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Pflichtteil Erbe: Wann und wie bekomme ich meinen Teil vom Nachlass?


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Trotz Anspruch
Wie Sie Ihren Pflichtteil beim Erbe verlieren können


Aktualisiert am 16.08.2024Lesedauer: 7 Min.
Ein Frau sichtet Dokumente: Das Erbrecht garantiert auch ungeliebten Kindern und Verwandten einen Pflichtteil am Nachlass.Vergrößern des Bildes
Ein Frau sichtet Dokumente: Das Erbrecht garantiert auch ungeliebten Kindern und Verwandten einen Pflichtteil am Nachlass. (Quelle: Liubomyr Vorona/getty-images-bilder)
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Erblasser können Kinder und Ehepartner enterben. Der Anspruch auf einen Pflichtteil bleibt aber. Wie hoch er ausfällt und wann Sie ihn doch nicht bekommen.

Das deutsche Erbrecht ist kompliziert. Sie können zwar ungeliebte Verwandte enterben, komplett leer gehen sie dadurch aber in der Regel nicht aus. Denn sie bleiben pflichtteilsberechtigt.

Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Er steht laut gesetzlicher Erbfolge einer ganzen Reihe von Angehörigen zu: Kindern, Kindeskindern, Eltern, Ehe- und Lebenspartnern einer eingetragenen Lebensgemeinschaft. In der Erbordnung sind sie einander aber nicht gleichgestellt.

Wir zeigen Ihnen, was das in der Praxis bedeutet, wie Sie an Ihren Pflichtteil kommen und unter welchen Umständen es sein kann, dass Sie trotz Pflichtteilsanspruch gar nichts erben.

Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?

Laut § 2303 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) haben nahe Angehörige auch dann Anspruch auf einen Teil des Nachlasses, wenn der Erblasser sie enterbt hat. Diese mindestmögliche Teilhabe am Vermögen des Verstorbenen soll der Idee Rechnung tragen, dass der Erblasser auch nach seinem Tod Fürsorgepflichten für seine nahen Angehörigen hat.

Anrecht auf einen Pflichtteil haben:

  • Kinder, leiblich oder adoptiert
  • Ehe- und Lebenspartner
  • Eltern des Erblassers, wenn er keine Kinder hat
  • Enkel oder Urenkel, wenn ihre Eltern oder/und Großeltern nicht mehr leben

Keinen Anspruch auf einen Pflichtteil haben:

  • Großeltern
  • Geschwister

In der Regel kommen aber nie alle gleichzeitig zum Zug. Wenn etwa ein Ehepaar stirbt und sowohl Kinder als auch Eltern hinterlässt, erben die Eltern nichts, denn die Kinder der Verstorbenen stehen in der Erbordnung höher. Lesen Sie hier, wie die gesetzliche Erbfolge genau aussieht.

Pflichtteil in Patchwork-Familien

Kompliziert wird es, wenn Eltern sich trennen und neue Partnerschaften eingehen. Vielleicht bringen beide Partner jeweils Kinder in die neue Beziehung ein und bekommen zusätzlich auch noch gemeinsamen Nachwuchs. Das Problem ist: Im Erbrecht wird zwischen der rechtlichen und der sozialen Familie unterschieden.

Das bedeutet: Stiefkinder sind im Erbfall den leiblichen oder adoptierten Kindern nicht gleichgestellt. Stirbt also ein Partner in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, haben dessen leibliche Kinder, nicht jedoch die Stiefkinder, einen Anspruch auf den Pflichtteil.

Abhilfe schaffen zum Beispiel ein Testament oder ein Erbvertrag, in denen auch die nicht leiblichen oder adoptierten Kinder mit bedacht werden.

Wann und wie bekomme ich den Pflichtteil?

Der Pflichtteil wird grundsätzlich fällig, wenn der Erbfall eintritt. In der Praxis läuft das aber nicht immer problemlos ab. Schwierig wird es zum Beispiel, wenn das Erbe nicht aus Bar-, sondern Sachvermögen besteht.

Pocht die Pflichtteilsberechtigte darauf, dass ihr ihr Anteil ausgezahlt wird, könnte das bedeuten, dass die Sachwerte – zum Beispiel ein Haus – verkauft werden müssen. Allerdings wägt das Gericht in diesen Fällen sorgsam ab.

Wohnen in der Immobilie andere Erben, kann es eine unbillige Härte sein, den Verkauf zu erzwingen. Eine Lösung wäre, die Auszahlung des Pflichtteils zu stunden oder in Raten zu begleichen.

Anders verhält es sich bei Wertgegenständen wie Antiquitäten oder Schmuck. Diese müssen Sie im Zweifel veräußern, wenn Sie den Pflichtteil nicht aus Ihrem Privatvermögen zahlen können.

