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Cannabis: Medizinische Heilpflanze oder Droge? Das sagt ein Experte


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Vertrieb von Cannabis
"Mit den Apotheken haben wir eine bewährte Infrastruktur"

InterviewVon Leon Bensch

02.05.2024Lesedauer: 5 Min.
imago images 0448296098Vergrößern des Bildes
Ein Marihuana-Konsument: Besitz und Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf sind in Deutschland jetzt legal. (Quelle: IMAGO)

Während Cannabis-Fans jubeln, sehen andere eine neue Drogenwelle heraufziehen. Dabei wird oft vergessen, dass medizinisches Cannabis bereits freigegeben war. Profitieren Cannabis-Patienten am meisten vom neuen Gesetz?

Der Deutsche Bundestag hat die Teillegalisierung von Cannabis beschlossen. Mit dem neuen Gesetz, das am 1. April 2024 in Kraft getreten ist, soll der Schwarzmarkt ausgetrocknet und der Besitz und Konsum von Cannabis entkriminalisiert werden. In der Debatte, ob Cannabis gut oder schlecht für die Gesellschaft ist, wird jedoch oft vergessen, dass es in der Medizin längst freigegeben ist.

Wir haben mit Philip Schetter, Firmenchef von Cantourage gesprochen, der sich mit Medizinal-Cannabis auskennt. Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Berlin importiert Cannabis, stellt medizinisches Cannabis her und vertreibt die Produkte an Apotheken sowie ins europäische Ausland. So blickt er auf die historische Entscheidung und ihre Folgen.

t-online: Nach heftigen Debatten zwischen Politikern, Ärzten, Psychologen und Juristen hat Deutschland Cannabis legalisiert – teilweise. Wieder nur ein Reförmchen statt des großen Wurfs?

Philip Schetter: Ich kann die Entscheidung zum Teil nachvollziehen, zum Teil aber auch nicht. Im ersten Schritt scheint es in Ordnung zu sein, weil es eine Veränderung darstellt. Wenn wir uns Cannabis als Genussmittel anschauen, dann sehen wir, dass in den letzten Jahren die restriktiven Regelungen und Rahmenbedingungen nicht funktioniert haben, dass der Konsum zugenommen hat und dass auch die organisierte Kriminalität zugenommen hat. Es war dringend an der Zeit, strukturell etwas zu ändern. Es ist gut, dass es jetzt ein legales Angebot gibt. Ob die Teillegalisierung in Deutschland funktioniert, bleibt aber abzuwarten.

Philip Shetter, CEO von Cantourage
Philip Shetter, CEO von Cantourage (Quelle: Michel Buchmann)

Zur Person

Philip Shetter ist CEO von Cantourage. Cantourage ist ein börsennotiertes europäisches Unternehmen für medizinisches Cannabis mit Hauptsitz in Berlin. Das Unternehmen wurde 2019 von den Branchenpionieren Norman Ruchholtz, Dr. Florian Holzapfel und Patrick Hoffmann gegründet. Das Unternehmen bietet Produkte in allen relevanten Marktsegmenten an: getrocknete Blüten, Extrakte, Dronabinol und Cannabidiol in pharmazeutischer Qualität.

Was sind die Herausforderungen?

Die Herausforderung wird sein, dass man eine Infrastruktur aufbaut, um auch legales Cannabis anzubauen, zu verarbeiten und abzugeben. Das wird seine Zeit brauchen. Eigenanbau und Cannabis-Clubs werden nicht genügen, um ein ausreichendes legales Angebot für die gesamte Nachfrage zu schaffen. Vermutlich werden sich weiterhin Menschen aktiv auf dem Schwarzmarkt Cannabis suchen. Was die Frage aufwirft, wann eine kontrollierte Abgabe über Fachgeschäfte und Apotheken kommt? Der Witz dabei ist ja: Mit den Apotheken haben wir bereits eine seit Jahren bewährte Infrastruktur, die ihr Angebot theoretisch sehr einfach auf den Freizeitkonsum erweitern könnte.

Kann man die Nachfrage überhaupt komplett mit einer kontrollierten Abgabe befriedigen?

Wir brauchen eine funktionierende Infrastruktur, die stark reguliert ist. Wir müssen wissen, wo Cannabis angebaut wird, wer unsere Handelspartner sind, wo die Pflanzen verarbeitet und verpackt werden und wie sie zu uns nach Europa gelangen. Wenn wir an Cannabis für den Freizeitkonsum die gleichen hohen Standards anlegen wie an das, was wir für Patienten produzieren, können wir auf eine bereits sehr gut kontrollierte Wertschöpfungskette zurückgreifen. Am Ende könnten sehr gute Produkte zu sehr guten Preisen für die Cannabiskonsumenten herauskommen.

Sie sprechen im Konjunktiv. Fakt ist aber: Jeder darf zwar Cannabis anbauen, besitzen und konsumieren. Der ursprüngliche Plan, Cannabis in Fachgeschäften an Erwachsene zu verkaufen, wurde jedoch vertagt. Also wird ein Teil doch unter der Hand gehandelt?

