Schlafforschung Das Familienbett wird immer beliebter
Die Zeiten, in denen man ein Kind in seinem eigenen Zimmer schreien ließ, bis es sich in den Schlaf geweint hat, sind vorbei. Der Trend geht in eine andere Richtung: Immer mehr Eltern entscheiden sich für ein Familienbett und werden von der Schlafforschung bestätigt. Die kuschelige Nähe hat nicht für Mutter und Kind viele Vorteile, auch dem Vater beschert sie ruhigere Nächte.
Jede Familie muss für sich entscheiden
Drei Paare haben der Elternredaktion von t-online einen kleinen Einblick in ihr Schlafzimmer gewährt. Sie stehen dafür, dass jede Familie für sich ihren eigenen Weg finden muss und kann. Das heißt, auf die Bedürfnisse der Kleinen eingehen, aber auch die eigenen nicht aus den Augen verlieren. Wo für die einen nur das klassische Familienbett infrage kommt, haben sich die anderen für eine Mischform entschieden.
Schlafrhythmus von Mama und Baby gleichen sich an
Schlafforscher haben herausgefunden, dass sich die Schlafrhythmen von Mutter und Kind im gemeinsamen Bett angleichen. Die Mutter bekommt deutlich mehr Erholung in der Nacht, wenn das Baby sie nicht mehr aus dem Tiefschlaf reißt, wenn es seine Bedürfnisse anmeldet.
Das ist nicht der einzige Vorteil einer Schlafsituation, die bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei uns üblich war. Durch das gemeinsame Schlafen bekommt das Kind zusätzliche Nähe, seine Bedürfnisse werden sofort gestillt - oft im wahrsten Sinne des Wortes - und das nächtliche Herumtragen eines schreienden Säuglings reduziert sich deutlich, denn die Mutter reagiert automatisch sehr früh auf ein Unwohlsein des Kindes.
Psychologische Bedeutung eines Familienbetts
Die Psychotherapeutin Jean Liedloff berichtet in ihrem 1980 erschienenen Buch "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück" vom Leben der Yequana-Indianer im Dschungel Venezuelas, bei denen sie zweieinhalb Jahre verbrachte. Dort konnte sie beobachten, welche positiven Auswirkungen ein dauernder Körper- und Sozialkontakt auf die Entwicklung eines Kindes haben kann.
Aus diesen Beobachtungen entwickelte Liedloff das "Continuum Concept", dem zufolge Menschen vor allem im Säuglings- und Kleinkindalter positive Nähe-Erfahrungen brauchen, um sich körperlich und seelisch gesund entwickeln zu können. Dazu gehört nicht nur das dauernde Tragen am Körper zumindest im ersten Jahr und das Stillen nach Bedarf. Dazu gehört eben auch das gemeinsame Schlafen im Familienbett. "Nachts schläft seine Mutter an seiner Seite, ihre Haut wie immer an der seinen, während sie atmet und sich bewegt (…) Erwacht er hungrig in der Nacht, gibt er vielleicht sanftes Grunzen von sich, wenn er die Brust nicht gleich findet; dann wird sie sie ihm geben und sein Wohlbefinden wird wieder hergestellt sein."
Nächtliches Auftanken beim Co-Sleeping
Auch Bindungstheoretiker halten viel vom so genannten Co-Sleeping. Es stärke die Eltern-Kind-Bindung und helfe gerade auch einem Kleinkind, sich nachts so viel Nähe zu holen, dass es seinem Unabhängigkeitsbestreben tagsüber problemlos nachgehen könne. Sozusagen ein nächtliches Auftanken.
Gegenwind von den Omas
Doch noch heute stoßen gerade Erstlingsmütter häufig auf Ablehnung, wenn sie ein Familienbett planen. Nicht zuletzt deswegen, weil ihre Mütter und Schwiegermütter meist noch aus der Generation stammen, in der es verpönt war, sein Kind dauernd bei sich zu haben. Denen die Kinder direkt nach der Geburt weggenommen wurden, damit sich die Mutter mal ausruhen könne und die immer wieder zu hören bekamen, dass man ein Baby nur ja nicht verwöhnen solle. Sich hier zur Wehr zu setzen und seinen eigenen Weg zu gehen, verlangt heutigen Müttern oft einiges ab.
Langsam setzt sich aber auch in unserer Gesellschaft immer mehr der Gedanke durch, dass Kinder deutlich mehr Nähe brauchen, als man ihnen jahrzehntelang - zumindest vonseiten der Theoretiker - zugestehen wollte. Das zeigt sich unter anderem im inzwischen durchaus üblichen Familienzimmer nach der Geburt, aber auch in der Tatsache, dass es Eltern erlaubt wird, bei ihrem Kind zu schlafen, wenn dieses ins Krankenhaus muss.
Die Voraussetzungen müssen stimmen
Doch noch immer wird die Angst vor dem Familienbett geschürt - vor allem im Hinblick auf den plötzlichen Kindstod. Der natürliche Wunsch nach Nähe wird bei frischgebackenen Eltern damit verständlicherweise überlagert von der Besorgnis. Es ist keine Frage, dass es Faktoren gibt, die das Schlafen im Familienbett gefährlich machen. Dazu gehört die Einnahme von starken Medikamenten, Drogen oder Alkohol. Rauchenden Eltern wird in diesem Zusammenhang grundsätzlich abgeraten, das Bett mit dem Kind zu teilen. Bestimmte Bettwäsche oder Wasserbetten stehen ebenfalls im Verdacht, das Risiko von SIDS zu erhöhen.
Wer zu besorgt ist, sein Kind aber trotzdem bei sich haben möchte, greift heute oft auf ein Beistellbettchen zurück, das so konstruiert wurde, dass man es mit einem direkten Matratzenübergang an das Elternbett heran schieben kann. So kann das Kind erstens nicht herausfallen und hat zweitens einen eigenen Schlafplatz in Griffweite zur Mutter.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.