Wichtig: Der Pflichtteilsberechtigte muss seinen Anteil von den Erben einfordern. Das Nachlassgericht informiert nur die verfügten Erben. Pflichtteilsansprüche sind nicht auf dem Erbschein vermerkt.

Um an Ihren Pflichtteil zu kommen, sollten Sie die Erben zunächst um Auskunft über die Höhe des vererbten Vermögens bitten. Das gelingt über das Nachlassverzeichnis, das Erben oder Notar entweder selbstständig oder auf Ihr Verlangen hin erstellen. Das Verzeichnis führt alle Vermögenswerte auf. Als Pflichtteilsberechtigter dürfen Sie anwesend sein, während es erstellt wird.

Sie können nun die Höhe Ihres Pflichtteils berechnen und ihn anschließend vom Erben oder der Erbengemeinschaft einfordern. Weigern sich die Erben, den Pflichtteil zu zahlen, bleibt Ihnen nur die Klage.

Wie berechnet sich die Höhe des Pflichtteils?

Der Pflichtteil beläuft sich stets auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Was sich einfach anhört, führt aber oft zu Auseinandersetzungen vor Gericht.

Um den Pflichtteil zu berechnen, müssen alle Angehörigen berücksichtigt werden – also auch jene, die von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind. Außerdem müssen die gesetzlichen Erben feststehen. Auf dieser Grundlage können Sie zunächst die Pflichtteilsquote bestimmen.

Gut zu wissen: Wer bereits zu Lebzeiten des Erblassers in einem Vertrag auf sein Erbe verzichtet hat, fließt nicht in die Berechnung ein.

  • Beispiel: Eine Witwe hat zwei Töchter, von denen sie die eine als Alleinerbin eingesetzt hat. Laut gesetzlicher Erbfolge steht jedem der beiden Kinder die Hälfte des Nachlasses zu. Bei einem Vermögen von 100.000 Euro wären das also je 50.000 Euro. Da die eine Tochter aber enterbt wurde, steht ihr nur der Pflichtteil zu, also nur ein Viertel, sprich: 25.000 Euro. Der Rest des Erbes, 75.000 Euro, geht an die Schwester.

Der Pflichtteil ist generell ein Geldanspruch. Ansprüche auf Gegenstände – etwa Gemälde des Verstorbenen oder Immobilien – bestehen nicht. Gehören also Sachwerte zum Nachlass, müssen Sie erst einmal deren Wert bestimmen.

Maßgeblich ist dabei der Verkehrswert, also jener Wert, den die Erben erzielen würden, wenn sie den Gegenstand verkauften. Sogenannte Nachlassverbindlichkeiten wie Kosten für die Beerdigung ziehen Sie vom Vermögen ab. Gleiches gilt für die Kosten der Wertermittlung selbst, zum Beispiel über einen Sachverständigen.

Tipp: Ist der Nachlass überschaubar, sollten Sie versuchen, sich als Pflichtteilsberechtigter mit den Erben zu einigen. So schrumpft der Erbteil aller Beteiligten nicht noch weiter.

Was, wenn das Erbe vorher verschenkt wird?

Was Erblasser zu Lebzeiten mit ihrem Vermögen machen, ist ganz ihnen überlassen. Sie können es auch komplett oder in Teilen verschenken. Damit verringert sich logischerweise nicht nur das Erbe, sondern auch der Pflichtteil von Enterbten.

Damit diese am Ende nicht leer ausgehen oder zumindest nicht schlechter dastehen, haben Pflichtteilsberechtigte einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Was sperrig klingt, bedeutet nichts anderes, als dass Sie dadurch mehr Geld bekommen. Und zwar so viel mehr, wie Sie bekommen hätten, wenn es die Schenkung nicht gegeben hätte.

Die Pflichtteilsergänzung wird prozentual berechnet und verringert sich pro Jahr, das die Schenkung bereits zurückliegt. Sind zwischen der Schenkung und dem Tod des Erblassers mehr als zehn Jahre vergangen, verfällt der Ergänzungsanspruch komplett.

Zeitpunkt der Schenkung Berücksichtigung der Schenkung
Im 1. Jahr vor Erbfall 100 Prozent
Im 2. Jahr vor Erbfall 90 Prozent
Im 3. Jahr vor Erbfall 80 Prozent
Im 4. Jahr vor Erbfall 70 Prozent
Im 5. Jahr vor Erbfall 60 Prozent
Im 6. Jahr vor Erbfall 50 Prozent
Im 7. Jahr vor Erbfall 40 Prozent
Im 8. Jahr vor Erbfall 30 Prozent
Im 9. Jahr vor Erbfall 20 Prozent
Im 10. Jahr vor Erbfall 10 Prozent
Ab dem 11. Jahr vor Erbfall 0 Prozent

Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?

