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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gegen Vergesslichkeit Kann Gedächtnistraining helfen?
Mit fortschreitendem Alter sterben zunehmend Nervenzellen ab. Vergesslichkeit macht vielen Menschen Angst. Kann Gedächtnistraining das Gehirn fit halten?
Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. zufolge sind rund 1,8 Millionen Deutsche von einer Demenzerkrankung betroffen. Die meisten von ihnen haben die Alzheimer-Krankheit. Schätzungen zufolge sind in Deutschland derzeit mehr als 100.000 Menschen unter 65 Jahren an einer Demenz erkrankt.
Auch bei gesunden Menschen lässt die Gedächtnisleistung mit zunehmendem Alter nach. Doch was kann man gegen altersbedingtes und krankhaftes Vergessen tun? Kann Gedächtnistraining helfen, den Gedächtnisverlust zu verlangsamen? t-online hat mit einer Expertin gesprochen.
Für eine gute Gehirnleistung: Das Gehirn will trainiert werden
Das Gehirn wiegt etwa 1,5 Kilogramm und enthält bis zu 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die über 100 Billionen Nervenverbindungsstellen (Synapsen) miteinander verbunden sind. Die Nervenzellen sind wie eine riesige Schaltzentrale: Sie verarbeiten unablässig Informationen und Reize und leiten diese an andere Nervenzellen weiter.
Zur Person
Professor Dr. Kathrin Reetz ist Präsidentin der Deutschen Hirnstiftung, geschäftsführende Oberärztin und Leiterin Neurologischen Gedächtnisambulanz in der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen.
Auch wenn mit zunehmendem Alter immer mehr Gehirnzellen absterben, ist es möglich, auch im hohen Alter eine gute Gedächtnisleistung zu haben – wenn wir die vorhandenen Gehirnzellen regelmäßig fordern.
"Das Gehirn braucht, ähnlich wie ein Muskel, immer wieder neue Reize und will gefordert werden, damit es leistungsfähig bleibt. Regelmäßiges Lernen und Aktivität tragen dazu bei, die Gehirnfunktion zu stärken", sagt Prof. Kathrin Reetz, Präsidentin der Deutschen Hirnstiftung und Leiterin der Neurologischen Gedächtnisambulanz in der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen.
Gegen Vergesslichkeit: Was will das Gehirn lernen?
Lernen und Forderung sind der Expertin zufolge entscheidend, um die Gehirnleistung zu fördern. Doch wie trainiert man sein Gehirn im Alltag am besten? Das Gedächtnis freut sich über immer neue Aufgaben, beispielsweise:
- das Erlernen eines neuen Hobbys – das kann kreativ oder sportlich sein (Basteln oder Tanzen)
- das Erlernen einer neuen Sprache
- das Erlernen und Singen von Liedern
- das Erlernen eines Instruments
- Reisen
- den Austausch mit anderen Menschen (durch Treffen, im Gespräch, durch Briefeschreiben)
- regelmäßige Bewegung und Sport
- spielerische Aktivitäten wie Kreuzworträtsel lösen, Sudoku, Memory spielen, Puzzeln und andere
- Gedächtnistraining mit speziellen Übungen, welche beispielsweise Logik, räumliches Vorstellungsvermögen, Rechnen und Sprache trainieren.
- ehrenamtliche Tätigkeiten
"Lernen und Gedächtnistraining regen unser Gehirn an. Wir können unsere Sprachfähigkeiten, unsere Konzentration, unser logisches Denken, unsere Gedächtnisfähigkeit und unser Erinnerungsvermögen stärken und der Vergesslichkeit damit ein Stück weit entgegenwirken", sagt Reetz. "Allerdings sollten wir aufpassen: Stellt sich der Gewöhnungseffekt ein, sind die Aufgaben für das Gehirn keine Herausforderung mehr."
Kann Gedächtnistraining eine Demenz vorbeugen?
Bei einer Demenz der Alzheimer-Krankheit, also einer anhaltenden oder fortschreitenden Beeinträchtigung des Gedächtnisses, lassen die Gehirnfunktionen deutlich rascher nach als beim natürlichen Alterungsprozess. Denn beispielsweise bei der Alzheimer-Krankheit sterben mehr und mehr Nervenzellen im Gehirn ab. Man geht davon aus, dass Eiweißablagerungen im Gehirn (Plaques) und ein veränderter Gehirnstoffwechsel hierbei eine bedeutende Rolle spielen. Allein durch ein Gehirntraining lässt sich dieser Vorgang nicht aufhalten. Medikamente können helfen, die Krankheit zu verlangsamen. Heilbar ist die Alzheimer-Krankheit nicht.
