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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vorsorge treffen Pflegezusatzversicherung: Ist sie sinnvoll?
Ob im Heim oder zu Hause – Pflege wird für Betroffene immer teurer. Ein Ausweg kann eine Pflegezusatzversicherung sein. Was Sie dabei beachten sollten.
Inhaltsverzeichnis
- Was deckt die gesetzliche Pflegeversicherung ab?
- Welche Kosten müssen Pflegebedürftige selbst tragen?
- Für wen ist eine Pflegezusatzversicherung sinnvoll?
- Welche Varianten der Pflegezusatzversicherung gibt es?
- Worauf sollte ich beim Abschluss achten?
- Gibt es Alternativen zur Pflegezusatzversicherung?
- Wann müssen Angehörige zahlen?
Viele sorgen sich, im Alter zum Pflegefall zu werden und die Kosten nicht tragen zu können. Zwar unterstützt die gesetzliche Pflegeversicherung Betroffene, doch der monatliche Eigenanteil kann je nach Pflegegrad und Region mehrere tausend Euro betragen.
Manch einer denkt deshalb darüber nach, eine Pflegezusatzversicherung abzuschließen. Wir zeigen, für wen das sinnvoll ist, welche Varianten der Zusatzversicherung es gibt und worauf Sie vor einem Abschluss achten sollten.
Was deckt die gesetzliche Pflegeversicherung ab?
Gesetzlich oder privat Pflegeversicherte haben Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Diese richten sich nach dem Pflegegrad und werden unabhängig vom Vermögensstand gewährt. Je höher der Pflegegrad, desto höher sind die Leistungen der Pflegekasse.
Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen Überblick:
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Zur Erklärung: Pflegegeld gibt es für die Pflege durch Angehörige zu Hause und Pflegesachleistungen für die professionelle Pflege zu Hause.
Die Leistungen mögen zwar umfangreich aussehen, sie decken aber meist nur einen Teil der tatsächlich anfallenden Pflegekosten. Die Lücke müssen Pflegebedürftige selbst füllen – entweder aus eigenem Einkommen wie einer Rente oder aus dem eigenen Vermögen. Erst wenn dort nichts zu holen ist, hilft das Sozialamt. Womöglich müssen auch Unterhaltspflichtige wie der Ehepartner oder Ihre Kinder einspringen. Allerdings gilt für Angehörige mittlerweile eine hohe Einkommensgrenze (siehe unten).
Welche Kosten müssen Pflegebedürftige selbst tragen?
Obwohl der Staat inzwischen höhere Entlastungszuschläge gewährt, ist die Belastung für Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen hoch: So waren zum 1. Juli 2024 im ersten Jahr im Pflegeheim durchschnittlich 2.871 Euro pro Monat an Zuzahlungen aus eigener Tasche fällig.
Die folgende Tabelle zeigt, wie sich die Kosten aufteilen:
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Werden Pflegebedürftige professionell zu Hause gepflegt, werden nach einer Auswertung der Zeitschrift "Finanztest" von Juli 2023 folgende monatlichen Eigenanteile fällig – Ausgaben für Kost und Logis noch nicht inbegriffen:
- Pflegegrad 1: 150 Euro
- Pflegegrad 2: 600 Euro
- Pflegegrad 3: 1.300 Euro
- Pflegegrad 4: 2.600 Euro
- Pflegegrad 5: 2.600 Euro
Für wen ist eine Pflegezusatzversicherung sinnvoll?
Versicherungen sind immer eine Wette darauf, dass der Versicherungsfall letztlich auch eintritt und Sie dann mehr Leistungen bekommen, als Sie selbst in den Jahren zuvor an Beiträgen eingezahlt haben. Da jedoch niemand die Zukunft vorhersagen kann, lässt sich die Frage, für wen eine Pflegezusatzversicherung sinnvoll ist, nur näherungsweise beantworten.
Ein Kriterium, das für einen Abschluss sprechen könnte, ist die familiäre Vorbelastung. Gab es in Ihrer Familie bereits Pflegefälle, haben auch Sie möglicherweise ein erhöhtes Risiko, selbst pflegebedürftig zu werden. Das allein ist aber noch kein hinreichender Grund für eine Pflegezusatzversicherung.
Denn womöglich wissen Sie bereits, dass sich im Fall der Fälle Angehörige um Sie kümmern würden. Pflegen Ihre Kinder Sie beispielsweise ganz oder teilweise, senkt das die Kosten für einen ambulanten Pflegedienst oder eine selbstständige Pflegekraft deutlich. Eine Pflegezusatzversicherung wäre also nicht zwingend nötig.
