koordiniert bewegen. "Wir haben dramatische Therapieeffekte, aber verstehen bis heute noch nicht in allen Einzelheiten, wie es funktioniert", sagt Schnitzler.
Der Hirnschrittmacher kann die Persönlichkeit verändern
Bei den Geräten gab es in jüngster Zeit große technische Fortschritte. Ziel ist laut Schnitzler in zwei bis drei Jahren der sogenannte adaptive Schrittmacher, der die kranken Hirnbereiche nicht mehr unter ein 24-stündiges Dauerfeuer setzt, sondern störenden Nervenreize gezielt unterdrückt.
Die Sonde im Gehirn kann aber auch Nebenwirkungen haben. So besteht bei der Operation das Risiko, ein Gefäß zu verletzen und eine Hirnblutung auszulösen. Der Schrittmacher kann auch psychische Veränderungen auslösen. "Je nachdem, wie die Sonde liegt, kann man akut manische oder depressive Zustände erzeugen", sagt Schnitzler. Auch Neurologe Timmermann hat beobachtet, dass manche Patienten nach dem Eingriff von Persönlichkeitsveränderungen sprechen.
"Ich kann sogar wieder Schach spielen"
Helmut Schröder verspürt eineinhalb Jahre nach der Operation keine Nebenwirkungen. "Ich kann wieder Schach spielen und sogar wieder an der Deutschen Ärztemeisterschaft teilnehmen", freut sich der Psychiater. Dennoch warnt auch er vor zu hohen Erwartungen: "Man muss wissen, dass die Operation Parkinson nicht heilt, sondern nur Jahre hinauszögert."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.