Wenn Kinder Tattoos wollen "Bunter Pfau sein, statt nur Amsel"
Warum soll es den Promis anders ergehen als normalen Müttern und Vätern? Der 13-jährige Sohn von Angelina Jolie und Brad Pitt will sich tätowieren lassen. Da gehen rasch die Gegenargumente aus, wenn man selbst tätowiert ist. Und so ein Tattoo wie Rihanna es hat, das hätten viele Mädels heute gerne. Das allerdings eine heikle Angelegenheit, wie Rechtsanwalt Urban Slamal aus Düsseldorf erläutert.
Angelina Jolie hat selbst ein Dutzend Tattoos auf ihrem schönen Körper, darunter einen großen bengalischen Tiger über dem Po. Mamas und Papas im eigenen Bekanntenkreis haben meist eher einen Schmetterling auf dem Rücken, ein sogenanntes "Arschgeweih" oder ein Tribal auf dem Arm. Da die Tattoos der Eltern den Kindern bestens vertraut sind, wollen viele als Jugendlichen selbst welche.
Minderjährige besser nicht tätowieren
In Deutschland gibt es kein gesetzliches Mindestalter für Tätowierungen. Streng genommen ist das Stechen eines Tattoos eine Form der Körperverletzung, die aber im Tattoo-Studio durch den Auftrag des Kunden legalisiert wird. Minderjährige sind nur beschränkt geschäftsfähig, deshalb sind mit ihnen geschlossene Verträge unwirksam, so lange unwirksam wie sie nicht von den Eltern genehmigt oder mit Geld bewirkt wurden, das dem Jugendlichen zur freien Verfügung gestellt wurde.
"Ich rate davon ab, Minderjährige zu tätowieren. Damit ist man auf der sicheren Seite", sagt Rechtsanwalt Slamal vom Bundesverband Tattoo e.V, der sich auf die juristischen Aspekte des Tätowierens spezialisiert hat.
Auch die verbreitete Praxis, Jugendliche ab einem bestimmten Alter zu tätowieren, wenn sie eine Einwilligungserklärung der Eltern vorlegen oder von ihnen begleitet werden, hat keine sichere rechtliche Grundlage. "Relevant ist nicht das Alter, sondern die geistige Reife des Jugendlichen. Aber die kann der Tätowierer nicht prüfen." Ob die Eltern im Falle eines verstandesunmündigen Jugendlichen wirksam einwilligen könnten, sei rechtlich nicht abschließend geklärt. Salopp gesagt, bewahrt eine Einwilligungserklärung der Eltern nur vor späterem Ärger mit diesen.
Wenn Väter ihren zwölfjährigen Kindern ein Tattoo erlauben
Außerdem ist nicht immer vorauszusetzen, dass Eltern ihre Fürsorgepflicht zum Wohle ihres Kindes ausüben: "Der krasseste Fall, den ich mal hatte, war ein Zwölfjähriger, der mit seinem Vater bei mir im Laden stand und ein Tattoo wollte", erzählte Tattoo-Artist "Dea Vectorink", mit bürgerlichem Namen Andrea Brandt. "Der Vater fand das gut, er meinte, 'der Junge muss seine eigenen Fehler machen'". Für Dea war klar, dass sie diesem Kind kein Tattoo sticht.
Das verbietet der Tätowierer-Ehrenkodex
Die meisten Tätowierer haben eine Art Ehrenkodex und stechen auch volljährigen Jugendlichen nicht jedes gewünschte Tattoo. "Für mich sind auch 16- oder 17-Jährige noch nicht so weit", erklärt Dea. "Wir behalten uns vor, nicht zu tätowieren, wenn wir es nicht verantworten können." Besonders heikel sind Tattoos, die normalerweise nicht bedeckt sind, also auf Gesicht, Hals, Fingern, Händen. "Auf die Hand oder die Finger tätowieren wir Leute erst, wenn sie wissen, was es bedeutet."
Der Dank vieler Eltern ist ihr dann sicher, denn immer wieder stehen Kinder in ihrem Laden. Nicht selten hört sie dann den Satz: "Ich hab es dir ja gleich gesagt". Die Eltern sind froh, dass dann der "Schwarze Peter", die Absage an das Tattoo, nicht mehr bei ihnen, sondern beim Tätowierer liegt.