Wer hingegen keine Kinder oder andere Menschen hat, die ihm so nahestehen, dass sie seine Pflege übernehmen würden, für den kann eine Zusatzversicherung sinnvoll sein. Zumindest dann, wenn Ihr Einkommen durchschnittlich ist und Sie im Pflegefall eher nicht auf Ersparnisse oder Vermögen zugreifen können.
Doch selbst wer Vermögen wie beispielsweise eine Immobilie oder hohe Bankguthaben besitzt, sieht es in der Regel ungern, wenn diese Mittel für die eigene Pflege draufgehen. Denn oft gibt es Erben, denen man etwas hinterlassen möchte. Eine Pflegezusatzversicherung schützt vor einem solchen Verlust.
Sind Sie noch jung, wissen aber bereits sicher, dass Sie eine Pflegezusatzversicherung abschließen wollen, ist die Gelegenheit günstig. Sie können sich dann niedrigere Beiträge sichern. Allerdings ist die Glaskugel in dieser Lebensphase noch undurchsichtiger: "Kinder, Jobwechsel, Heirat, Scheidung: Zu viel kann noch passieren", heißt es bei der Verbraucherzentrale. Für jüngere Menschen bis etwa 50 Jahre empfehle sich eine Pflegezusatzversicherung daher trotz günstigerer Beiträge meist noch nicht.
Welche Varianten der Pflegezusatzversicherung gibt es?
Bei der Pflegezusatzversicherung stehen drei verschiedene Produkte zur Auswahl: Pflegetagegeld-, Pflegekosten- und Pflegerentenversicherungen. Die Pflegetagegeldversicherung gibt es zudem als staatlich geförderten Vertrag. Ein Überblick:
- Pflegetagegeldversicherung: Sie zahlt ein vereinbartes Tagegeld im Pflegefall. Dabei spielt es in der Regel keine Rolle, ob Sie im Pflegeheim, zu Hause von einem ambulanten Pflegedienst oder von Angehörigen gepflegt werden. Tarife, die ambulante Pflege ausschließen, sollten Sie meiden. Achten Sie zudem darauf, dass Sie bereits dann keine Beiträge mehr zahlen müssen, wenn der Pflegefall eingetreten ist. Wählen Sie dazu einen Tarif, nach dem der Pflegefall dann eingetreten ist, wenn die gesetzliche Pflegeversicherung die Pflegebedürftigkeit festgestellt hat.
- Geförderte Pflegetagegeldversicherung: Für manche Pflegetagegeldtarife gibt es eine staatliche Förderung von fünf Euro im Monat, oft auch Pflege-Bahr genannt nach dem früheren Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Diese Verträge haben zwar den Vorteil, dass jeder aufgenommen werden muss, egal wie alt oder vorerkrankt jemand bereits ist. Der große Nachteil sind aber die Konditionen: Laut Verbraucherzentrale decken die Leistungen bei Weitem nicht die Kostenlücke im Pflegefall. Den Beitrag müssen Sie zudem immer weiter zahlen. Und der steigt mit der Zeit in der Regel stärker als bei nicht geförderten Tarifen. Weiterer Minuspunkt: Es gibt eine Wartezeit von fünf Jahren.
- Pflegekostenversicherung: Diese Art Pflegezusatzversicherung erstattet nur nachgewiesene Pflegekosten, die nach Unterstützung durch die gesetzliche Pflegekasse noch übrig bleiben. Es kann auch nur zu einer Teilzahlung kommen – entweder bis zu einer vereinbarten Höchstgrenze oder indem nur ein festgelegter Prozentsatz der Restkosten beglichen wird. Und: Die Kostenübernahme gilt in der Regel nur für die reine Pflege, nicht für Unterkunft und Verpflegung. Eine Beitragsbefreiung ist meist auch nicht vorgesehen.
- Pflegerentenversicherung: Hier erhalten Sie einen tariflich vereinbarten monatlichen Rentenbetrag zur freien Verfügung. Wie hoch die Rente ausfällt, hängt vom Pflegegrad ab. Die volle Pflegerente gibt es in der Regel erst ab Pflegegrad 4 oder 5. Beitrag und Leistungsumfang legen Sie bei Vertragsabschluss fest. Sofern keine Dynamik vereinbart wird, bleibt der Beitrag stabil. Er liegt aber zwei- bis dreimal so hoch wie bei den anderen Versicherungsarten. Tritt der Pflegefall ein, müssen Sie in der Regel keine Beiträge mehr zahlen.