Cannabis gilt seit dem 1. April 2024 nicht mehr als Betäubungsmittel. Somit entfallen viele Hürden für Ärzte und Apotheken, was Dokumentationspflichten anbelangt. Cannabis kann grundsätzlich auch leichter verschrieben werden. Ein Teil derer, die sich Cannabis bisher auf dem Schwarzmarkt beschafft haben, haben durchaus auch zu eigentherapeutischen Zwecken gehandelt. Bisher haben sie aber kaum Ärzte finden können, mit denen sie darüber diskutieren konnten. Die Hoffnung liegt darauf, dass diese Menschen den Weg ins medizinische System finden und Zugang zu legalem, sicheren Cannabis bekommen.

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Die Bundesopiumstelle kontrolliert die Einfuhr von medizinischem Cannabis nach Deutschland. Werden auch Sie von der Behörde beaufsichtigt?

Die Bundesopiumstelle kontrolliert Importe nach Deutschland und Exporte in andere Länder, um zu schauen, was mit der Ware passiert. Da sind wir als Unternehmen in engem Austausch. Wir beziehen unsere Ware global aus aller Welt: 60 Anbaupartner aus Ländern wie Kanada, Uruguay, Neuseeland und Australien haben wir aktuell unter Vertrag. Die Bundesopiumstelle kontrolliert die Ein- und Ausfuhr und lässt sich in regelmäßigen Abständen die Warenbestände melden.

Die übergeordnete Stelle ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Sie legt Qualitätskriterien fest, nach denen Cannabis als Arzneimittel freigegeben werden darf. Wir testen in Zusammenarbeit mit externen Labors, ob unsere Cannabisblüten diese Anforderungen erfüllen und freigegeben werden können.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesärztekammer sagen, dass es noch nicht genug gute Studien gebe, um die Wirksamkeit von Cannabis sicher beurteilen zu können, was heißen soll: Die medizinische Wirkung von Cannabis ist gering.

Cannabis hat ein sehr breites Wirkspektrum – das Potenzial in der Schmerztherapie ist jedoch noch lange nicht vollständig wissenschaftlich untersucht. Bei den bisherigen Verschreibungen handelt es sich in den meisten Fällen um chronische Schmerzen wie Cluster-Kopfschmerzen oder chronische Rückenschmerzen. Aber auch bei Volkskrankheiten wie Schlafproblemen hat Cannabis bereits vielen Menschen geholfen, ihre individuelle Lebensqualität zu verbessern.

Wie wirkt sich medizinisches Cannabis auf die Patienten aus?

Das ist je nach Präparat unterschiedlich – Cannabis kann unter anderem entzündungshemmend, angstlösend, entspannend, aber auch aktivierend wirken. In diesen Fällen hat Cannabis weniger Nebenwirkungen als klassische Schmerzmittel wie Opiate. Ich habe von Patienten die Rückmeldung erhalten, dass sie mit einer Cannabis-Therapie aktiver am Leben teilnehmen können und nicht in eine "totale Gleichgültigkeit" verfallen.

Glauben Sie, dass mit der teilweisen Legalisierung von Cannabis das Bewusstsein dafür wächst, dass Cannabis nicht nur eine Droge wie Alkohol ist, sondern auch ein Medikament sein kann?

Das hoffe ich sehr. Wir sehen unsere Verantwortung als Cannabis-Unternehmen nicht nur darin, hochwertige Cannabis-Arzneimittel herzustellen. Darüber hinaus haben wir eine telemedizinische Plattform ins Leben gerufen, mit dem Namen "Telecan". Hier haben Ärzte und Patienten die Möglichkeit, miteinander in Verbindung zu treten. Dabei können sie sich über eine Therapie beraten lassen und Cannabis-Rezepte bekommen.

Machen wir einen Gedankensprung an die Börse: Bisher war der Cannabis-Hype ein Spiel für Zocker. Heute sind die Aktienkurse internationaler Cannabis-Unternehmen wie Tilray, Canopy und Aurora im Keller. Viele Unternehmen haben Milliarden-Schulden und sind theoretisch pleite. Glauben Sie an ein Comeback?

Im medizinischen Bereich wachsen die Märkte und mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen weitere hinzu. Denken Sie nur an Lifestyle-Produkte wie Öle, Salben oder Kosmetik. Wir sind mit Cantourage früh an die Börse gegangen, um Privatanlegern und Investoren die Chance zu geben, sehr früh in ein Wachstumsunternehmen zu investieren.

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Wir konnten unseren Umsatz von 500.000 Euro innerhalb von fünf Jahren auf 20 Millionen Euro steigern und haben dabei nur geringe Verluste verzeichnet. Im Gegensatz zu den von Ihnen genannten Unternehmen werden wir in diesem Jahr voraussichtlich erstmals profitabel wirtschaften. Außerdem haben wir eine flexible Infrastruktur aufgebaut, die zum deutschen Markt passt und sich schnell an weitere Märkte anpassen kann, die sich gerade in Europa in den nächsten Jahren entwickeln werden. Dadurch unterscheiden wir uns von vielen anderen internationalen Unternehmen, die noch immer hohe Verluste schreiben.

Herr Schetter, wir bedanken uns für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Phillip Shetter, Unternehmens-Chef von Cantourage
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