Vegetarische Ernährung So leben Eltern und Kinder fleischlos glücklich
Ob ökologische, gesundheitliche, moralische oder religiöse Motive - es gibt viele gute Gründe, auf Fleisch zu verzichten. Leben Eltern vegetarisch, stehen sie irgendwann vor der Entscheidung, ob sie auch ihre Kinder so erziehen wollen. Was gibt es aus ernährungswissenschaftlicher Sicht zu beachten? Welche Folgen hat es für den sozialen Alltag der Kinder? Und schließlich der pädagogische Aspekt: Wie erkläre ich meinem Kind altersgerecht, warum es besser sein soll, kein Fleisch zu essen?
"Das Thema vegetarische Erziehung ist hochaktuell", sagt Silke Bott, Vorstandsmitglied beim Vegetarierbund Deutschland (Vebu). Nicht zuletzt wegen der vielen Lebensmittelskandale verzichteten immer mehr Menschen bewusst auf Fleisch und Fisch. "Und wenn beide Elternteile überzeugte Vegetarier sind, erziehen sie ihr Kind in der Regel auch vegetarisch." Besonders bei Paaren, bei denen ein Elternteil Fleisch isst, könne die Frage jedoch zu Spannungen führen. Dann ist es wichtig, dass die Eltern offen miteinander reden, um eventuelle Befürchtungen oder Ungewissheiten aus der Welt zu schaffen.
Gesund ohne Mangelerscheinungen
Ein Konfliktpunkt ist dabei immer die Sorge, dass Kinder Mangelerscheinungen haben könnten, wenn sie kein Fleisch essen. Dem widerspricht Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn: "Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist eine vegetarische Erziehung von Kindern kein Problem." Denn die Annahme, dass nur Fleisch den Körper angemessen mit wertvollen Eiweißen versorgen kann, ist ein alter Hut.
Die Freiburger Ökotrophologin und Kochbuchautorin Dagmar Freifrau von Cramm, verweist auf neue Untersuchungen: "Sie haben gezeigt, dass deutsche Kinder eher zu viel Eiweiß durchs Essen bekommen." Der Verzicht auf Schnitzel und Frikadelle sei daher überhaupt nicht dramatisch, zumal der Ausgleich durch pflanzliche Produkte schnell hergestellt sei. Schon 100 Gramm Linsen liefern dem Körper zum Beispiel 24 Gramm Eiweiß. Dieselbe Menge Hühnerfleisch bringt dagegen nur rund elf Gramm, Schweinefleisch knapp 20 Gramm Eiweiß.
Eisenaufnahme sicherstellen
Das wichtige Spurenelement Eisen bekommen Kinder im Säuglingsalter über die Muttermilch und später durch den Verzehr von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Beeren und verschiedenen Gemüsesorten wie Fenchel oder Mangold. Damit pflanzliches Eisen gut vom Körper verarbeitet werden kann, sollte man eisenhaltige Nahrungsmittel gemeinsam mit Vitamin C geben, so Borchard-Becker. Dazu könnten Eltern beispielsweise einfach einen Schuss Orangensaft in den Hirsebrei geben. Denn Hirse eigne sich wie auch Hafer hervorragend für die Eisenzufuhr. Aber vor allem Milch, Eier und Milchprodukte hemmen die Aufnahme von Eisen und sollten nicht zusammen mit eisenhaltiger Nahrung auf den Teller kommen.
Besonders wichtig ist die ausgewogene Nährstoffaufnahme in den ersten drei Lebensjahren: "In dieser Zeit brauchen Kinder mehr Nährstoffe, weil sie weniger essen", sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Dies gilt aber sowohl für Kinder, die Fleisch essen, als auch für Kinder, die vegetarisch essen.
Immer mehr vegetarische Kindergärten
Wenn die Kinder später in den Kindergarten kommen, tauchen ganz neue Probleme auf. Aber in vielen Kindergärten sei vegetarisches Essen mittlerweile weit verbreitet, sagt Bott vom Vebu. Dabei gebe es aber ein Stadt-Land-Gefälle: "In Großstädten ist es wesentlich einfacher, seine Kinder vegetarisch zu erziehen." Ein zentrales Suchregister für Kindergärten mit vegetarischem Essen existiere nicht. "Da hilft es im Zweifelsfall nur, jeden einzelnen anzurufen."
Vegetarismus vertreten
Der Kindergarten ist häufig der erste Ort, an dem vegetarisch erzogene Kinder auf Gleichaltrige treffen, die Fleisch essen. Damit stehen die Eltern vor neuen Herausforderungen. Die ersten Lebensjahre seien zwar sehr prägend dafür, was Kinder mögen und was nicht, erklärt der Ernährungspsychologe Professor Joachim Westenhöfer von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. "Aber sobald Kinder in Kontakt zu anderen Kindern kommen, übernehmen sie auch deren Vorlieben und wollen sich von den Eltern absetzen." Das ist ganz normal für Kinder, wenn sie gerade verschiedene Phasen ihrer Entwicklung durchleben.
Keinen Druck ausüben - Eltern müssen erklären
Was tun, wenn die Kinder ein Salamibrot oder ein Würstchen probieren möchten? "Auf keinen Fall mit Verboten arbeiten", rät Ernährungspsychologe Westenhöfer, "denn das erhöht nur den Reiz." Wichtig sei, dass die Eltern erklärten, warum man besser auf Fleisch verzichte. "Die Kinder wollen auf diese Frage eine gute Antwort erhalten." Das sieht auch Silke Bott vom Vebu so: "Man kann Drei- oder Vierjährigen nicht erzählen, dass Fleischesser für den Welthunger verantwortlich sind." Eltern müssten kindgerechter erklären und deutlich machen, dass sie vegetarische Kost lieber mögen. Eine ganz einfache und schlüssige Begründung für Kinder wäre zu sagen, dass es viel schöner ist mit lebendigen Tieren zu spielen - so wie mit dem Haustier - als ein Tier, egal welches, auf seinem Teller zu haben und zu essen. Wenn Kindern gewisse Ansichten zuhause vorgelebt und erklärt werden, fühlt sich das Kind sicher und kann seine Essgewohnheiten unter Umständen auch mit Entschlossenheit bei Kindergartenfreunden vertreten. "Essen darf niemals mit Schuldgefühlen verbunden sein, da es sonst zum Problem werden kann", empfiehlt Silke Bott. Es bringt nichts, Kinder zu einem Essensstil, egal welchem, zu zwingen.
Vegetarisch während der Schwangerschaft
Nach Angaben der American Dietetic Association bringt die vegetarische Ernährung auch während der Schwangerschaft Vorteile. Die künstliche Zufuhr von Folsäure für Schwangere, die oft empfohlen wird, ist nicht nötig, denn Vegetarier nehmen viel mehr Folsäure zu sich als Fleischesser. Lediglich sollten werdende und stillende Mütter auf eine Zufuhr von Vitamin B12 und Vitamin D achten. Eine ausgewogene fleischlose Ernährung sei absolut unbedenklich und gesundheitsfördernd. Die Milch von vegetarischen Müttern ist wesentlich geringer mit Umweltgiften belastet, ergaben Untersuchungen. Frauen, mit einer familiären Disposition für Lebensmittelallergien, geben diese Allergie seltener an ihre Nachkommen weiter, wenn sie während der Schwangerschaft die Allergie-Auslöser sowie Fleisch, Milch und Fisch vermeiden. Mütter, die während der Stillzeit Kuhmilch trinken, geben über die Muttermilch Rinder-Antikörper an ihre Kinder weiter, was bei manchen Kindern zu Koliken führen kann.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.