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Kalte Progression: Steuern & Inflation gegen Gehaltserhöhung


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Kalte Progression
Warum Steuern und Inflation Ihre Gehaltserhöhung auffressen


Aktualisiert am 20.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Eine junge Frau vergleicht Joghurt (Symbolbild): Bei einer Gehaltserhöhung steigt Ihr Nettoeinkommen nicht im gleichen Maß wie Ihr Bruttoeinkommen.Vergrößern des Bildes
Eine junge Frau vergleicht Joghurt (Symbolbild): Bei einer Gehaltserhöhung steigt Ihr Nettoeinkommen nicht im gleichen Maß wie Ihr Bruttoeinkommen. (Quelle: Ildar Abulkhanov/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Wer sich beim Chef eine Lohnerhöhung heraushandelt, kann in ungünstigen Fällen weniger kaufkräftig sein. Dann ist er Opfer der kalten Progression. Wir erklären, was das ist.

Es scheint zunächst paradox: Obwohl Sie mehr verdienen, können Sie sich von dem Geld weniger kaufen. Läuft es ganz blöd, erleiden Sie einen realen Einkommensverlust.

Schuld daran ist die sogenannte kalte Progression, die manchmal auch als schleichende oder heimliche Steuererhöhung bezeichnet wird. Wir zeigen Ihnen, wann Sie dieses Phänomen betrifft, welche Steuerzahler besonders anfällig dafür sind und welche Maßnahmen es gibt, um der kalten Progression entgegenzuwirken.

Was ist kalte Progression?

Kalte Progression bezeichnet vereinfacht gesagt das Problem, dass Menschen zwar mehr Gehalt verdienen, sich davon aber trotzdem weniger leisten können. Das liegt an zwei Faktoren:

  1. Steuerprogression: Weil der Einkommensteuer-Tarif in Deutschland progressiv ist, also ansteigend, wird für jeden zusätzlich verdienten Euro ein höherer Steuersatz fällig. Je mehr Gehalt Sie verdienen, desto mehr Steuern gehen von Ihrem Bruttogehalt ab. Das kann dazu führen, dass netto nicht deutlich mehr Geld auf Ihrem Konto eingeht.
  2. Inflation: Weil Waren und Dienstleistungen von Jahr zu Jahr teurer werden, sinkt zudem die Kaufkraft. Eine Gehaltserhöhung bringt Ihnen dann zwar in absoluten Zahlen mehr Geld auf dem Konto, davon können Sie sich aber weniger Produkte kaufen, weil die Preise so stark gestiegen sind.

Ein Beispiel macht die kalte Progression deutlicher:

Rebecca verdient als Single ohne Kinder in Steuerklasse I 4.333,33 Euro brutto pro Monat und damit 52.000 Euro im Jahr. 2022 genehmigt Ihre Chefin Ihr eine Gehaltserhöhung von 5 Prozent. Dadurch steigt Ihr Bruttojahreseinkommen um 2.600 Euro und ihr Bruttomonatsgehalt um 216,67 Euro.

Netto bleiben Rebecca davon aber nur 102,90 Euro im Monat (1.234,80 Euro im Jahr). Ihr Nettogehalt steigt also nur um 3,9 Prozent – statt um 5 Prozent wie das Bruttogehalt. Die kalte Progression frisst also 113,77 Euro pro Monat auf. Denn Rebecca muss für ihr neues Einkommen von 4.550 Euro brutto im Monat einen höheren Steuersatz zahlen als für die 4.333,33 Euro vorher.

Genauer gesagt: Ihr Durchschnittssteuersatz wächst durch die Gehaltserhöhung von 24,57 Prozent auf 25,09 Prozent, ihr Grenzsteuersatz von 39,53 Prozent auf 40,35 Prozent. Der Grenzsteuersatz gibt an, welcher Anteil des nächsten zusätzlich verdienten Euros als Steuer abgeführt werden muss.

Durch diese Steuerprogression steigt Rebeccas Steuerbelastung prozentual stärker als ihr Bruttoeinkommen. Dadurch ist ihr Netto-Plus geringer als die Brutto-Erhöhung. Und dann wäre da ja noch die Inflation.

Video | Kalte Progression
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Quelle: t-online

Im Januar 2022 lag die Teuerungsrate bei 4,9 Prozent. Rebeccas Nettogehalt ist aber nur um 3,9 Prozent gestiegen. Von der Gehaltserhöhung bleibt also gar nichts mehr übrig – im Gegenteil. Rebecca kann sich trotz Lohnplus weniger leisten. Die kalte Progression hat sie voll getroffen.

Welche Steuersätze gelten bei welchem Einkommen?

Der deutsche Einkommensteuertarif ist progressiv (ansteigend). Das heißt, für jeden zusätzlich verdienten Euro müssen Sie einen höheren Steuersatz zahlen. Wie hoch dieser ausfällt, gibt der Grenzsteuersatz an.