Gesicht, Hals, Hände sind für Jugendliche tabu
Doch was wollen die Jugendlichen eigentlich, welche Motive wählen sie und welche Gründe treiben sie zu dieser dauerhaften Veränderung? "Sie wollen sein wie alle anderen oder so hübsch wie Rihanna, sie wollen dazugehören, anstatt ein individuelles Tattoo zu haben", meint Dea. Das heißt "ein Tattoo haben, klein und dezent, aber am Finger". Im Trend liegen Pusteblumen, Vogelsilhouetten, das Unendlich-Zeichen mit Text oder Rihannas "Shhh...". Für die Tätowiererin ist klar: "Sie wollen bunter sein, als sie eigentlich sind, sie wollen Pfau sein, sind aber nur eine Amsel."
Momentan kommen in den Laden "The Rusty Anchor" in Gerolstein mehr Mädchen und junge Frauen zum Tätowieren, die Jungs fragen häufiger nach Piercings und dehnen sich die Ohrläppchen.
Berufsverbot wegen Tattoos
Die Tätowierer im "The Rusty Anchor" sprechen erst mit den Kunden, es geht um das Motiv, aber auch um die Lebenssituation des Kunden. "Ich würde zum Beispiel nie einem Abiturienten, der gerade vor den Prüfungen steht, Gesicht und Hals tätowieren. Schließlich weiß er noch nicht, was er im Leben machen will. Einige Arbeitgeber lehnen das auch ab". Darunter sind Polizei, Banken oder Airlines.
Immer wieder landen solche Fälle vor den Arbeitsgerichten: Bewerber, die wegen eines Tattoos abgelehnt wurden. Meist erhält der Kläger Recht, doch nur dann, wenn der Arbeitgeber sich in der Ablehnung auch explizit auf die Tätowierung bezogen hat.
"Natürlich wird keiner aus seinem Job rausgeschmissen, wenn er sich ein Tattoo stechen lässt", meint Dea. "Aber der Arbeitgeber kann verlangen, dass die tätowierten Stellen bedeckt werden."
Sie selbst hatte schon mal eine Absage für einen Aushilfsjob bei einer Airline kassiert, denn im Umgang mit ausländischen Gästen will man keine Missverständnisse riskieren. "Obwohl ich nur freundliche Motive habe", meint Dea.
Notfalls macht es ein Kumpel
Ihr Tipp für alle, die unbedingt ein Tattoo wollen: "Guckt euch an, ob die Tätowierer selbst gepflegt sind. Wie sehen die Tattoos aus, die sie gestochen haben? Sprecht mit deren Kunden. Das Schlimme ist allerdings, wenn Tätowierer Interessenten ablehnen, finden sie doch irgendwo ein Studio, das ihnen das Tattoo macht, dann aber meist schlechter", warnt sie. "Bei ebay gibt es Tätowiersets für 50 Euro, damit sticht es einer seinem Kumpel zuhause auf dem Sofa. Es hat ja einen Grund, warum der dann kein Studio hat."
Nichts ist für immer - im Notfall: weglasern
Und was tut man, wenn man es dann doch mal bereut? "Weglasern", empfiehlt Dea. "Die Methode hat sich glücklicherweise weiterentwickelt."
Dea selbst hat Arm und Bein komplett tätowiert, mit eigenen Kindern wäre sie streng: "Mein Mann und ich haben darüber schon oft gesprochen. Wir wären auf jeden Fall sehr streng. Vor 18 auf keinen Fall!" Für die 29-Jährige ist das vernünftig, denn "wir wissen aus den Erfahrungen, die wir gemacht haben, dass man persönlich gefestigt sein muss."
Manche Mitmenschen würden nämlich keine Grenzen kennen. Völlig Fremde würden nach der Bedeutung und Auswahl des Motivs fragen und sogar anfassen wollen, darauf muss man gefasst sein. "Und manche Jugendliche muss man vor den eigenen Eltern schützen."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.