Worauf sollte ich beim Abschluss achten?
Je nach Art der Pflegezusatzversicherung sollten Sie unterschiedliche Aspekte bedenken (siehe vorheriger Abschnitt). Ganz grundsätzlich gilt aber: Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie den Beitrag viele Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte, zahlen müssen und dieser regelmäßig steigen wird. Vor einem Abschluss sollten Sie also durchrechnen, ob Sie sich das leisten können – die Absicherung soll schließlich nicht selbst zur Finanzfalle werden.
Prüfen Sie vorher zudem, ob Ihnen andere Versicherungen fehlen, die existenzielle Risiken abdecken. Dazu zählen insbesondere eine private Haftpflichtversicherung und bei Berufstätigen eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Haben Sie diese noch nicht abgeschlossen, sollten Sie sich zunächst darum kümmern, bevor Sie an eine Pflegezusatzversicherung denken.
Und natürlich gilt wie immer: Vergleichen Sie verschiedene Anbieter, um das beste Preis-Leistungs-Verhältnis für Ihre Bedürfnisse zu finden. In ihrem jüngsten Test von Pflegetagegeldversicherungen aus Juli 2023 verteilte die Stiftung Warentest dreimal die Note "sehr gut". Sie empfiehlt die Tarife "PAS" der Nürnberger, "PflegePrivat Premium Plus" der Bayerischen Beamtenkrankenkasse und "PflegePrivat Premium Plus" der UKV.
Gibt es Alternativen zur Pflegezusatzversicherung?
Wer noch ausreichend Zeit hat, kann statt einer Versicherung auch auf den Vermögensaufbau mit sogenannten ETFs setzen. Das sind börsengehandelte Indexfonds, bei denen Sie auf einen Schlag einen ganzen Korb aus Aktien investieren können. So verteilen Sie das Risiko auf mehrere Schultern. Bleiben Sie zudem mindestens 15 Jahre dabei, haben Sie ausreichend Zeit, Krisen auszusitzen.
Empfehlenswert ist ein ETF-Sparplan auf einen weltweiten Aktienindex wie etwa den MSCI World. Dieser enthält rund 1.600 Aktien von Unternehmen aus den Industrieländern. Mit dem Sparplan stellen Sie sicher, dass automatisch jeden Monat Geld investiert wird. Dank des Zinseszinseffekts kommen so beachtliche Summen zusammen – und eine etwaige Pflegebedürftigkeit können Sie aus eigener Tasche zahlen. Lesen Sie hier, wie Sie einen ETF-Sparplan aufsetzen.
Besitzen Sie Wohneigentum und sind Sie finanziell dazu in der Lage, sollten Sie Ihr Haus oder Ihre Wohnung früh barrierefrei umbauen. So können Sie einen eventuell nötigen Umzug ins Pflegeheim oder Hilfe bei alltäglichen Aufgaben im Haus etwas hinauszögern. Auch Konzepte des gemeinschaftlichen Wohnens wie eine Alten-WG können einiges abfedern.
Wenn alles nichts hilft und Sie auf Pflege angewiesen sind, diese aber nicht bezahlen können, kann die "Hilfe zur Pflege" einspringen. Diese Sozialleistung bekommen alle, die nachweisen können, dass sie finanziell bedürftig sind. Die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zahlen zudem Pflegewohngeld. Lesen Sie hier mehr dazu, was Sie tun können, wenn die Rente nicht für die Pflegekosten reicht.
Wann müssen Angehörige zahlen?
Viele schließen eine Pflegezusatzversicherung ab, um zu vermeiden, dass die eigenen Kinder finanziell für die Pflege der Eltern aufkommen müssen. Allerdings gilt seit dem 1. Januar 2020 das Angehörigen-Entlastungsgesetz: Demnach müssen Kinder erst ab einem jährlichen Bruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro für die Pflegekosten der Eltern aufkommen, sofern diese nicht selbst dazu in der Lage sind. Lesen Sie hier, was das in Nettoeinkommen bedeutet.
- verbraucherzentrale.de: "Pflegezusatzversicherung – eine sinnvolle Absicherung fürs Alter?"
- bmas.de: "Angehörigen-Entlastungsgesetz"
- Eigene Recherche