Folgende Eckwerte gelten für den Einkommensteuertarif 2022:

  • zu versteuerndes Einkommen zwischen 0 Euro und 9.984 Euro: Die Steuerbelastung beträgt 0 Euro, da Einkommen bis zum Grundfreibetrag von 9.984 Euro steuerfrei sind.
  • zu versteuerndes Einkommen zwischen 9.985 Euro und 14.926 Euro: Der Grenzsteuersatz liegt zwischen 14 Prozent und 24 Prozent (Progressionszone I oder "Untere Progressionszone").
  • zu versteuerndes Einkommen zwischen 14.927 Euro und 58.596 Euro: Der Grenzsteuersatz liegt zwischen 24 Prozent und 42 Prozent (Progressionszone II oder "Obere Progressionszone").
  • zu versteuerndes Einkommen zwischen 58.597 Euro und 277.825 Euro: Der Grenzsteuersatz beträgt einheitlich 42 Prozent (Proportionalzone I).
  • zu versteuerndes Einkommen ab 277.826 Euro: Der Grenzsteuersatz beträgt einheitlich 45 Prozent (Proportionalzone II, "Reichensteuer").

Gut zu wissen: Ein Eckwert besagt, dass der Teil des Einkommens, der oberhalb dieses Betrags liegt, höher besteuert wird als der darunterliegende. Der Grundfreibetrag ist beispielsweise so ein Eckwert. Er stieg 2022 um 240 Euro gegenüber 2021. Die übrigen Eckwerte des Steuertarifs wurden um 1,17 Prozent angehoben. Dadurch wird die kalte Progression abgebaut (mehr dazu unten).

Wen trifft die kalte Progression besonders?

Die kalte Progression trifft vor allem Menschen mit geringen und mittleren Einkommen (siehe auch oben Progressionszonen I und II). Das liegt am deutschen Einkommensteuersystem.

Während zu versteuernde Einkommen bis 9.984 Euro (Grundfreibetrag 2022) steuerfrei sind, fallen für den nächsten hinzuverdienten Euro bereits 14 Prozent Steuern an. Die sogenannte Progressionskurve, die den Verlauf des Einkommensteuertarifs grafisch darstellt, schießt also für untere Einkommen steil nach oben (von 0 auf 14 Prozent), während sie für höhere Einkommen deutlich flacher verläuft.

Ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 58.597 Euro läuft die Progressionskurve sogar seitwärts, weil der Steuersatz konstant bei 42 Prozent bleibt. Erst wenn das zu versteuernde Einkommen 277.826 Euro erreicht, nimmt der Steuertarif sozusagen eine Treppenstufe und springt auf den Spitzensteuersatz von 45 Prozent. Die kalte Progression trifft Besserverdiener also deutlich weniger.

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Kann man die kalte Progression abschaffen?

Es ist möglich, die kalte Progression abzumildern. Dafür muss der Bundestag jedes Jahr aufs Neue beschließen, den Tarifverlauf der Einkommensteuer zu ändern. Das geschieht in der Regel auch.

Der Grundfreibetrag und die anderen Eckwerte des Steuertarifs werden dafür erhöht. 2022 steigt der Grundfreibetrag beispielsweise um 2,46 Prozent, alle übrigen Eckwerte um 1,17 Prozent.

Um die kalte Progression komplett zu verhindern, müssten die Werte allerdings um die Höhe der Inflationsrate angehoben werden. So machen es etwa Länder wie die USA, Frankreich oder die Schweiz. 2021 lag die Inflationsrate bei 3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr – und nicht bei 1,17 Prozent, wie 2020 prognostiziert und im Einkommensteuertarif 2022 widergespiegelt.

Steuerzahlerbund fordert Steuertarif-Korrektur

Der Bund der Steuerzahler hat die Bundesregierung deshalb aufgefordert, den Einkommensteuertarif rückwirkend zum 1. Januar zu korrigieren, um die kalte Progression in diesem Jahr komplett abzubauen. Nach Berechnungen des Verbands müsste der Grundfreibetrag von aktuell 9.984 auf 10.046 Euro steigen.

Auch die anderen Eckwerte des Tarifs müssten weiter nach rechts verschoben werden. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent würde dann ab 59.714 statt ab 58.597 Euro greifen. Die Steuerzahler würden dadurch um 2,6 Milliarden Euro entlastet.

Auf den Einzelnen heruntergebrochen hieße das: Ein Alleinstehender ohne Kinder würde bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 25.000 Euro 41 Euro weniger an Steuern zahlen müssen, bei einem Einkommen von 50.000 Euro 113 Euro weniger und bei 75.000 Euro 152 Euro weniger.

Auch die Union sprach sich zuletzt dafür aus, die Einkommensteuer schnell an die unerwartet hohe Inflation anzupassen.

Verwendete Quellen
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