Möglich ist aber, mit Gedächtnistraining die vorhandenen Gehirnzellen so zu trainieren, dass sie den Verlust bereits untergegangener Gehirnzellen eine Zeitlang ausgleichen können. "Möglich ist das dank der großen Menge an vorhandenen Nervenzellen und Verknüpfungen. Das Gehirn kann schwächer werdende Hirnbereiche dadurch ziemlich lange ausgleichen und Demenz-Symptome so abmildern", erklärt Reetz.
Risiko Vergesslichkeit: Das sind die 13 größten Gefahren für das Gehirn
Als größte Risikofaktoren für eine nachlassende geistige Fitness bis hin zu Demenz gelten:
- Bewegungsmangel
- Übergewicht
- Bluthochdruck
- Diabetes
- übermäßiger Alkoholkonsum
- Rauchen
- eine eingeschränkte Hörfähigkeit
- ein Mangel an sozialen Kontakten
- Depressionen
- mangelnde Bildung
- Kopfverletzungen
- Feinstaubbelastung
- Schlafmangel
"Ein gesunder und aktiver Lebensstil ist maßgeblich für eine gute Gehirnleistung", sagt Reetz. "Wer die genannten dreizehn Risikofaktoren möglichst meidet, bei einer Schwerhörigkeit beispielsweise ein Hörgerät nutzt, auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung achtet und Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus behandeln beziehungsweise gut einstellen lässt, trägt eine Menge zur eigenen Gehirn-Fitness bei."
Wann ist es Vergesslichkeit, wann Demenz?
Fast jeder kennt es: Schlüssel vergessen, Termin verpasst, Name entfallen. Doch wann ist Vergessen unbedenklich und wann wird sie zum Warnzeichen? Meist sind es stressige Phasen, in denen unser Gehirn mit Vergesslichkeit reagiert. Die Gehirnleistung wird wieder besser, wenn mehr Entspannung in den Alltag kommt. Aufmerksam werden sollte man, wenn sich die Vergesslichkeit nicht wieder legt und langsam im weiteren Verlauf zunimmt.
"Auch ist es ein Warnsignal, wenn Vergessenes nicht wieder erinnert wird oder die Vergesslichkeit beginnt, den Alltag zunehmend zu belasten", sagt Reetz. "Bei zunehmender Vergesslichkeit ist es wichtig, die Leistungsfähigkeit des Gehirns untersuchen zu lassen und zu schauen, welche Ursache hinter der abnehmenden Gedächtnisleistung steckt, damit diese entsprechend behandelt werden kann."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Interview mit Univ.-Prof. Dr. med. Kathrin Reetz
- "Demenz und Alzheimer". Online-Information der Deutschen Hirnstiftung: hirnstiftung.org (Abrufdatum: 27.5.2024)
- "Alzheimer: Ursachen und Veränderungen im Gehirn". Online-Information der Alzheimer Forschung Initiative e. V.: alzheimer-forschung.de (Abrufdatum: 27.5.2024)
- "Risikofaktoren für die Alzheimer-Krankheit". Online-Information der Alzheimer Forschung Initiative e. V.: alzheimer-forschung.de (Abrufdatum: 27.5.2024)
- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): "S3-Leitlinie Demenzen" (PDF) AWMF Register-Nr. 038-013. (Stand: 2023)
- "Deutsche Alzheimer Gesellschaft stellt neue Zahlen zur Demenz vor: Deutlich mehr Erkrankte unter 65 Jahren als bisher angenommen". Online-Informationen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V.: www.deutsche-alzheimer.de (Stand: 16.8.2022)
- "Unser Gehirn - was es leistet, was es krank macht". Online-Information der Deutschen Hirnstiftung: hirnforschung.org (Stand: 29.9.2021)
- "Alzheimer-Demenz". Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de (Stand: 25.8.2021)
- "Wie funktioniert das Gehirn?" Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de (Stand: 28.7.2021)
- "Diagnose Demenz: Krankheitsbild und Verlauf". Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit: www.bundesgesundheitsministerium.de (Stand: 28.9.2021)