Die Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers beziehungsweise dem Erbfall erfahren hat.

Letzteres geschieht meist dadurch, dass das Nachlassgericht das Testament eröffnet und das dazugehörige Protokoll und die Testamentsabschrift auch an die Pflichtteilsberechtigten schickt.

  • Beispiel: Der Erblasser stirbt im Dezember 2020. Im Februar 2021 erfahren Sie vom Nachlassgericht, dass Sie enterbt wurden. Ihr Anspruch auf den Pflichtteil verjährt dann am 31. Dezember 2024.

Für den Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte keine Kenntnis über seinen Anspruch hat, verlängert sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre (§ 199 BGB).

Was unterscheidet Pflichtteil und Abfindung?

Auf den Pflichtteil haben Sie einen gesetzlichen Anspruch. Trotzdem kann es Situationen geben, in denen Sie selbst darauf verzichten – entweder komplett oder gegen eine Abfindung.

Da das von erheblicher rechtlicher Tragweite ist, können Sie Ihren Verzicht nur unter Mitwirkung eines Notars erklären. Die mögliche Abfindung handeln Sie gemeinsam mit den Erben aus. Auf eine solche können Sie sich auch bei Schenkungen einigen – etwa wenn Eltern nur einem ihrer Kinder ihr Haus schenken.

Es macht übrigens einen Unterschied, ob Sie zu Lebzeiten des Erblassers auf Ihren Pflichtteil verzichten oder nach dessen Tod. Erklären Sie den Verzicht noch zu Lebzeiten, unterliegt eine mögliche Abfindung der Steuerklasse II mit einem Freibetrag von 20.000 Euro.

Nach dem Tod greift bei der Abfindung die Steuerklasse I mit einem höheren Freibetrag – je nach Verwandtschaftsgrad von 100.000 Euro bis 500.000 Euro. Lesen Sie hier, wie Sie bei der Erbschaftsteuer sparen.

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Kann ein Kind den Pflichtteil einklagen?

Grundsätzlich kann jeder Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil einklagen, wenn sich die Erben weigern sollten, ihn auszuzahlen. Zusätzlich gibt es aber noch die Besonderheit des Berliner Testaments.

Damit enterben Eltern sozusagen vorübergehend ihre Kinder. Sie erben erst, wenn beide Eltern gestorben sind. Das ist zum Beispiel dann sinnvoll, wenn der Nachlass hauptsächlich aus einer Immobilie besteht.

Wären direkt der überlebende Partner und die Kinder Erben, könnte das bedeuten, dass das Haus verkauft werden muss, um allen ihren Erbteil auszahlen zu können. Trotzdem dürfen auch beim Berliner Testament die Kinder schon nach dem Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil einklagen.

Um das vermeiden, kann eine Strafklausel im Testament hilfreich sein, die besagt: Erhebt ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils Anspruch auf den Pflichtteil, hat es auch im Tod des zweiten Elternteils nur einen Anspruch auf den Pflichtteil.

Kann mir der Pflichtteil entzogen werden?

Dafür gelten strenge Vorgaben. Wer Angehörige komplett enterben will, ihnen also auch den Pflichtteil entziehen möchte, muss das im Testament oder Erbvertrag konkret benennen und begründen (mehr dazu hier).

In § 2333 BGB sind Gründe aufgeführt, die es für Erblasser unzumutbar machen, auch nur den Pflichtteil zu vererben:

  1. Der Pflichtteilsberechtigte hat dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben getrachtet.
  2. Er hat sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der genannten Personen schuldig gemacht.
  3. Er hat die gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht dem Erblasser gegenüber böswillig verletzt.
  4. Er wurde wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt.
  5. Gegen ihn wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet.

Kein hinreichender Grund ist zum Beispiel, dass ein Kind den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen hat und sich nicht um sie kümmert. Steht der Entzug der Pflichtteilserbschaft im Testament, müssen die Erben vor Gericht beweisen können, dass dieser glaubhaft ist.

Hat der Erblasser einen solchen Entzug im Testament festgelegt, kann er trotzdem unwirksam sein. Das ist dann der Fall, wenn er dem Pflichtteilsberechtigten verziehen hat. Klassischerweise geschieht das auf dem Sterbebett. Es reicht das gesprochene Wort. Allerdings muss dann der Pflichtteilsberechtigte beweisen, dass ihm verziehen wurde.

Verwendete Quellen
  • Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
  • Bundesnotarkammer
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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